Frage an Klaus Lederer von Julia B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Was ich nicht verstehe, Herr Lederer: warum propagiert die Linke weiterhin den Arbeitsmythos? Vollbeschäftigung wird es nicht mehr geben und soll es auch nicht: das Ziel muss doch sein, Menschen von der Fessel der Arbeit zu befreien statt sinnlose Tätigkeiten für Arbeitslose zu erfinden. Statt Arbeitslose beim jobcenter zu gängeln, müsste ihnen gedankt werden, dass sie keinen der begehrten Arbeitsplätze in Anspruch nehmen.
Sehr geehrte Frau B.,
ein Widerspruch von meiner Seite: Wir propagieren keinen „Arbeitsmythos“. Die Debatte über die Zukunft der Arbeit, gerade angesichts von Automatisierung, Robotisierung und Digitalisierung, ist eine, die wir auch in der LINKEN intensiv führen (Den Mitschnitt einer in diesem Zusammenhang für Sie vielleicht interessanten Veranstaltung in meinem Wahlkreisbüro finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=fiPR5hq1vfM ). In diesem Kontext diskutieren wir u.a. über Modelle eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Die Idee eines Grundeinkommens findet in der LINKEN viele Sympathisant*innen, darunter auch ich selbst, diese Debatte ist bei uns allerdings noch nicht abgeschlossen.
Der entscheidende Punkt ist ja: Wenn unserer Gesellschaft die Arbeit ausgeht, könnte das eine hervorragende Nachricht sein – unter den gegenwärtigen Bedingungen ist sie das nicht. Wir erleben eine zunehmende Polarisierung: Die einen sind von ihrer Arbeit gestresst und überarbeitet, die anderen finden dauerhaft keine Erwerbsarbeit, egal, wie sehr sie sich anstrengen. In einer Situation, in der Arbeitslosigkeit Armut und Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe bedeutet, können wir uns darüber nicht freuen. Als ersten Schritt, um die Stigmatisierung und Schikanierung von Erwerbslosen zu beenden, schlägt DIE LINKE vor, Hartz IV durch eine armutsfeste, sanktionsfreie Mindestsicherung zu ersetzen. Und ja, wir müssen über die gesellschaftliche Umverteilung von Arbeitszeit reden. Und wir müssen weg von einer Fixierung der Debatte auf Erwerbsarbeit und endlich auch Formen der Fürsorge und des sozialen Engagements als das anerkennen, was sie sind, nämlich Arbeit. Dieselbe Stoßrichtung hatten ja z.B. auch die von unserer Parteivorsitzenden Katja Kipping angestoßene Diskussionen über den Tag der Arbeit ( http://www.focus.de/politik/deutschland/wird-1-mai-tag-der-gerechtigkeit-linke-will-tag-der-arbeit-umbenennen_id_3812022.html ) und über Arbeitszeitverkürzungen ( http://www.katja-kipping.de/de/article/623.arbeitszeitverkuerzung-fuer-ein-gutes-leben.html ). Insofern: Wir romantisieren oder verklären die Lohnarbeit keineswegs. Wir versperren uns auch Diskussionen über die Zukunft der Arbeit nicht. Ich finde, einer solchen Debatte muss sich eine Linke, die nicht aus der Zeit fallen will, unbedingt stellen und sollte sie selbst forcieren, wie wir es ja auch immer wieder tun. Für uns steht aber auch fest: Solange die gesellschaftliche Existenz jeder und jedes Einzelnen so stark von der Erwerbsarbeit abhängt wie heute, müssen wir dafür kämpfen, dass diese Arbeit gut entlohnt wird und unter akzeptablen Bedingungen stattfindet, dass prekäre und befristete Arbeitsverhältnisse so stark wie möglich eingedämmt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Klaus Lederer