Frage an Klaus Lederer von Ariana B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Können sie mir sagen, wie sie erreichen wollen, dass die Handschrift der Linkspartei bei einer möglichen Fortführung von Rot –Rot besser sichtbar wird, welche Grenzbereiche es in einer (möglichen) Regierungsbeteiligung gibt und welche Schwerpunkthemen bei eventuellen Koalitionsverhandlungen gesetzt werden, die später nicht mehr verhandelbar sind, damit zwangsweise ein Regierungsaustritt die Folge wäre und wie wollen sie das den Bürgern jetzt vor der Wahl vermitteln ?
Durch ihre Funktion bewegen sie sich als junger Mann in einem gewissen privilegierten Bereich. Wie erreichen sie es persönlich, dies mit der notwenigen Distanz zu betrachten und welche Mechanismen helfen ihnen, den sich ergebenden Verlockungen unterschwellig nicht zu erliegen?
Sehr geehrte Frau Balsam,
da haben Sie mir zwei Fragen gestellt, die eigentlich nicht so kurz zu beantworten sind! Aber ich versuche es mal.
Die Durchsetzbarkeit der eigenen politischen Ziele innerhalb einer Koalition steht immer unter dem Vorbehalt ihrer Realisierbarkeit unter den konkreten Bedingungen (Haushaltsnotlageland Berlin!) und der Kompromisse und Verhandlungsergebnisse, die sich mit dem möglichen Partner erzielen lassen. Nicht selten kommt am Ende etwas bei heraus, was sich - wenn es gut läuft - beide Partner als jeweils eigenen Erfolg zurechnen. Nehmen wir das Beispiel Kita: Klaus Wowereit schlägt heute den kostenlosen Kita-Besuch vor. Damit bewegt er sich in der Sache stark auf unsere Positionen zu, denn wir finden, dass Bildung keine individuelle Aufgabe ist, sondern eine gesellschaftliche. Es geht ja nicht nur um die individuellen Chancen, sondern vor allem um die gesellschaftliche Zukunft: die Problemlösungskompetenz, demokratische und soziale Aufgeklärtheit einer Gesellschaft. Noch vor drei Jahren hat die Berliner SPD eine Anhebung der Kita-Beiträge für alle Einkommensgruppen durchgesetzen wollen. Wir konnten nur sichern, dass diese Anhebung einkommensmäßig gestaffelt wurde und damit für die meisten Nutzerinnen und Nutzer aus den unteren Einkommensgruppen im Wesentlichen gleich geblieben sind.
Wir haben uns jetzt drei Hauptthemen in den Vordergrund gestellt, wo wir hart kämpfen wollen, wenn es zu Sondierungen oder Koalitionsverhandlungen kommen sollte. Dies sind zum ersten: Einstieg in tariflich bezahlte und sozial abgesicherte öffentlich geförderte Beschäftigung anstelle der unwürdigen Hartz-IV-Jobs (beachten Sie hierzu auch etwa Steinbrück, Tiefensee oder Müntefering von unserem Koalitionspartner), Erhaltung und Sicherung der öffentlichen Unternehmen der sozialen Infrastruktur (Wohnen, Verkehr, Reinigung), Schaffung von Modellen und Erfahrungen für eine integrative Schule, in der alle mit gleichen Chancen, miteinander, aber durchaus auch mit individueller Förderung, lernen können. Denn wir sind der Ansicht, dass es wenig hilft, weiteres Geld in ein überlebtes Schulmodell zu versenken, ohne daran grundsätzlich etwas zu ändern. Was wir durchsetzen können, werden wir sehen. Das sind unsere Essentials. Für weitere Aussagen bitte ich Sie um einen Blick in unser Wahlprogramm oder in unsere A-Z-Materialien auf der Webseite der Linkspartei. Messen Sie uns daran, denn einiges davon werden wir dann auch durchsetzen können. Landespolitik hat natürlich dennoch ihre Grenzen. Wir können andere Wege gehen, aber in den seltensten Fällen können wir auf Landesebene den allgemeinen Trend konterkarieren oder gar umkehren, der von Schwarz-Rot auf Bundesebene in Kontinuität zu Rot-Grün und Schwarz-Gelb gegangen wird.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Privilegierungen halten sich gegenwärtig sehr in Grenzen. Wir sind im Wahlkampf und ein freies Wochenende oder auch nur ein freier Wochenendtag wären auch mal wieder ganz schön. Es ist für mich eine erstrangige Herausforderung, mit diesem Maß an Verantwortung eine Landesorganisation zu leiten. Natürlich haben Sie aber recht. Es sichert mich mein Abgeordnetenmandat immer für die Länge einer Wahlperiode ökonomisch und sozial ab - wenn ich denn gewählt werde (zu den Einkünften bitte ich Sie um einen Blick auf meine Homepage). Aber ich habe einen "ordentlichen" Beruf, eine Perspektive als "Privatmensch". Das macht mich in gewisser Weise auch souverän, denn ich muss mich nicht an die politische Arbeit klammern, sondern ich kann mich auch anders entscheiden. Gleiches gilt für meine Partei, die Linke.PDS. Wenn es meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern reicht, dann sind sie frei, sich auch für andere zu entscheiden. Das Amt des Landesvorsitzenden ist im Übrigen ehrenamtlich, d. h. es wird nicht vergütet. Mein Ziel ist es, die soziale Lage der Berlinerinnen und Berliner zu verbessern und aus linker Perspektive die Zukunftschancen der Stadt Berlin zu erhöhen. Das kann aus der Regierung heraus geschehen, aber auch aus der Opposition. In der Hand haben das die Wählerinnen und Wähler. Natürlich denke ich nicht pausenlos über meine eigene Zukunft nach, augenblicklich ist genug Gegenwärtiges zu tun. Aber aus heutiger Perspektive kann ich mir nicht vorstellen, ein "Politikerleben" zu leben. Es gibt jenseits der Partei und der (hauptberuflichen) Politik viele Dinge, die mich interessieren und reizen. Deshalb habe ich mich auch als Rechtsanwalt zugelassen und bemühe mich gegenwärtig darum, im Spätherbst eine anspruchsvolle Lehrveranstaltung an einer Fachhochschule anbieten zu können. Das hilft mir hoffentlich auch, dem "Tunnelblick" zu entgehen, der sich mehr oder weniger immer dann (und nicht nur in der Politik) einstellt, wenn Menschen über lange Zeit ein und dasselbe tun.
Mit den besten Wünschen
Klaus Lederer