Frage an Klaus Lederer von Katrin S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Dr. Lederer,
mir ist bekannt geworden, dass im Umfeld des Neubaus der Brücke am S-Bahnhof Pankow, die dazu gehörige Freifläche der Deutschen Bahn für kommerzielle Zwecke (Bau eines Centers, Baumarkt o.ä.) verplant ist. Welche Verwertung für diese Fläche würden sie vorschlagen? Meiner Auffassung nach sind derartige Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld zur Genüge vorhanden.
Katrin Stelz
Sehr geehrte Frau Stelz,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich hoffe, ich kann Ihnen eine ausreichende und befriedigende Antwort geben:
Der Bereich nördlich der Granitzstraße war lange Zeit in Güterumschlag- und Rangierbahnhof, das Gelände gehörte und gehört noch der Deutschen Bahn. Nun wird es für die Verkehrszwecke nicht mehr benötigt. Deshalb denkt die Immobilientochter der Bahn AG über eine aussichtsträchtige Vermarktung und Entwicklung des Geländes nach, wie es viele der einstmals direkt öffentlichen Unternehmen unter dem Druck von Ertragssteigerungen tun. In der Überlegung ist zum einen eine Nutzung für Bau- oder Möbelhandel - auf der Seite in Richtung Prenzlauer Promenade. Zum S-Bahnhof Pankow hin sind andererseits 20.000 qm Einzelhandelsfläche avisiert. Zwischen beidem soll es wohl zu Wohnnutzungen kommen.
Meines Erachtens handelt es sich bei diesen Überlegungen um eine sehr aggressive, nicht sonderlich städtebauverträgliche Strategie. Dies beginnt bei der fehlenden Erschließung des Geländes. Jeder weiß um die Verkehrssituation am Bahnhof und an der Berliner Straße. Sollte es hier noch zu einem zusätzlichen Erschließungsverkehr kommen, dürfte sich der Verkehrsknotenpunkt Berliner Straße/S-Bahn-Brücke zu einer Verkehrskatastrophe entwickeln. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass der Bezirk sich auf eine Genehmigung jedes vergleichbaren Vorhabens einlässt, bevor nicht die Verkehrs- und Erschließungssituation geklärt ist - und zwar nicht auf Kosten des Bezirks- oder Landeshaushalts.
Auch darüber hinaus sehe ich die Ideen der Bahntochter ausgesprochen skeptisch. Mit der Entwicklung der Breiten Straße/Berliner Straße ist es gelungen, ein fußläufig nutzbares Zentrum des Handels in Pankow zu etablieren, welches - anders als die Schönhauser Allee in den Neunziger Jahren und andere frühere große Handelsadern - nicht völlig leergezogen ist. Hier gibt es allein noch eine Reihe von Problemen zu klären, nehmen wir nur die alte frühere Kaufhalle am Anger, die meines Erachtens keine sehr ansehenswerte, schöne Nutzung des Pankower Zentrums darstellt.
Wenn jetzt weitere 20.000 qm Einzelhandelsfläche am S-Bahnhof entstehen sollten, habe ich ziemliche Befürchtungen für die Perspektiven des Riegels Berliner Straße/Breite Straße. Die kleinen Geschäfte und Läden werden dem Druck genauso ausgesetzt sein wie die Händlerinnen und Händler im Rathauscenter. Es gibt Erfahrungen anderer Städte, selbst in Berlin, die die Auswirkungen einer solchen Stadtentwicklungsstrategie erkennen lassen. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wird sich der gesamte Pankower Zentralbereich zurückentwickeln und "aussterben". Zwar behaupten die Investoren aus der Bahn, es würde eher zu einer Kumulierung und Aufwertung des Pankower Zentrums kommen. Das ist aber, meine ich, Voodoo. Denn die Kaufkraft in Berlin und Pankow ist nicht grenzenlos. Das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden folgt der Bequemlichkeit, nicht der Kundentreue.
Deshalb spreche ich mich für harte Verhandlungen des Bezirks mit der Bahn aus, damit es zu einer stadt- und kiezverträglichen Nutzung kommt. Ein Bebauungsplan oder Vorhaben- und Erschließungsplan werden nötig sein, um an der Granitzstraße überhaupt etwas entwickeln zu können. Hier müssen die Interessen an der Erhaltung und weiteren positiven Entwicklung des Pankower Zentrums im Mittelpunkt stehen.
Mit den besten Grüßen
Klaus Lederer