Frage an Klaus Lederer von Stephan M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lederer,
durch die NSA-Affäre sind die Bürger auf Entgleisungen und Machtmissbrauch deutscher und ausländischer Geheimdienste aufmerksam geworden.
Wie ich durch den Kollegen Wolfgang Nescovic und in Medien erfahren habe, werden existierende demokratische parlamentarische Kontrollmechanismen auf die deutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst (BMD), Militätischer Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in absolut ungenügender Weise oder überhaupt nicht angewendet und dadurch die heutigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle unserer Geheimdienste in keiner Weise ausgeschöpft. Man scheint sich dafür nicht zu interessieren oder eine Kontrolle ist von Seiten der Regierung aus nicht erwünscht. Die Bürger in Deutschland müssen fast eine Totalüberwachung ihrer gesamten Kommunikation erdulden, ohne dass sie davon unterrichtet werden und ohne dass die Geheimdienste darüber Rechenschaft ablegen. Auch die Zusammenarbeit deutscher mit ausländischen Geheimdiensten, besonders mit der NSA, sind weiterhin intransparent und die Bürger werden durch eine geradezu kabarettistische Regierungserklärung "die NSA hat uns bestätigt dass alles in Ordnung ist" abgespeist.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die heute existierenden parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten endlich genutzt werden, indem unabhângige Datenschutz- und Grundrechtsexperten in Kontrollgremien sich Zugang zu den deutschen Geheimdiensten verschaffen und deren Aktivitäten kontrollieren und ihre Ergebnisse dem Parlament und der Öffentlichkeit mitteilen, um eine demokratische Debatte zu ermöglichen, die unsere Geheimdienste in ihre legalen Schranken verweist, um dadurch die Einhaltung unserer Grundrechte zu gewährleisten?
Lieber Herr Meinhardt,
die Geheimdienstkontrolle über das so genannte "Parlamentarische Kontrollgremium" ist bei weitem nicht ausreichend. Die Abgeordneten, die in diesem Gremium die Geheimdienste kontrollieren sollen, dürfen außerhalb mit niemandem darüber sprechen. So kann eine ordentliche Kontrolle doch nicht funktionieren, wenn das, was man erfährt, dann wiederum geheim ist. Insofern teile ich die Kritik an der mangelnden demokratischen Kontrolle der Geheimdienste. Aber das Problem geht ja weiter: wie ist überhaupt kontrollierbar, ob vollumfänglich alles, was vorzulegen wäre, im Kontrollgremium zur Sprache kommt? Die Kontrollierten entscheiden ja gewissermaßen über den Umfang selbst, in dem sie sich kontrollieren lassen wollen. Und so erfahren wir im Augenblick täglich neue Informationen aus der Presse über die Kooperation der Dienste und über Informationsaustausch zwischen Diensten - bei weitem nicht nur innerhalb von Deutschland. Im Zusammenhang mit dem NSA-Skandal fordern wir, dass die Kooperation von deutschen Geheimdiensten mit NSA und Co. Die Datenweitergabe aus Deutschland muss sofort gestoppt werden.
Darüber hinaus ist für uns klar, dass Geheimdienste abgeschafft werden müssen. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass solche Dienste nicht demokratisch kontrolliert werden können. Besonders krass Auswüchse eines weitegehend unkontrollierten Geheimdienstes haben wir bei der grässlichen Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" erlebt. Wir sagen daher: Schluss mit den Geheimdiensten.
Schließlich ist in den vergangenen Jahren - beginnend mit den rot-grünen "Otto-Paketen", dann aber auch durch CDU/SPD und CDU/FDP, die Befugnis zur Datenerhebung auch im Inland für Polizei und Geheimdienste immer weiter ausgeweitet worden. Das "Trennungsgebot" zwischen Polizei und Geheimdiensten steht nur noch auf dem Papier, im gemeinsamen Abwehrzentrum sitzen die Behörden Tisch an Tisch und reichen sich die jeweils für nötig erachteten Informationen weitgehend ungehindert weiter. Hier ist die Kontrolle ebenfalls schon systemisch kaum möglich. Das alles hat dazu geführt, dass manchen von uns die Schilderungen Orwells als nicht mehr allzu phantastisch vorkommen. Das unterminiert letztlich auch die Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Lederer