Frage an Klaus Lederer von Mariken K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Dr. Klaus Lederer,
Ihr Kollege im Abgeordnetenhaus, jetziger Koalitionspartner - und Jurist wie sie - Dr. Körting hat gegenüber der Linkspartei im Abgeordnetenhaus im November 2005 die Einführung von „codierten“ Polizeibeamten gerechtfertigt ( http://www36.websamba.com/Soligruppe/data/stuff/ka15-12975.pdf ). Dies sei in Ausnahmefällen sinnvoll und gerechtfertigt, eine Glaubwürdigkeitsprüfung der Verteidigung würde diese Codierung nicht verhindern oder gar ausschließen ( http://www36.websamba.com/Soligruppe/data/verwaltungsgericht_sperrerklaerung.htm ). In Anbetracht dessen, dass nunmehr ganze Polizei-Einheiten (so Beamte des LKA 5) sich pauschal „codieren“ lassen, sehe ich entscheidende Grundmechanismen der Rechtsstaatlichkeit – insbesondere der Verteidigerrechte - in Gefahr. Insbesondere die Umstände des Prozesses gegen Christian S. lassen erahnen, dass dieses Mittel mißbräuchlich zur Deckung eigener Verfehlungen genutzt wird. Siehe:
- RAV Text: http://www.rav.de/infobrief96/Studzinsky.html
- Berliner Zeitung: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0210/blickpunkt/0001/index.html?group¾rliner-zeitung;sgroup=;day=today;suchen=1;keywords=;search_in=archive;match=strict;author=Frank%20Nordhausen;ressort=;von=1.2.2006;bis0.2.2006
- Fall Christian S: http://freechristian.gulli.to
- Hintergrund: http://www.nadir.org/nadir/archiv/Repression/berlin2005/07_polizei.html
Dieser Ansicht haben sich am 23.Mai 2006 in Berlin (Kato) auch Rechtswissenschaftler ( http://www.rechtskritik.de ), Richter (Dr. Peter Faust / Landgericht Berlin) und andere Parlamentarier (Volker Ratzmann / Grüne) angeschlossen. Würden sie auch in der folgenden Legislaturperiode an dieser Art der Vergeheimdienstlichung von Polizeiarbeit festhalten?
Mit freundlichem Gruss,
Mariken Kohlhaas
Sehr geehrte Frau Kohlhaas,
vom "Festhalten an Vergeheimdienstlichung" durch die Linke kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Linke.PDS Berlin vertritt die Ansicht, dass die Beamten im Berliner Polizeidienst mit Namensschildern gekennzeichnet werden sollten. Dass das in der laufenden Legislaturperiode nicht durchgesetzt werden konnte, liegt daran, dass Linkspartei und SPD - konkret der Innensenator und der Polizeipräsident - in dieser Frage unterschiedliche Positionen vertreten. Dies haben Sie ja selbst völlig zutreffend beschrieben. Zur Durchsetzung einer Veränderung innerhalb einer Koalition gehört jedoch die Einigung beider Koalitionspartner. Und die war bisher nicht hinzubekommen.
Wir jedenfalls sehen uns dadurch nicht veranlasst, die Position des Innensenators zu übernehmen oder gar apologetisch zu rechtfertigen, sondern beharren auf der Sinnfälligkeit individueller Kennzeichnung. Deshalb wird die Kennzeichnungspflicht weiterhin zu unseren politischen Zielstellungen gehören, ob wir nun nach der Wahl als Oppositions- oder als Regierungspartei agieren. In der Bilanzbroschüre unserer Fraktion im Abgeordnetenhaus hat die innenpolitische Sprecherin, Marion Seelig, die Gruppenkennzeichnung deshalb als ersten Schritt bezeichnet und ergänzt: "Damit ist allerdings das Problem nicht gelöst, dass einzelne Beamte in geschlossenen Einheiten nicht erkennbar sind. Hauptsächlich bei deren Einsätzen kommt es zu realen oder vermeintlichen Übergriffen, beispielsweise gegenüber Demonstrantinnen und Demonstranten, die dann keinem Einzelnen zugeordnet werden können. Die individuelle Kennzeichnungspflicht scheiterte bisher an dem heftigen, auch irrationalen Widerstand aller Betroffenen und ihrer Gewerkschaften." Um die Durchsetzungsfähigkeit unserer Position zu erhöhen, brauchen wir die Unterstützung des bürgerrechtlichen NGO-Spektrums und möglichst vieler Berufs- und Interessenverbände von RechtsanwältInnen und RichterInnen. Deshalb hoffe ich darauf, dass auch diese Aktivitäten nicht abreißen.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es in Berlin - trotz Differenzen zwischen den Koalitionspartnern in einzelnen Fragen - gelungen ist, eine Reihe von Maßnahmen durchzusetzen, die im Trend von Otto-Paketen und "Antiterrorgesetzgebung" bundesweit einmalig sein dürften. Hierzu gehört die Auflösung der Freiwilligen Polizeireserve und des Landesschutzpolizeiamtes, ein - trotz aller bisherigen Grenzen - in der Tendenz spürbar gewandeltes Verhältnis der Berliner Polizei zu den Berlinerinnen und Berlinern, eine Begrenzung polizeilicher Eingriffsbefugnisse - wie zB die Beschneidung der Raster- und Abschaffung der Schleierfahndung. Nicht, dass wir uns nicht mehr vorstellen könnten, aber Politik ist ja bekanntlich das mühselige Bohren recht dicker Bretter.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Lederer