Wie stehen Sie zu "Scheinerschließungen" im Freistaat Bayern?
Sehr geehrter Herr Holetschek,
im Freistaat Bayern kommt es immer wieder zu „Ersterschließungen“ von Straßen, die bereits 50 Jahre oder älter sind. Unter anderem gab es dazu einen Bericht im BR-Fernsehen zum „Straßenstreit“ in 86483 Balzhausen.
Wie stehen Sie generell, auch in Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl, zu diesem Thema („Scheinerschließungen“)?
Und wie bewerten Sie im Speziellen auch konkrete Fälle in Ihrem Wahlkreis (z.B. Gartenstraße in 89290 Buch)?
Herzlichen Dank und viele Grüße
Vanessa T.
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Sehr geehrte Frau T.,
der Begriff der „Scheinerschließung“ ist in der Sache unzutreffend und irreführend. Tatsächlich handelt es sich in den von Ihnen aufgeworfen Konstellationen um Fälle, in denen bislang eine Ersterschließung, die die hierfür erforderlichen technischen Vorgaben erfüllt, noch nicht erfolgt ist, und für die noch zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit eine Abrechnung durch die Stadt bzw. Gemeinde erfolgt ist, mithin also noch keinerlei Kosten auf die Anlieger umgelegt wurden.
Gemäß § 123 des Baugesetzbuches (BauGB) ist die Erschließung grundsätzlich Aufgabe der Gemeinde. Es obliegt der Gemeinde, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Planungshoheit zu entscheiden, ob, wann und wie sie die Erschließungsmaßnahmen durchführt. Erschließungsanlagen sollen aber entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs hergestellt werden. Nach Art. 5a Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) erheben die Gemeinden einen Erschließungsbeitrag. Sie sind daher zur Beitragserhebung nicht nur befugt, sondern verpflichtet. Davon ist sowohl die Pflicht zum Erlass einer entsprechenden Beitragssatzung als auch die Pflicht, den Beitrag in vollständiger Höhe festzusetzen, erfasst.
Die Gartenstraße im Ortsteil Buch hat ihren Ursprung vor etlichen Jahrzehnten als Feldweg am westlichen Ortsende. Die Bebauung an der Gartenstraße beginnt im Zuge der Ausweisung von Neubaugebieten in den 60er und 70er Jahren auf der Westseite der Straße. Die Ostseite hingegen wurde erst in der vergangenen Dekade so dicht bebaut, dass nun von einer durchgängigen, beidseitigen Bebauung gesprochen werden kann.
Der Markt Buch hat ebenfalls mit Beginn der Bebauung Wasser- und Kanalleitungen verlegt. Des Weitern wurden sporadisch über viele Jahre hinweg Straßenlaternen gesetzt. Diese hatten ihren Ursprung in der Regel in Bürgeranträgen auf Grund zu geringer Ausleuchtung. Eine Ausleuchtung nach DIN ist bisher nicht vorhanden. Die Fahrbahnoberfläche wurde vor rund 30 Jahren mit der heute noch vorhanden s.g. Spritzteerdecke hergestellt. Diese wurde vom Bauhof in den zurückliegenden Jahren durch alljährliche Flickereien am Leben erhalten. Der Gesamtzustand der Fahrbahn ist als sehr schlecht zu bezeichnen.
Im vergangenen Jahr hatte sich zunächst der Bau- und Umweltausschuss mit der Thematik befasst und rund 50.000 Euro HH-Mittel zur Erneuerung der Tränkdecke freigegeben. Diese Freigabe hat er aber unter den Vorbehalt der verwaltungsinternen Prüfung zur Erschließung der Gartenstraße gekoppelt. Nachdem die Verwaltung im Haus zusammen mit dem LRA Neu-Ulm zum Ergebnis gekommen ist, dass die erstmalige technische Herstellung (Erschließung) in der Gartenstraße bisher nicht erfolgt ist, hat der Marktgemeinderat die Erschließung beschlossen. Der Auftrag zur Erneuerung der Tränkdecke wurde nicht vergeben. Im konkreten Fall der Gartenstraße wurden bislang noch keine Beiträge erhoben – auch nicht in den vergangenen Jahrzehnten.
Der Markt Buch – so wurde mir mitgeteilt - steht mit den Anliegern in konstruktivem Austausch und hat den Anliegern einen Vorschlag unterbreitet, im Rahmen der Erschließung alle Möglichkeiten des KAG auszunutzen. Weitere Einzelheiten hierzu liegen mir nicht vor.
Liebe Frau T., ich bitte um Verständnis, dass es nicht möglich ist, jeden einzelnen Fall einer Straßenbaumaßnahme auf diesem Portal in der Tiefe und individuell zu prüfen. Dies beruht im Besonderen auf der Komplexität der damit verbundenen Fragestellungen, die eine genaue Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und der Aktenlage erfordern. Hierfür sind die Städte und Gemeinden bzw. die jeweiligen Landratsämter und Regierungen im Rahmen der Kommunalaufsicht als sachnähere Behörden zuständig. Gleichwohl hoffe ich, dass diese Informationen hilfreich sind. Für etwaige Rückfragen oder spezifische Fragen zum Einzelfall Gartenstraße stehe ich jedoch gerne zur Verfügung. In diesem Fall bitte ich Sie mit meinem Stimmkreisbüro in Memmingen Kontakt aufzunehmen und nicht den Weg über ein öffentliches Portal zu wählen.
Ich wünsche Ihnen weiterhin alles erdenklich Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Holetschek