Warum wird nichts wirksames gegen den Pflegenotstand unternommen?
sehr geehrter Herr Holetschek, viele Pflegekräfte in Krankenhäusern arbeiten in Teilzeit, da die Belastung in vielen Bereichen zu hoch ist. Zusätzliche Schichten, die dringend erforderlich sind, werden sehr hoch besteuert. Deshalb sind viele Kräfte gezwungen, bei einem zweiten Arbeitgeber (in der Regel Pflegedienste) auf geringfügiger Basis zu arbeiten. Somit sind diese Kräfte nicht mehr flexibel einsetzbar, wenn ein gravierender Engpass im Krankenhaus besteht. Wären die "Überstunden" steuerfrei, müsste ein "Zweitjob" erst gar nicht angenommen werden. Die Steuerausfälle durch diese Regelung wären für den Staat nicht hoch, da bei geringfügiger Beschäftigung ebenfalls (fast) keine Steuern anfallen. Eine Regelung in dieser Art müsste doch möglich sein, wenn die Politik das Thema ernst nehmen würde.
Wie stehen Sie dazu? Können Sie dies unterstützen?
Freundliche Grüße
Johann O.
Sehr geehrter Herr O.,
die Sicherstellung einer flächendeckend hochwertigen medizinischen und pflegerischen Versorgung der Patientinnen und Patienten in den bayerischen Krankenhäusern gehört zu den zentralen gesundheitspolitischen Anliegen des Freistaates Bayern. Eine angemessene Personalausstattung ist selbstverständlich eine notwendige Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und auch für die Arbeitssituation der dort Beschäftigten unabdingbar.
Die Beschäftigten in den Kliniken leisten Großartiges. Sie sind nach wie vor gefordert, mit ihrem Engagement den Betrieb in der Gesundheitsversorgung am Laufen zu halten. Die Staatsregierung ist den Beschäftigten zu großem Dank für ihren Einsatz verpflichtet und macht sich insbesondere auch im Bereich der Krankenpflege auf allen Ebenen dafür stark, um von staatlicher Seite die notwendigen strukturellen Voraussetzungen für eine gute Pflege zu gewährleisten. Hierfür gilt es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Ausbildung und Praxis kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern, damit die Pflegeberufe langfristig attraktiv bleiben, Abwanderung verhindert wird und der Bedarf der Krankenhäuser nach gut ausgebildeten Fachkräften gedeckt werden kann.
Mit den Maßnahmen des Pflegepersonalstärkungsgesetzes sind seit 2018 bereits einige wichtige Weichen für eine Verbesserung der Arbeitssituation des Krankenhauspersonals gestellt worden. Durch die Einführung des Pflegebudgets werden nun alle Kosten von Pflegekräften in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im Krankenhaus ohne Begrenzung der Menge mit tarifvertraglich vereinbarter Vergütung berücksichtigt. Damit ist sichergestellt, dass die Krankenhäuser nicht zu Lasten der Pflege sparen.
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass Krankenhäuser keine nachgeordneten staatlichen Behörden, sondern selbstständig agierende Unternehmen sind, deren innerbetriebliche Abläufe, einschließlich des Personalmanagements, keiner staatlichen Aufsicht unterliegen. In Fragen der Organisation und Betriebsführung sowie im Hinblick auf die konkreten Arbeitsbedingungen des Personals ist daher jede Klinik selbst für die Einhaltung von Standards und gesetzlichen Vorgaben verantwortlich.
Die konkrete Höhe der Löhne und Zuschläge sowie Fragen der Eingruppierung sind hingegen im Rahmen der Tarifautonomie grundsätzlich von den Tarifvertragsparteien zu verhandeln. Zugleich stimme ich Ihnen zu, dass die Übernahme besonders belastender Dienste auch steuerlich honoriert werden sollte. Die Zuständigkeit hierfür liegt allerdings beim Bund. Die Staatsregierung hat daher bereits im Dezember 2021 eine Bundesratsinitiative eingebracht mit dem Ziel, die bestehenden Steuerbefreiungsmöglichkeiten für Zulagen und Zuschläge für Überstunden, Wochenendarbeit und Nachtarbeit der Pflegekräfte auszuweiten.
Lieber Herr O., selbstverständlich wird sich der Freistaat Bayern auch weiterhin in vielfältiger Weise für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung in der Krankenpflege einsetzen. Die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich werde ich genau verfolgen und mich im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung der Situation in der Pflege weiter einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Holetschek
Mitglied des bayerischen Landtages
Staatsminister