Wann werden mehr Kassenlizenzen für Psychotherapeut:innen, Psychiater:innen und Psycholog:innen vergeben?
Hallo Herr Holetschek,
in der ZDF Magazin Royale Folge "Das Problem mit den Therapieplätzen" sagte Dr. Dietrich Munz (Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer) wörtlich:
"Die Schwierigkeit beruht hauptsächlich darin, dass es in der Versorgung für psychisch kranke Menschen zu wenig Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gibt, die mit den Krankenkassen abrechnen dürfen. Ich betone das deshalb, weil es nicht zu wenige Kollegen und Kolleginnen gibt, sondern es gibt zu wenige Kolleginnen und Kollegen, die im kassenärztlichen System zugelassen sind."
Das ist jetzt auch schon ein oder zwei Jahre her.
Meine Fragen mit Bitte um Stellungnahme:
Wie viele neue kassenärztliche Zulassungen wurden seither neu geschaffen und vergeben?
Ist überhaupt etwas getan worden?
Haben Sie vor, da etwas zu tun, das der aktuellen Situation in irgendeiner Form gerecht wird (denn scheinbar ist das ja bisher nicht passiert, so dass es bei den Leuten angekommen wäre)?
Sehr geehrter Herr K.,
herzlichen Dank für Ihre erneute Nachricht, in der Sie um Stellungnahme zur Schaffung und Vergabe von Arzt- und Psychotherapeutensitze im Bereich Psychotherapie, Psychiatrie und Psychologie bitten.
Die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen, flächendeckenden und möglichst wohnortnahen medizinischen Versorgung ist ein zentrales Anliegen bayerischer Gesundheitspolitik.
Einleitend möchte ich jedoch erwähnen, dass die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen sowie -psychotherapeutischen Versorgung in Bayern nicht Aufgabe des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) ist. Vielmehr hat der zuständige Bundesgesetzgeber diese Aufgabe den Kassenärztlichen Vereinigungen – im Freistaat der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) – als Selbstverwaltungsangelegenheit übertragen, die diese in eigener Zuständigkeit und Verantwortung erfüllt.
Hierzu zählt auch die von der KVB im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen durchzuführende Bedarfsplanung der vertragsärztlichen sowie -psychotherapeutischen Versorgung, in deren Zusammenhang insbesondere auch Festlegungen darüber getroffen werden, wo sich im Freistaat wie viele Ärzte welcher Fachrichtungen niederlassen können. Bei der Bedarfsplanung sind die Selbstverwaltungspartner zudem an entsprechende Rahmenvorgaben des Bundesgesetzgebers im SGB V sowie an die grundsätzlich bundeseinheitlich geltenden Festlegungen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgestellten Bedarfsplanungs-Richtlinie (BP-RL) gebunden. Soweit Veränderungen der Morbidität in bestimmten ärztlichen Fachgruppen zu Veränderungen im Versorgungsbedarf der Patientinnen und Patienten führen, so müsste dies grundsätzlich auf dieser Regelungsebene abgebildet werden.
Die Zuständigkeit hierfür liegt beim Bundesgesetzgeber bzw. bei den Selbstverwaltungspartnern im G-BA. Die Staatsregierung hat in diesem Bereich hingegen keine eigene Regelungskompetenz und auch keinen unmittelbaren Einfluss auf entsprechende Entscheidung der genannten Akteure.
Die Bedarfsplanungsreform des G-BA vom Mai 2019 hat bereits neue Chancen für Verbesserungen in der Versorgung eröffnet. Hierbei hatte der G-BA eine Änderung der BP-RL beschlossen, mit der insbesondere folgende Neuerungen verbunden waren:
· Absenkung der Verhältniszahlen für die Arztgruppen der Kinderärzte, Nervenärzte, Fachinternisten und Psychotherapeuten
· Einführung eines Morbiditätsfaktors, der den bisherigen Demografiefaktor ablöst
· Einführung von Quotenregelungen für die Arztgruppen der Nervenärzte und Fachinternisten sowie für Psychosomatiker
Diese Änderung der BP-RL wurde in Bayern Ende Dezember 2019 umgesetzt und hat zahlreiche zusätzliche Zulassungsmöglichkeiten vor allem für Hausärzte, Kinderärzte, Augenärzte, Nervenärzte und Psychotherapeuten zur Folge. Somit wurden in Bayern insgesamt 144 neue Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte, 206,5 für Fachärzte und 117 für Psychotherapeuten im Freistaat geschaffen.
Des Weiteren möchte ich Ihnen mitteilen, dass die derzeitige Versorgungslage im Bereich der Arztgruppe der Vertragspsychotherapeuten (ärztliche und psychologisch Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten) laut den Angaben der KVB für ganz Bayern im Bereich der Regel- bzw. Überversorgung liegt (Quelle: Versorgungsatlas der KVB; Stand: 31.01.2023).
Auch die Arztgruppe der Nervenärzte (Nervenärzte, Neurologen und Psychiatern) und der Kinder- und Jugendpsychiater (KJP) sind nach den Vorgaben der Bedarfsplanung weitestgehend von Regel- und Überversorgung geprägt. Lediglich für zwei Planungsbereiche (Landkreise Kronach und Rhön-Grabfeld) für die Arztgruppe der Nervenärzte sowie für die Raumordnungsregion Donau-Iller (BY) für die Arztgruppe der KJP hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern drohende Unterversorgung feststellen müssen.
Losgelöst davon ist dem StMGP bekannt, dass es trotz der guten Versorgungslage in Bayern und den guten statistischen Werten auch im Freistaat mitunter zu längeren Wartezeiten für einen Arzt- bzw. Psychotherapeutentermin kommen kann.
Der Gesetzgeber sieht in überversorgten Planungsbereichen unter bestimmten Bedingungen ausnahmsweise die Möglichkeit von Sonderbedarfszulassungen oder Ermächtigungen vor, um trotz Sperrung eines Planungsbereichs Versorgungsdefizite beheben zu können. D.h., es gibt grundsätzlich die Möglichkeit, über die Initialisierung eines Ermächtigungs- und/oder Sonderbedarfszulassungsverfahrens eine Bedarfsprüfung durchzuführen und im Falle eines entsprechenden Ergebnisses einen weiteren Arzt bzw. Psychotherapeuten in einem Planungsbereich zu etablieren. Die Prüfung der Bedarfssituation sowie die Entscheidung über etwaige Anträge obliegt dabei dem weisungsunabhängigen Zulassungsausschuss.
Seitdem sich die gesteigerte Nachfrage infolge der Corona-Pandemie gezeigt hat, sprach sich die KVB daher für erleichterte Ermächtigungen gegenüber den Zulassungsgremien aus, um dem Anstieg der Nachfrage mit befristeten zusätzlichen Versorgungsangeboten zu begegnen. Damit konnten 29 zusätzliche Psychotherapeuten gewonnen werden.
Um längeren Wartezeiten entgegenzuwirken, unterstützt die KVB zudem mit ihrer „Terminservicestelle Psychotherapie“ sowie ihrer „Terminservicestelle fach- und hausärztliche Versorgung“ gesetzlich Krankenversicherte unter der zentralen Rufnummer 116 117 bei der Vereinbarung eines Termins für ein diagnostisches Erstgespräch, für eine zeitnah erforderliche probatorische Sitzung oder zur Akutbehandlung bzw. bei der Vereinbarung eines Haus- oder Facharzttermins. Weitere Informationen hierzu sowie entsprechende Voraussetzungen für die Terminvermittlung sind folgendem Link zu entnehmen: https://www.kvb.de/service/patienten/terminservicestelle/.
Zudem bietet die KVB zusätzlich den Service der „Koordinationsstelle Psychotherapie“ (Telefonnummer: 0921 88099-40410) in Bayern an. Hier melden die niedergelassenen Psychotherapeuten ihre freien Therapieplätze. Darüber hinaus können Patientinnen und Patienten Kontakt zur Koordinationsstelle aufnehmen und dort Adressen von Psychotherapeuten mit frei gemeldeten Therapieplätzen erfragen, z. B. in Wohnortnähe oder ggf. selektiert nach einem gewünschten Therapieverfahren, Geschlecht oder besonderen Schwerpunkten. Weitere Informationen hierzu sind online unter https://www.kvb.de/service/patienten/koordinationsstelle-psychotherapie/ zu finden.
Wie bereits ausgeführt kann das StMGP selbst keinen unmittelbaren Einfluss auf die Versorgungslage oder Bedarfsplanung nehmen. Jedoch wurden bereits mehrfach Forderungen zur Anpassung der bundesrechtlichen Vorgaben an den Bund adressiert.
Das StMGP sieht bereits seit längerem die Notwendigkeit einer Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung auf Bundesebene. Die Zuständigkeit obliegt hierbei dem G-BA. Die Beplanung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unter dem Dach der Psychotherapeuten erschwert eine zielgenaue Steuerung der Niederlassungen. Daher hat das StMGP in der Sitzung des Unterausschusses Bedarfsplanung des G-BA am 16.09.2022 vorgeschlagen, die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aus der Bedarfsplanungsgruppe der Psychotherapeuten auszugliedern und in eine eigene Planungsgruppe zu überführen, um eine bedarfsgerechte und zielgenauere Bedarfsplanung durch die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen zu ermöglichen. Zudem wurde der Vorschlag eingebracht, die Bedarfsplanung strukturell zu verbessern sowie ihre (rechnerischen) Grundlagen zu evaluieren; insbesondere die Verhältniszahlen abzusenken. Mit diesem Anliegen hat sich das StMGP mit Schreiben vom 29.12.2022 an Frau Staatssekretärin Dr. Draheim gewandt.
Darüber hinaus hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) mit GMK-Umlaufbeschluss vom 06.10.2022 den Bund aufgefordert, kurzfristige Maßnahmen zur Reduktion der Wartezeiten und angekündigte Reform der Bedarfsplanung der ambulanten Psychotherapie auf den Weg zu bringen.
Auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover (19.-21.10.2022) wurde festgestellt, dass es bei psychotherapeutischen Behandlungen von Kindern und Jugendlichen allgemein zu lange Wartezeiten gäbe und zwischen städtischen und ländlichen Regionen erhebliche Unterschiede in der Versorgung bestünden.
Zuletzt wurde mit Beschluss der GMK vom 30.01.2023 auf Initiative Bayerns vom Bund gefordert, dass die Voraussetzungen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung im Bereich der Psychotherapeuten so angepasst werden, dass insbesondere für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine gesonderte Beplanung ermöglicht wird. Durch die Ausgliederung dieser Arztgruppe könnte zielgenauer auf die Bedarfe der jeweiligen Altersgruppen eingegangen werden, letztlich würden so auch Wartezeiten reduziert. Eine Umsetzung dieser Forderung seitens des Bundes ist bislang noch nicht erfolgt.
Losgelöst davon hat sich das StMGP auf Bundesebene für eine Absenkung der Verhältniszahlen im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich eingesetzt. Begrüßt wird daher der Beschluss des G-BA in der Sitzung vom 21.04.2022, mit dem die Verhältniszahl für KJP um 10 % abgesenkt wurde. Dies bedeutet eine zusätzliche Anzahl von ca. 60 Niederlassungsmöglichkeiten in der Facharztgruppe der KJP, die sich in Zukunft gleichmäßig auf das Bundesgebiet verteilen können. Bayernweit führte die Anpassung zu ca. 12 zusätzlichen Niederlassungsmöglichkeiten, die in Bayern durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern mit den Beschlüssen im Januar 2023 umgesetzt wurden.
Sehr geehrter Herr K., die aufgeführten Hintergründe und Forderungen der Bayerischen Staatsregierung zeigen bereits die Bestrebungen eine möglichst wohnortnahe ärztliche sowie psychotherapeutische Versorgung zu gewährleisten. Ich kann Ihnen versichern, dass sich das StMGP gegenüber dem Bund auch weiterhin für eine Verbesserung der Versorgungssituation einsetzen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Holetschek
Mitglied des bayerischen Landtages
Staatsminister