Sehr geehrter Herr Holetschek, die Union hatte die Pflegereform als nicht weitreichend genug abgelehnt. Was möchte die CSU tun, um Pflegebedürftige vor der Kostenexplosion in Pflegeheimen zu schützen?
Sehr geehrte Frau W.
die soziale Pflegeversicherung ist eine sogenannte Teilleistungsversicherung, die nicht den Anspruch hat, alle im Pflegefall entstehenden Kosten vollständig abzudecken. Deshalb verbleibt im Regelfall ein Eigenanteil an den Pflegekosten, den der Pflegebedürftige bzw. seine Angehörigen selbst tragen müssen.
Die Bayerische Staatsregierung ist aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben an der Preisfindung für die Vergütungen für professionelle Pflegeeinrichtungen nicht beteiligt. Zugelassene stationäre Pflegeeinrichtungen erhalten eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung), einen Ausbildungszuschlag, die sogenannte Investitionskostenumlage sowie ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung. Die Pflegevergütungssätze müssen einer Pflegeeinrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, ihre Aufwendungen zu finanzieren und ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos (§ 84 Abs. 2 S. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)).
Die Pflegevergütungen und die Personalschlüssel handeln die Betreiber von Pflegeeinrichtungen mit den Kostenträgern (Pflegekassen und Sozialhilfeträgern) eigenverantwortlich aus. In diesem Verfahren müssen die Einrichtungsträger darlegen, warum sie welche Pflegevergütung benötigen, um ihre Leistung zu refinanzieren. Sowohl die Pflegekassen als auch die Träger der Hilfe zur Pflege achten dabei auf Wirtschaftlichkeit. Diese Verhandlungen sind der Selbstverwaltung vorbehalten. Die Bayerische Staatsregierung ist an den Pflegesatzverhandlungen nicht beteiligt und hat dort kein Antrags- oder Mitspracherecht.
Die Investitionskostenanteile können gemäß § 82 SGB XI auf die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen umgelegt werden. Die Investitionskostenanteile betragen laut dem vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Bericht zur Förderung und Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen in den Pflegeheimen in Bayern im Durchschnitt 13,54 Euro pro Tag und Pflegebedürftigen.
Ein wichtiger Ansatz des Förderprogramms „PflegesoNah“ der Bayerischen Staatsregierung ist neben dem Ausbau der pflegerischen Versorgungsstrukturen die Reduzierung der investitionskostenbedingten Eigenanteile für pflegebedürftige Menschen. Die bewilligten Förderungen aus dem Förderprogramm vermindern die Höhe der Investitionskosten. Dadurch können pflegebedürftige Menschen finanziell entlastet werden. Bei der in Bayern gewählten Objektförderung konnten in Bayern in den Jahren 2020 bis 2022 über 4.000 Pflegeplätze mit beinahe 200 Mio. Euro gefördert werden. Allein im Jahr 2023 waren es rund 1.900 Pflegeplätze mit einem Fördervolumen in Höhe von rund 85,5 Mio. Euro.
Gleichwohl ist der Bayerischen Staatsregierung bewusst, dass es in den letzten Jahren zu signifikanten Kostensteigerungen im Bereich der Pflege gekommen ist. Dies liegt nicht nur an der Verbesserung der Bezahlung der Pflegekräfte, sondern auch an einer Verbesserung der Refinanzierung der Pflegeausbildung für die Pflegeeinrichtungen und an der allgemeinen Preisentwicklung. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) nimmt die Sorgen in der Bevölkerung angesichts hoher und steigender Eigenanteile sehr ernst und setzt sich bereits seit Jahren dafür ein, dass die Kosten für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen finanzierbar und möglichst auch kalkulierbar bleiben. So hat sich das StMGP gegenüber dem Bund mehrfach für eine Umverteilung des Finanzierungsbedarfs zu Lasten der Pflegeversicherung und für eine regelmäßige Anpassung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ausgesprochen. Die Ziele, die Pflegebedürftigen von den Kosten der Ausbildung zu entlasten und die Leistungen der Pflegeversicherung regelmäßig zu erhöhen, wurden seitens der Bundesregierung aber leider bislang nicht umgesetzt.
Beim Recht der sozialen Pflegeversicherung handelt es sich jedoch um Bundesrecht, das nur auf Bundesebene durch den Deutschen Bundestag, nicht aber auf Landesebene durch den jeweiligen Landtag geändert werden kann. Auf Bundesebene wurden zuletzt das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)“ vom 11.07.2021 und das „Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG)“ vom 19.06.2023 beschlossen. Demnach erhalten Pflegebedürftige seit Anfang 2022 einen Zuschuss zum pflegebedingten Eigenanteil im Heim in Höhe von 5, 25, 45 oder 70 Prozent, abhängig von der Dauer des Heimaufenthalts. Dieser Zuschuss wird durch das PUEG ab dem 01.01.2024 um 10 Prozentpunkte im ersten Jahr des Heimaufenthalts und jeweils weitere 5 Prozentpunkte in den Folgejahren auf dann 15, 30, 50 und 75 Prozent Zuschuss im ersten, zweiten, dritten und ab dem vierten Jahr des Heimaufenthalts angehoben. Allerdings ist – um Missverständnisse zu vermeiden – darauf hinzuweisen, dass die genannten Prozentsätze sich nicht auf den gesamten vom Pflegebedürftigen bzw. seinen Angehörige zu leistenden Eigenanteil, sondern nur auf den Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen beziehen. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten sind daher weiterhin vom Pflegebedürftigen bzw. seinen Angehörigen allein zu tragen.
Sowohl das GVWG als auch das PUEG sehen zwar Leistungsverbesserungen auch für den Bereich der stationären Pflege vor, das StMGP hatte sich jedoch in den beiden Gesetzgebungsverfahren wiederholt um eine frühere und deutlichere Anhebung der Leistungen der Pflegeversicherung bemüht. Das StMGP hat sich außerdem bereits mehrfach, zuletzt mit einem Bundesratsantrag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Pflegestudiumstärkungsgesetz, für die Herausnahme der Kosten der Ausbildung aus den Pflegevergütungen eingesetzt. Die geforderten Maßnahmen wurden durch die Bundesregierung bislang nicht umgesetzt. Die Bayerische Staatsregierung wird sich auch weiterhin auf Bundesebene für eine spürbare Anhebung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung einsetzen.
Liebe Frau Wagner, ergänzend möchte ich darauf hinweisen, dass für Menschen ohne die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten über die sog. Hilfe zur Pflege sämtliche notwendigen Kosten der Pflege und über die Sozialhilfe auch der Unterkunft und Verpflegung steuerfinanziert übernommen werden.
Ihnen weiterhin alles erdenklich Gute und allen voran Gesundheit!
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Holetschek
Mitglied des bayerischen Landtages
Staatsminister a.D.
CSU-Fraktionsvorsitzender
im bayerischen Landtag