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Klaus Barthel
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Frage von Gerhard e. •

Frage an Klaus Barthel von Gerhard e. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Barthel,

bis jetzt werden immer noch viele Jugendliche in einer dualen Ausbildung ausgebildet. In der Öffentlichkeit erscheint es aber immr als Problem, dass wir zu wenige Hochschulabsolventen haben. Gleichzeitig weiß man, dass viele Studenten aus technischen Fächern früher eine Facharbeiterausbildung gemacht haben. Sollte nicht stärker die Durchlässigkeit gefördert werden und die Facharbeiter, die studieren wollen, stärker begleitet werden, als starr immer auf die Abiturientenquote zu schauen?

Mit diesem Thema hängt auch meine 2. Frage zusammen:
Europäischer Qualifizierungsrahmen und Deutscher Qualifizierungsrahmen.
Wie sollten die Facharbeiter und Meister in den 8-stufigen Eingruppierung einsortiert werden? Ist der deutsche Facharbeiter nicht international zu tief in der rein schulisch orientierten Bewertungsskala eingruppiert?

Herzliche Grüße
Gerhard E.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Endres,

im Mai 2008 hat die Projektgruppe „Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland” der SPD-Bundestagsfraktion, deren Mitglied ich war, ihren Abschlussbericht vorgelegt. Material dazu finden Sie auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion unter http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,44282,00.html . Daraus einige Ergebnisse: Deutschland steuert auf einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften zu. So werden in einzelnen Teilarbeitsmärkten erhebliche Anspannungen beklagt, etwa bei Ingenieurinnen und Ingenieuren, aber auch bei anderen Berufsgruppen mit technisch-naturwissenschaftlichem Bildungshintergrund. Experten sind sich einig, dass auf mittlere und längere Sicht ein genereller Mangel an Fachkräften und Hochqualifizierten in Deutschland immer wahrscheinlicher wird. Bereits in wenigen Jahren droht eine schmerzliche Fachkräftelücke, die sich zu einem ernsthaften Wachstumshemmnis entwickeln kann.
Auch wenn für mich die Zukunft der jungen Menschen im Vordergrund steht, so hilft diese Problemstellung der Wirtschaft bei unserem Einsatz für bessere Bildung nicht vorrangig für eine „Elite“, sondern für alle. Sie haben völlig Recht, dass duale Ausbildung und Abiturientenquote nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Ganz im Sinne der von Ihnen geforderten besseren Durchlässigkeit fordern wir die Modernisierung des dualen Systems auf Grundlage des Berufsprinzips und zugleich die Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte: Die Ausweitung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte („Studium ohne Abitur“) stellt einen wichtigen Ansatz zur Erhöhung des Fachkräftepotenzials gerade in naturwissenschaftlich-technischen Fächern dar. Wir setzen uns für eine bundeseinheitliche Regelung zur Erhöhung der Durchlässigkeit der Hochschulen für beruflich qualifizierte Fachkräfte ein. Wir wollen die Kapazitäten des dualen Systems der Berufsbildung zur nachhaltigen Sicherung der Fachkräftebasis nutzen und ausbauen.
Hierzu wollen wir die Qualität, Modernität und Leistungsfähigkeit des dualen Systems verbessern, um den Lernort Betrieb zu stärken und die berufliche Bildung in Deutschland zukunftsfest zu machen und für Unternehmen und Auszubildende attraktiv zu halten. Eine bundeseinheitliche Regelung zur Ausweitung des Hochschulzugangs für beruflich qualifizierte Fachkräfte ist überfällig. Die teilweise stark voneinander abweichenden Länderregelungen stellen eine Qualifizierungsbarriere ersten Ranges dar, die eine Nutzung der akademischen Fachkräftepotenziale aus dem Bereich der beruflichen Bildung systematisch behindert. Daher wollen wir öffnende und bundeseinheitliche Zugangsregelungen im Hochschulpakt oder beim Qualifizierungsgipfel vereinbaren und die Zulassung bundesgesetzlich regeln. Ziel sollte es sein, mit diesen Maßnahmen die Zahl der Studierenden ohne Abitur bis 2015 mindestens auf 30.000 zu verdreifachen. Zu Ihrer zweiten Frage: Der im April 2008 von der EU-Ebene verabschiedete Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) soll mit seinen acht Niveaustufen als Übersetzungsinstrument zwischen den Bildungs- und Qualifikationssystemen der Mitgliedstaaten fungieren. Die Mitgliedstaaten sollen bis 2010 im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und Praxis nationale Qualifikationsrahmen erarbeiten und die nationalen Qualifikationssystem in Relation zu den Zielen des EQR setzen. Der Diskussionsvorschlag des Arbeitskreises Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR) für einen nationalen Qualifikationsrahmen in Deutschland (DQR) vom Februar 2009 dient als Grundlage mit dem Ziel, ein „wichtiges reformorientiertes Instrument zur Verbesserung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der Gleichwertigkeit verschiedener Bildungswege“ zu schaffen (vgl. Beschluss des Bundestages vom 2. Juli 2009 auf Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 16/13615). Der Deutsche Bundestag hat durch Beschluss vom Juli 2009 noch einmal bekräftigt, dass die Vielfalt der nationalen Bildungssysteme respektiert, dass der dualen Berufsausbildung im Europäischen Bildungsraum ein höherer Stellenwert eingeräumt werden muss und dass bei der Zuordnung der Qualifikationen des deutschen Bildungswesens zu den Niveaustufen des DQR grundsätzlich jedes Qualifikationsniveau auf verschiedenen Bildungswegen erreichbar sein soll. Auch die SPD-Arbeitsgruppe war sich einig: Deutsche Qualifikationsniveaus müssen im Europäischen Qualifikationsrahmen adäquat abgebildet werden. Über die Frage der konkreten Einstufung von Facharbeitern und Meistern in DQR und EQR muss also unter Berücksichtigung der genannten Kriterien erst noch entschieden werden.

Klaus Barthel, MdB