Frage an Kirsten Tackmann von Michael v. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,
mit der Drucksache 16/4911 vom 21. März 2007 wird von Ihnen einem Antrag nicht zugestimmt, der bei der Vogelgrippeproblematik das Ziel hat: Impfen statt Töten.
Durch diesen Antrag sollte - zumindest langfristig - gesichert werden, dass das Geflügel artgerecht in Freilandhaltung gehalten werden kann. Zugleich wird die Entwicklung von Markerimpfstoffen gefordert, die wir allerdings schon haben. Sie dürfen aber trotz EU-Zulassung in Deutschland nicht prophylaktisch eingesetzt werden. Sie haben das sinnvolle Konzept "Impfen für eine artgerechte Haltungsform im Geflügelbereich" nicht unterstützt, wodurch Sie dem sinnlosen Töten von Geflügel im Ernstfall Vorschub leisten? Aus dem Beratungsverlauf zur Drucksache wird ersichtlich, dass weitere Kriterien zur Verhinderung von Keulungen fordern. Neben der Darlegung der Hintergründe für die Nichtunterstützung des Antrags bitte ich um das Aufzeigen Ihrer Alternative und deren bisherigen Umsetzung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael v. Lüttwitz
Sehr geehrter Herr v. Lüttwitz,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir Ihr großes Interesse und Engagement in diesen Fragen zeigt.
Ich danke Ihnen auch für die Möglichkeit, unser Abstimmungsverhalten in dieser Sache zu erklären. Vielleicht kurz zu meinem Hintergrund: ich habe Veterinärmedizin studiert und bis zur Übernahme des Bundestagsmandats in einer Einrichtung gearbeitet, die sich mit wissenschaftlichen Konzepten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Nutztieren beschäftigt. Heute heißt diese Einrichtung Institut für Epidemiologie Wusterhausen des Friedrich-Loeffler-Instituts (Bundesinstitut für Tiergesundheit). Der Hauptsitz dieser Bundesforschungsanstalt ist, wie Sie vielleicht wissen, die Insel Riems. Ich bin also mit der von Ihnen angesprochenen Problematik fachlich vertraut.
Viele der von Ihnen vorgetragenen Argumente teile ich. Auch aus diesen Gründen hat ja meine Fraktion diesen Antrag FDP-Fraktion nicht abgelehnt.
Aber es gab aus unserer Sicht auch sehr gute Gründe, ihm nicht zuzustimmen.
Einige sind in der Drucksache nachzulesen. Es gibt sehr viel mehr Defizite in der Tierseuchenbekämpfung als das Impfverbot in der EU. Und Impfen ist auch nicht in allen Fällen eine effektive Maßnahme. Mal davon abgesehen, dass die verfügbaren Impfstoffe oft auch Einsatzgrenzen setzen und leider auch die Impfstoffhersteller nicht nur uneigennützige Ziele verfolgen und das Gemeinwohl im Sinn haben.
Im Ziel, 1. Tötungen von Tieren und erst Recht von Tierbeständen als Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen auf extreme Ausnahmesituationen zu begrenzen und 2. den Schwerpunkt auf Strategien zur Vermeidung des Ausbruchs von Infektionskrankheiten bei Nutztieren zu verlagern, sind wir uns sehr einig.
Auch darin, dass dazu gehört, über die Haltungsbedingungen nachzudenken.
Allerdings wird das aus meiner Sicht nicht reichen. "Impfen statt Töten" ist daher in die richtige Richtung, aber zu kurz gedacht. Grundlage jedes vernünftigen Bekämpfungskonzeptes ist zunächst eine wissenschaftliche Analyse und Überwachung der Verbreitung der Infektionserreger und der Ein- und Verschleppungsrisiken, wirklich funktionierende Frühwarnsysteme und wissenschaftlich erarbeitete Konzepte für eine effektives Risikomanagement.
Solange die dafür notwendigen Strukturen und personellen wie finanziellen Ressourcen nicht nur nicht ausreichend zu Verfügung stehen, sondern sogar in Frage gestellt werden, werden die Probleme im Bereich Infektionskrankheiten von Nutztieren nicht gelöst. Im Gegenteil. Denn angesichts der gigantischen
Personen- und Warenströme in der globalisierten Welt stellen Infektionserreger eine deutlich wachsenden Bedrohung unserer Nutztierbestände (und auch des Menschen) dar, und deshalb muss diesen Fragen deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als bisher.
Infektionserreger sind dabei nicht aus dem Blickwinkel des Tierschutzes ein großes Problem. Die brennenden Kadaverberge während des MKS-Seuchenzuges in Großbritannien haben sich mir tief eingeprägt, wie Ihnen wahrscheinlich auch. Darüber hinaus sind sie aber ein enormes ökonomisches Risiko für die Landwirtschaftsbetriebe und damit auch für Arbeitsplätze und Existenzen.
Auch diese Folgen wiegen sehr schwer. Beides sollte uns dazu zwingen, alles dafür zu tun, damit sich solche Bilder nicht wiederholen. Innerhalb dieses Systems gehört das Prüfen von Impfkonzepten selbstverständlich dazu, ist aber, um das noch einmal zu betonen, nur ein Baustein. Deshalb hat meine Fraktion dem Antrag nicht zugestimmt, sondern sich enthalten.
In der Hoffnung, Ihnen meine Beweggründe für dieses Votum verständlich gemacht haben zu können, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB