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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael K. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Michael K. bezüglich Jugend

Guten Tag,
Sie haben einen Gesetzentwurf zur Reform des Transsexuellengesetzes mitgeschrieben, in dem gefordert wird, dass Jugendliche ab vollendetem 14. Lebensjahr quasi per Verwaltungsakt gegenüber dem Standesamt ihr Gechlecht ändern können. Aus dem Gesetzentwurf wird mir nicht klar, ob Jugendliche ab 14 dann auch eigenständig über hormonelle Therapien an sich selber entscheiden können. Für chirurgische Eingriffe wird - wenn ich es richtig verstehe - das Einverständnis der Erziehungsberechtigten gefordert. Die Hinzuziehung von zwei unabhängigen Gutachtern soll anscheinend entfallen.
Ich bin als Kinder- und Jugendarzt, der täglich mit Jugendlichen dieser Altersgruppe zu tun hat, ziemlich schockiert. Sehen Sie es nicht auch so, dass Jugendliche in dieser Altersgruppe noch keine gefestigte Persönlichkeit haben (können), labil und beeinflussbar sind und Entscheidungen über hormonelle Therapien nicht selbstständig treffen können? Warum soll die Hinzuziehung von 2 unabhängigen Gutachtern wegfallen? Geschlechtsverändernde hormonelle Therapien sind ein massiver Eingriff in die Persönlichkeit und sollten nicht so einfach erzwungen werden können!
MFG
Michael Kleppe

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kleppe,

die geschlechtliche Identität ist keine Entscheidung. Immer wieder stellen Menschen im Laufe ihres Lebens fest, dass das bei Geburt zugewiesene Geschlecht nicht ihrer tatsächlichen Geschlechtsidentität entspricht. Das ist keine leichtfertige Laune, sondern ein für die Betroffenen oft langwieriger Prozess, der viel zu oft mit Diskriminierungserfahrung einhergeht. Auch nach Ersatz des veralteten Transexuellengesetzes durch ein Selbstbestimmungsgesetz wird Unterstützung und auch ärztliche Begleitung notwendig sein, nur eben selbst- statt fremdbestimmt.
Der grüne Gesetzentwurf ermöglicht ab Vollendung des 14. Lebensjahres die Berichtigung des Geschlechtseintrages und Änderung der Vornamen auch ohne Mitwirken des gesetzlichen Vertreters. Ab diesem Alter misst die Rechtsordnung Minderjährigen die Fähigkeit bei, Verantwortung für Handlungen und (identitätsbezogene) Entscheidungen zu übernehmen, so etwa durch die Strafmündigkeit und die Religionsmündigkeit.
Das Verfahren für Personen, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, sowie für geschäftsunfähige Personen bedarf der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung. Diese kann im Falle einer Weigerung gerichtlich ersetzt werden, wofür die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands bestimmt ist.
Voraussetzung für eine medizinische Geschlechtsangleichung bleibt die Einholung von zwei gesicherten Diagnosen und eine mindestens einjährige, offene Therapie.
Ein wesentlicher Schwerpunkt des Selbstbestimmungsgesetzes ist auch die Reform des Offenbarungsverbotes – also des Verbotes, die neue geschlechtliche Identität zu ignorieren oder auf die alte Identität abzustellen. Das bisherige Offenbarungsverbot hat sich als zahnlos erwiesen: Immer wieder haben Behörden und Unternehmen sich geweigert, Unterlagen oder Zeugnisse neu zu erstellen.
Unser Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz trägt der großen Bedeutung der eigenen Identität und damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung. Wenn der Staat darauf besteht, das Geschlecht zu erfassen, sollte er die bei der Geburt vorgenommene Zuordnung, wenn diese sich als falsch erwiesen hat, auf Antrag unbürokratisch berichtigen. Dazu bedarf es keiner Zwangsgutachten und erst recht keiner Fremdbestimmung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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