Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Gabriel Z. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,
ich kontaktiere Sie als Mitglied des Ausschusses für Gesundheit.
Wir haben nun einen zweiten, sog. "Mini"-Lockdown. Soweit einverstanden.
Meine Frage ist: was ist die Exit-Strategie? und was sind die langfristigen Planungen?
Man hört von einigen Virologen durchaus eine Reihe von Vorschlägen, die für mich durchaus sinnvoll erscheinen (Bsp.: Rückwärts-Tracing, verpflichtende App-Nutzung, Kompartmentalisierung, etc.). Teilweise muessten dafuer auch Regulären geaendert werden, aber das ist ja eine der eigentlichen Aufgaben der Politik und, nach meinem Dafürhalten, lösbar.
Leider höre und lese ich in den Medien und Nachrichten nichts über langfristige Strategien. Daher meine Frage an Sie und an den gesamten Ausschuss: welches sind die langfristigen Strategien bis zu dem Zeitpunkt, wo ein Impfstoff gefunden wird? wie ist der Plan für den Zeitpunkt, wo ein Impfstoff gefunden wurde? Wie wird er "ausgerollt" werden?
Herzliche Grüße,
Ihr G. Zachmann
Sehr geehrter Herr Zachmann,
Vielen Dank für Ihr Schreiben. Die Infektionslage hat sich in den vergangenen Wochen in ganz Deutschland zugespitzt. Nun rächt es sich bitter, dass das letzte halbe Jahr zu wenig genutzt wurde, um diese Phase der Pandemie vorzubereiten. Auch die Belegung der Intensivbetten und die Todeszahlen steigen wieder an. Wir Grüne im Bundestag tragen daher notgedrungen die nun getroffenen drastischen Einschnitte im Grundsatz mit. Die Entscheidungen sind hart und bringen große Härten mit sich, doch wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, droht uns die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu entgleiten.
Wir erwarten deshalb umso mehr, dass die Phase des Runterfahrens genutzt wird, um einen Weg durch den Herbst und Winter aufzuzeigen. Es braucht jetzt eine klare Strategie mit verbindlichen, wirksamen Schritten für die Phase des Wiederhochfahrens, mit denen wir durch die bevorstehenden Monate kommen.
Zu dieser Strategie gehören etwa der längst überfällige Einbau von Lüftungsanlagen in Schulen, Gemeinschaftsunterkünften und der Gastronomie, der bessere Schutz von Risikogruppen und ein klares bundeseinheitliches Regelwerk für die Zeit nach dem Wellenbrecher. Es muss klar sein, was bei welchen Infektionszahlen zu passieren hat.
Es braucht ein Paket mit konkreten Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen für Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Ziel ist es, dass sie mit möglichst geringem Risiko am öffentlichen Leben teilhaben und anderen Menschen begegnen können. Dazu gehören beispielsweise die kostenfreie Ausstattung mit FFP2-Masken, reservierte Öffnungszeiten in öffentlichen Einrichtungen wie Behörden und die Unterstützung bei der Versorgung mit Alltagsgütern und eine bezahlte Freistellung oder Homeoffice.
Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Branchen im Dezember in eine unverändert prekäre Situation gedrängt werden. Für sie braucht es einen planbaren Wiedereinstieg aus dem Ausstieg. Die Bundesregierung hat es versäumt, wissenschaftliche Untersuchungen zu beauftragen, die das Infektionsgeschehen in den einzelnen Bereichen analysieren. Dabei müssen die Maßnahmen für die Branchen, die gute Sicherheitskonzepte haben und wenig bis gar nicht zum Infektionsgeschehen beitragen, schnellstmöglich wieder gelockert werden. Es ist richtig, dass die Schulen und Kitas offen bleiben. Hier haben die Verantwortlichen gelernt. Aber es sind dringend bessere Schutzvorkehrungen nötig – wir haben viele Vorschläge gemacht, man muss jetzt anpacken.
Kunst und Kultur sind Nahrung für die Seele. Sie sind unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Die Veranstaltungsbranche und mit ihr viele Soloselbständige – insbesondere im Kulturbetrieb - sind in der Corona-Krise massiv in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Wir wollen Kulturschaffenden und der Branche insgesamt schnell und nachhaltig helfen, damit auch nach der Corona-Krise die kulturelle Vielfalt erhalten bleibt. Wir wollen die Überbrückungshilfen an die Bedürfnisse der Veranstaltungsbranche anpassen und ein Selbstständigengeld von 1.200 € für Soloselbständige und Kleinunternehmer*innen einführen.
Die Infektionsschutzmaßnahmen dürfen nicht länger an den Parlamenten vorbei beschlossen werden. Die dazugehörige Debatte gehört in die Herzkammern unserer Demokratie: die Parlamente. Wir brauchen Rede und Gegenrede. Wir brauchen die Debatte. Und wir brauchen diese Debatte, bevor Entscheidungen getroffen worden sind. Es wurde zudem versäumt, eine transparente, dauerhafte und interdisziplinäre wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung und des Bundestages zu schaffen. Ein unabhängiger Pandemierat kann diese wichtige Grundlage bieten.
Die Bekämpfung dieser Pandemie verlangt unserer Gesellschaft viel ab. Die Wintermonate stehen nun bevor. Umso wichtiger ist es, eine Perspektive zu schaffen, wie wir mit einem belastbaren und verlässlichen Konzept durch diesen Herbst und Winter kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther