Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Michaela B. bezüglich Gesundheit
Wieso gibt es kaum noch/ keine staatlichen bzw. städtisch geführte Krankenhäuser mehr; stattdessen sind so ziemlich alle Kliniken privatisiert und Kapitalgesellschaften (GmbHs)? Das passt nicht zu einem sozialen Gesundheitssystem. Wir zahlen in einen gemeinsamen sozialen Finanzierungstopf ein und die Kapitalgesellschaften greifen diese Gelder - unter Ausbeutung, Personalabbau und Einsparungen an den falschen Stellen - ab, statt dass sie Staat und Kommunen wieder zufließen. Personal wird ausgebeutet und es werden Untersuchungen (v.a. Spiegelungen, Breischluck, Bilgebung) viel zu häufig und ohne Erkenntnisgewinn oder darauf folgende HILFREICHE Behandlungsimplikationen durchgeführt (wegen Geldmacherei). An einer Gesundung und Gesunderhaltung (Ursachenforschung und Behebung) besteht kein (privatwirtschaftliches) Interesse!
Sehr geehrte Frau Borger,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Ich teile Ihre Einschätzung, dass Renditeinteressen niemals vor die Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten gestellt werden dürfen. Im Krankenhaussektor erleben wir seit einigen Jahren einen Trend zu mehr Privatisierungen; dieser Trend wird gegenwärtig durch das verstärkte Eingreifen sogenannter Private Equity-Gruppen in das Gesundheitswesen noch verstärkt. Während der Anteil der Krankenhäuser in privater Trägerschaft 1991 noch bei knapp 15 Prozent lag, befindet sich gegenwärtig gut jedes dritte Krankenhaus in privaten Händen. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil öffentlicher Krankenhäuser von 46 Prozent auf knapp 30 Prozent. Da private Einrichtungen mit durchschnittlich etwa 130 Betten zu den kleinen Krankenhäusern zählen, stellen öffentliche Krankenhäuser - die durchschnittlich mit 420 Betten etwa dreimal so groß sind – jedoch fast jedes zweite Krankenhausbett in Deutschland.
Das Agieren privater Krankenhausträger ist dabei sehr heterogen. Zudem ist eine kommunale Trägerschaft leider weder Garant für gute Versorgungsqualität, noch dafür, dass es keine Leistungsverdichtung zu Lasten der Patient*innen geht. Es geht darum, generell die Versorgungsqualität in das Zentrum der Gesundheitspolitik zu stellen. Um wirtschaftliche Gewinne aus Krankenhäusern zu erzielen, versuchen einige Klinikträger unter dem Vorwand der Rationalisierung die Personalkosten schnell und deutlich zu reduzieren. So stellte das Ärzteblatt bereits 2007 fest: „Waren bisher Personalkostenanteile von 65 bis 70 Prozent in den Krankenhausbudgets die Regel, werden in Kliniken unter privater Trägerschaft Anteile von 60 Prozent und weniger realisiert.“ Die damit einhergehenden Leistungsverdichtungen gehen häufig zulasten der Versorgungsqualität. Das kürzlich beschlossene Pflegepersonalstärkungsgesetz ändert daran wenig. Im Gegenteil: gesundheitssystematisch gefährdet das Gesetz die Pflegeversorgung insgesamt: Die Vollfinanzierung von Pflegestellen und Tarifsteigerungen im Krankenhausbereich sorgt für eine Sogwirkung von Pflegepersonal aus der Rehabilitationspflege, der Langzeitpflege und aus der ambulanten Pflege. Insbesondere im letzten Pflegebereich spitzt sich die Situation somit dramatisch zu, zumal hier drei Viertel der pflegebedürftigen Menschen durch professionelle Pflegende Versorgung und Teilhabe erfahren. Die 13.000 in Aussicht gestellten Stellen reichen bei Weitem nicht aus, um den aktuellen Personalbedarf in der Langzeitpflege zu decken, weshalb Pflegeeinrichtungen zusätzliches Pflegepersonal vor allem aus der ambulanten Pflege rekrutieren werden.
Die Vergütung durch Fallpauschalen (DRGs) hat zudem zu einer Konzentration auf wirtschaftlich attraktive ärztliche Leistungen geführt, die zulasten der Pflege gingen. Dazu kommen die zunehmende Finanzierung von Investitionen aus den für die Betriebsmittel vorgesehenen Fallpauschalen sowie eine verspätete „Einpreisung“ von Personalkostensteigerungen in das DRG-System.
Um einer weiteren Ökonomisierung der Krankenhausversorgung entgegenzuwirken, muss das DRG-System reformiert und der Investitionsstau in Höhe von über 10 Mrd. Euro aufgelöst werden. Wir Grüne fordern daher, dass Krankenkassen und Ländern die Möglichkeit eröffnet wird, gemeinsam die Verantwortung für die Investitionsförderung und Planung zu übernehmen (BT-Ds. 16/9008). Dabei sollen Krankenkassen und Länder die Option erhalten, die Investitionsfinanzierung gemeinsam zu schultern. Dazu soll auf Landesebene ein jeweils hälftig getragener Fonds eingerichtet werden, aus dem die Investitionspauschalen finanziert werden. Die Höhe der Landesmittel bestimmt die Höhe der Mittel, die von den Krankenkassen gestellt werden. Im Gegenzug sollen die Krankenkassen bei der Krankenhausplanung einbezogen werden.
Zudem muss das neue Finanzierungsinstrument für Personalkosten im Krankenhaus so fortentwickelt werden, dass es eine bedarfsgerechte Pflegepersonalbemessung unterstützt und, eine qualitative Aufwertung der Pflege im Krankenhaus befördert wird, und die Transparenz und Vergleichbarkeit über erbrachte Pflegeleistungen erhöht. Zugleich ist eine regelmäßige Evaluation des neuen Finanzierungsinstrumentes vorzusehen. Nicht zuletzt muss die Finanzierung des im Pflegepersonalstärkungsgesetz vorgesehenen Krankenhausstrukturfonds so ausgestaltet werden, dass sich auch die Privaten Krankenversicherungen hieran beteiligen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther