Frage an Kerstin Müller von David N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Fr. Müller,
wie kann es sein das 2006, 6,5 % mehr Ausländer eingebürgert wurden als 2002, wo Rot-Grün regiert hat? Ich mein, Leute setzen ihre Hoffnungen in sie, und am Ende stellt sich raus das die CDU mehr für Integration tut als Bündis90/Grüne!
Mit freundlichen Grüßen,
David Nebere
Sehr geehrter Herr Nebere,
die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes durch die rot-grüne Koalition war ein entscheidender gesellschaftspolitischer Fortschritt, mit dem das Recht an die elementaren Notwendigkeiten eines Einwanderungslandes angepasst wurde. Die Einbürgerungspraxis zeigt jedoch, dass das System an einer Reihe von Stellen weiter ausgebaut werden muss und Fehler in der Gesetzesanwendung korrigiert werden müssen.
Für uns ist es auf Dauer nicht hinnehmbar, dass ein großer Teil der Gesellschaft von der aktiven Partizipation durch Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen ist.
Weitsichtige Integrationspolitik erfordert deshalb auch weitere Verbesserungen bei den Regeln über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.
Daher hat die grüne Bundestagsfraktion einen entsprechenden Gesetzesentwurf im vergangenen Herbst in den Bundestag eingebracht, den Sie auf der Bundestagshomepage finden können: http://dip.bundestag.de/btd/16/026/1602650.pdf .
Der Gesetzesentwurf liegt derzeit im Innenausschuss des Bundestages. Im Herbst soll hierzu eine öffentliche Sachverständigenanhörung stattfinden.
Kernbestandteile unseres Vorschlags sind folgende Punkte:
- Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland (Geburtsrecht) wird ausgebaut. Dabei wird auf das so genannte Optionsmodell verzichtet, das die Betroffenen zwingt, sich mit der Voll-jährigkeit für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Es ist integrationspolitisch kontraproduktiv, Menschen, die von ihrer Geburt an Teil dieser Gesellschaft sind, dazu zu zwingen, mit ihrer Volljährigkeit eine Entscheidung zu treffen, die ihre Zugehörigkeit zu diesem Staat in Frage stellt. Auch unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung ist die bisherige Optionsregelung problematisch. Bei anderen Staatsangehörigen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden (z.B. Kinder, die aus bina-tionalen Partnerschaften stammen), gibt es eine derartig bedingte Staatsangehörigkeit nicht.
- Die Fristen für die Einbürgerung werden in unserem Gesetzesvorschlag verkürzt. Dabei werden auch neue Ansprüche - insbesondere für staatsangehörigkeitsrechtlich besonders schutz-bedürftige Gruppen (Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, Staatenlose) – verankert. Im Bereich der Staatenlosigkeit sieht der Entwurf darüber hinaus eine Reihe von Regeln vor, die - entsprechend der international anerkannten Zielrichtung – zu ihrer Beseitigung beitragen und ihre Entstehung verhindern.
- Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit ist – angesichts oft bürokratischer Entlassungsverfahren und emotionaler Bindungen gerade älterer Ausländer ans Herkunftsland – immer noch ein wesentlicher Grund dafür, dass die Einbürgerungsquote zu niedrig ist. Es muss daher auf dem Weg zu einer generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit Lösungen für bestimmte problematische Fall-gruppen geben. Ebenso muss dem Zusammenwachsen Europas Rechnung getragen werden. Wir sehen daher in unserem Gesetzesentwurf eine Reihe von Ausnahmen vom Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit vor. Bei Einbürgerungen von Unionsbürgern, Schweizer Bürgern und Angehörigen bestimmter, besonders eng assoziierter Staaten (Türkei) soll generell die Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen. Bei den türkischen Staatsangehörigen ist dies in besonderem Maße gerechtfertigt, weil ihr Rechtsstatus sich dem der Unionsbürger weitgehend angenähert hat – und weil wir politisch davon ausgehen, dass es zu einem EU-Beitritt der Türkei kommen wird.
- Der Grundsatz, dass jederzeit möglichst klar ersichtlich sein soll, wer deutscher Staatsangehöriger ist, ist dabei auch Grund für weitere Änderungen. So ist es jüngst in einer Reihe von Fällen unklar gewesen, ob Deutsche ihre Staatsangehörigkeit durch die (Wieder-) Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit (automatisch) verloren hatten. Deshalb sieht der Entwurf vor, dass dieser Verlust erst wirksam wird, wenn er von der Behörde festgestellt wird. Damit wird auch in anderen Rechtsbereichen klarer ersichtlich (etwa dem Wahlrecht), wer Deutscher ist und wer nicht.
Unser Entwurf sieht damit insgesamt an einer Reihe von Stellen die notwendigen Problemlösungen im Staatsangehörigkeitsrecht vor.
Im Gegensatz zu Regelungsvorschlägen aus der großen Koalition im Rahmen des vor der sommerpause verabschiedeten Zuwanderungsänderungsgsetzes und zu Beschlüssen der Innenministerkonferenz, die beide auf eine Erschwerung der Einbürgerung hinzielen und die deshalb integrationspolitisch kontraproduktiv sind, setzen Bündnis 90/DIE GRÜNEN auf Erleichterungen beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit.
Wir setzen uns beim Staatsangehörigkeitsrecht schon seit langem dafür ein, dass für Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, die hier arbeiten und Steuern zahlen, keine unzumutbaren Hürden beim Einbürgerungsverfahren aufgebaut werden dürfen.
Aktuelles zur Grünen Integrationspolitik finden Sie auch auf der Internetseite der Grünen-Bundestagsfraktion:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/integration/rubrik/3/3738.htm
Mit freundlichen Grüßen nach Köln-Lindenthal,
Kerstin Müller, MdB