Frage an Kerstin Müller von Martin N. bezüglich Staat und Verwaltung
Einen schönen guten Tag, sehr geehrte Kerstin Müller,
Bierproduzent Dr. A. H. Heineken hat 1992 Überlegungen zur Neugliederung von Europa angestellt und bei verschiedenen Universitäten eine Studie mit dem Titel "The United States of Europe (A Eurotopie? (Eurotopia))" in Auftrag gegeben.
Die Idee, die hinter dem Vorschlag stand, war daß Europa internationalem Frieden, der Sicherheit und der Wirtschaft am besten dient, wenn es in kleinere Regionen mit mindestens 5 Millionen und höchstens 10 Millionen Einwohnern aufgeteilt wird. Dabei sollten aber historische und ethnische Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um landsmannschaftliche Verbindungen nicht zu stören.
Brüssel, Straßburg & Luxemburg entscheiden dann über die Außen-, Verteidungs- und Umweltpolitik und die damit überflüssig gewordenen Nationalstaaten werden endlich überwunden.
Gemäß dem bewährten Subsidiaritätsprinzip ist die Ebene darunter die der Regionen: Lombardei, Franken, Katalonien, Flandern, Burgund, Rheinland ...
Was werden Sie tun, um ein solches bürgernahes Europa der Regionen voranzutreiben und die Nationalstaaten zu überwinden?
sonnige, neugierige Vormittagsgrüße aus der Bonner Fußgängerzone sendet Ihnen
Martin Nieswandt
Sehr geehrter Herr Nieswandt,
vielen Dank für Ihre Gedankenanstöße und Ihre Nachfrage bezüglich des Subsidiaritätsprinzips in der EU. Als Grüne, die Europa deutlich stärken wollen, setzen wir uns mit diesen Fragen intensiv auseinander.
Deshalb unterstützen wir auch den Vertrag von Lissabon. Er ist nach einer achtjährigen Reformphase wichtig und richtig für die künftige Arbeit der EU und macht mehr europäische Politik möglich. Durch den Vertrag werden die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl zum Europäischen Parlament aufgewertet. Zudem gibt er den nationalen Parlamenten mehr Rechte, so dass sogar ein einziges Parlament Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einlegen kann, wenn das Prinzip der Subsidiarität verletzt wurde. Wir erhoffen uns, dass der Vertrag von Lissabon die EU demokratischer, effizienter und transparenter werden lässt.
Die EU ist ein Friedensprojekt. Dank des Zusammenwachsens der europäischen Staaten in der EU ist Deutschland von Freunden umgeben. So ist die jahrhundertelange Ära von Kriegen zwischen Nachbarn überwunden worden. Die Anziehungskraft der EU hat entscheidend mitgeholfen, dass der Transformationsprozess der mittel- und osteuropäischen Staaten nach dem Fall der Mauer friedlich verlaufen ist.
Trotz einiger gerechtfertigten Kritikpunkten an der Politik und Strukturen der EU kann durch einen Rückzug von der EU ins Nationale nicht gewonnen werden. Keine der großen Grünen Visionen, vor allem die unseres Grünen New Deal, ist für unser Land ohne die bessere Zusammenarbeit in der EU zu verwirklichen. Zu Ihrer konkreten Frage, wie wir als Grüne zu so etwas wie den „United States of Europe“ stehen, kann ich Ihnen deshalb antworten, dass wir eine EU wollen, die vereint ist in der Vielfalt ihrer selbstbewussten Regionen und der jeweiligen Eigenständigkeit ihrer Nationen.
Dafür ist es wichtig, die regionalen Entwicklungsunterschiede in Europa auszugleichen. Die Förderung benachteiligter Regionen ist nicht nur Ausdruck der Solidarität innerhalb der EU, sondern trägt auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Begleitung des Strukturwandels bei. Die Lücke zwischen strukturschwachen und wirtschaftsstarken Gebieten in Europa muss dringend geschlossen werden, so dass alle Regionen gleichwertige Entwicklungschancen haben. Gleichzeitig wollen wir kommunale Gestaltungsspielräume bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sichern, denn die EU hat mittlerweilen einen großen Einfluss auf die Kommunen. Diese zunehmende Einflusstiefe des Europarechtes darf das kommunale Selbstverwaltungsrecht keinesfalls aushöhlen.
Ganz besonders wichtig ist mir als Außenpolitikerin die weitere Stärkung einer gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir Grüne sind davon überzeugt, dass Europa nur gemeinsam wirklichen Einfluss im Rahmen der internationalen Gemeinschaft ausüben und seinen spezifischen Ansätzen Geltung verschaffen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Müller, MdB