Frage an Kerstin Kassner von Philipp P. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Kassner,
schächten ist in Deutschland grundsätzlich nicht gestattet, die Einfuhr von Fleisch im Ausland geschächteter Tiere ist dagegen legal.
Dieses ohnehin schon weiche Verbot wird in der Praxis jedoch weiter aufgeweicht.
https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__4.html
https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/__17.html
Zum einen gibt es die Möglichkeit in Deutschland Tiere unter Betäubung zu schächten.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/schlachten-kurs-grub-1.3998717#
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/schlachten-kurs-grub-1.3998717-2
Außerdem wird Fleisch von im Ausland geschächteten Tieren nach Deutschland importiert.
https://youtu.be/MXN2piFmWLo
Die Nachfrager beruft sich auf religiöse Interessen und die Freiheit zum Bekenntnis/Religion.
In Deutschland gilt jedoch die Freiheit sich zu einem Bekenntnis oder einer Religion zu bekennen.
Es gilt jedoch nicht die Freiheit der Bekenntnisse/Religionen alles zu tun.
Das schächten ist ein mitunter minutenlanger Todeskampf für die Tiere.
Wen Sie sehr starke Nerven haben können Sie sich hier anschauen was schächten für die Tiere bedeutet.
https://www.youtube.com/watch?v=paH6JmVL2FA
Was werden Sie gegen diese Tierquälerei tun?
Mit freundlichen Grüßen
P. P.
Sehr geehrter Herr Ponitka,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Schächten ist in Deutschland verboten. Es gibt Ausnahmeregelungen für Juden und seit 1996 auch für Muslime. Die Forderung, diese Ausnahmen aufzuheben ist nicht neu. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass es zu der Frage eines Verbots des Schächtens keine abgestimmte Position meiner Fraktion DIE LINKE gibt und ich mich erstmalig mit dem Thema befasst habe.
Hier steht in der Tat das grundgesetzlich geschützte Recht der Religionsfreiheit dem Tierschutz, welcher als Staatsziel in Art. 20a des Grundgesetzes aufgenommen wurde, gegenüber und es gilt zwischen diesen Positionen abzuwägen.
Das deutsche Grundgesetz (GG) sichert die Religionsfreiheit. Konkret heißt es im Grundgesetz (GG Art. 4, Absatz 1, 2):
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Das Schächten ist vom Standpunkt des Tierschutzes umstritten. Es ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob und wie stark Schmerzen bei den Tieren bei korrekter Ausführung des Schächtschnittes auftreten, bzw. vermieden und möglichst minimiert werden können.
Meiner Meinung nach ist es unredlich, bzw. scheint der Tierschutz im Falle des „Schächtens“ oftmals nur vorgeschoben, wenn man sich gezielt einen einzelnen Aspekt der Schlachtindustrie herausgreift und diesen Aspekt anprangert.
Es ist ein Mythos, dass andere Schlachtmethoden weniger Schmerzen und Angstzustände für die Tiere bedeuten. Besonders in der Kritik steht die CO2-Betäubung von Schweinen, die in Deutschland millionenfach angewandt wird.
Für die meisten islamischen und jüdischen Gemeinden in Deutschland ist die betäubungslose Schächtung wesentlicher Bestandteil ihrer Religionsausübung und gehört zum lebendigen Inhalt ihrer Glaubenspraxis. Von daher sind die Ausnahmeregelungen für jüdische und muslimische Schlachter zu verteidigen.
Im Übrigen erinnert die Forderung nach einem kompletten Schächtverbot an das Vorgehen der NSDAP, die den Tierschutz für die antisemitischen Ziele des Regimes missbrauchte. Unter dem Vorwand des Tierschutzes verbot die NSDAP 1933 das Schächten und bestrafte es mit Gefängnis – später auch mit Haft im Konzentrationslager. „Tierliebe und Menschenverachtung waren in der NS-Ideologie kein Widerspruch.“ schrieb in diesem Zusammenhang Helene Heise im SPIEGEL („Nazis und Tierschutz – Tierliebe Menschenfeinde“ vom 19.09.2007).
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Kassner