Frage an Kerstin Griese von Jürgen W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Griese,
ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, Telekommunikationsunternehmen ab 2008 zu verpflichten, Daten über die Kommunikation ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. So soll nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. In Verbindung mit anderen Daten soll zudem die Nutzung des Internet nachvollziehbar werden. Strafverfolgungsbehörden erhoffen sich davon verbesserte Ermittlungsansätze.
Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halte ich für inakzeptabel. Ohne jeden Verdacht einer Straftat sollen sensible Informationen über die sozialen Beziehungen (einschließlich Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation (z.B. Kontakte mit Ärzten, Rechtsanwälten, Psychologen, Beratungsstellen) von über 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt werden. Damit höhlt eine Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Wirtschaftsspionage. Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit die Pressefreiheit im Kern.
Gerade Ihnen als Historikerin mit dem Kerngebiet Naziregime müssten die Gefahren einer unsere Gesellschaft durchdringende Überwachung in hohem Maße bewusst sein. Wenn die Menschen aus Angst, etwas Falsches zu sagen, nicht mehr frei miteinander kommunizieren können, ist der demokatische Rechtsstaat Makulatur.
Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Wahlmann (AK Vorrat: http://www.vorratsdatenspeicherung.de )
Sehr geehrter Herr Wahlmann,
eine EU-Richtlinie verpflichtet auch die Bundesrepublik zur Einführung von Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten zum Zweck der Terror- und Verbrechensbekämpfung. Mir ist die Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung und unsere Verpflichtung zur Sicherung der Freiheits- und Bürgerrechte sehr ernst. Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihre Vorbehalte gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufrieden stellenden Kompromiss erzielt hat. Der Bundesregierung ist es gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Ursprünglich sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. In den Verhandlungen konnte eine Einigung auf sechs Monate erreicht werden. Der Einsatz der Bundesregierung führte auch dazu, die Speicherung von „erfolglosen Anrufen“ und von Standortdaten der Handyverbindungen zu verhindern.
Durch das Anlegen von Bewegungsprofilen würde in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen.
Beim Internet werden die Onlinezeiten der Nutzer, Daten zur Internettelefonie und zu den E-Mail-Diensten gespeichert. Inhalte, und Informationen, welche Websites besucht werden, werden nicht gespeichert.
Sanktionen sollen einen unbefugten Zugriff oder Umgang mit den Daten verhindern und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sichern.Wie schon auf europäischer Ebene beachtet die SPD-Bundestagsfraktion auch auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht den gerechten Interessenausgleich zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger und dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries möchte die „Vorratsdatenspeicherung“ auf eine Speicherungsfrist von sechs Monaten und die Verwendung der gespeicherten Daten auf Strafverfolgungszwecke beschränken.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Griese