Frage an Kerstin Griese von Andreas H. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Griese,
ich habe mit Aufmerksamkeit das Interview, das Sie heute dem Deutschlandfunk gegeben haben, gelesen. Interessant finde ich, dass Sie behaupten, dass es schlechter für Kinder sei, allein zu Hause zu bleiben, als in eine Ganztageseinrichtung zu besuchen. Wenn ich den Sinnzusammenhang betrachte, gehe ich davon aus, dass Sie sich bes. auf Einzelkinder beziehen. Wobei die nachfolgenden Ausführungen auch für Einzelkinder gelten.
Haben Sie nie die Ergebnisse der neueren Hirnforschung gelesen? Als Familienpolitikerin sollten Sie das! Wenn Sie die Ergebnisse kennen würden, wüssten Sie, dass eine Trennung der Kinder von den Eltern vor dem dritten Lebensjahr nachweisliche Schäden beim Kind hervorrufen kann. Die PET-Scans der Gehirnaktivität dazu sind sehr beeindruckend und zeigen deutlich die emotionale Verarmung.
Wenn Sie dazu noch den Klassiker "Die Grundformen der Angst" von Fritz Riemann kennen, kennen Sie auch den schitzoiden Typ. Dieser ist hochintelligent, aber emotional völlig verarmt.
Ich habe das Gefühl, wir gehen mit der Familienpolitik auch dahin. Aber wenn die Folgen dann sichtbar werden, leben Sie wahrscheinlich nicht mehr ... oder
Unter vernünftiger Familienpolitik würde ich mir wünschen, dass endlich mal die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt würden. Oder warum wird unterjährig das Existenzminimum der Kinder besteuert - bei der Sozialversicherung grundsätzlich?
Nebenbei gesagt, meine Frau muss arbeiten gehen, damit wir für uns und unsere 4 Kinder ein ausreichendes Auskommen haben. Ich selber arbeite als Krankenpfleger auf einer Intensivstation. Wenn es eine gerechtere Steuer- und Sozialgesetzgebung geben würde, wäre die Arbeit meiner Frau wahrscheinlich nicht nötig.
Und: Warum schaut man bei der Kinderbetreuung immer so gern nach Skandinavien, ignoriert aber die sonstigen familienpolitischen Leistungen in den Ländern? Fragen über Fragen. Alle unbeantwortet!
Mit freundlichen Grüßen!
Sehr geehrter Herr Häußler,
vielen Dank für Ihre Email. Ich will überhaupt nicht, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden. Ganztageseinrichtung heißt schließlich nicht, dass Kinder von früh morgens bis spät abends einen Kindergarten besuchen. Wichtig ist, dass Kinder in einer möglichst liebevollen und anregungsreichen Umgebung aufwachsen, in der sie eine optimale Förderung erfahren. Dazu gehört eine gute Betreuung im Elternhaus genauso, wie für den allergrößten Teil der Kleinkinder die Erlebnisse in einer Gruppe eine wichtige Erfahrung sein können. Deswegen bin ich nicht für ein „entweder oder“, sondern für ein „sowohl als auch“.
Die Erziehungswissenschaft, die sich dabei ebenfalls auf die Hirnforschung beruft, macht deutlich, wie wichtig frühe Förderangebote für die Kinder sind. Damit alle Kinder die gleichen Startchancen haben, haben wir begonnen, die Betreuungs- und Förderangebote für unter dreijährige Kinder erheblich auszubauen. Dass es in der Wissenschaft immer auch abweichende Minderheitsmeinungen gibt, die die Mütter aus ideologischen Gründen am liebsten zu Hause sehen, ist mir bekannt.
Die rot-grüne Regierung hatte die noch zu der Zeit der Kohl-Regierung ergangenen Verfassungsgerichtsurteile vollständig umgesetzt und ist noch darüber hinausgegangen. Allein das Kindergeld wurde dreimal erhöht. Viele Frauen und Männer wünschen sich, dass sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Erziehungsarbeit partnerschaftlich geteilt wird. Dadurch, dass sich die Politik der Bundesregierung die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf zum Ziel gesetzt hat, wird dies leichter möglich und eine echte Wahlfreiheit eröffnet.
Das Anfang dieses Monats eingeführte Elterngeld ist ein wichtiges Element dieser Politik. Diese Lohnersatzleistung eröffnet in Kombination mit den Partnermonaten auch vielen Vätern eine realistische Perspektive, für die gemeinsame Zeit mit ihrem Kind eine Pause im Beruf einzulegen. Die Idee dafür stammt übrigens aus Skandinavien. Daran sehen Sie, dass wir nicht nur in Hinblick auf die dort weitaus bessere Betreuungsinfrastruktur von unseren nördlichen Nachbarländern lernen können, sondern eben auch bei zielgenauen finanziellen Leistungen wie dem Elterngeld.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Griese