Frage an Kerstin Griese von Wolfgang K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Griese,
Sie befürchten, dass sich alte Menschen, die nie an Suizid gedacht haben, von Suizidhilfevereinen zur Selbsttötung verleiten lassen. Sofern diese Menschen nicht voll zurechnungsfähig sind, wäre eine solche „Hilfe“ bereits jetzt als Tötungsdelikt zu werten. Sie können mit einem Verbot der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" daher nur mündige Menschen vor deren eigener Entscheidung „schützen“. Dafür nehmen Sie in Kauf, dass es für alle Bürger, die aus prinzipiell nachvollziehbaren Gründen per Suizid ihr Leben beenden wollen, noch schwerer als bisher sein wird, in Deutschland Zugang zu geeigneten Medikamenten zu bekommen. Stattdessen sollen Angehörige und Nahestehende helfen dürfen. Die können aber in der Regel nur zu äußerst inhumanen und/oder unsicheren Methoden wie Strick, Hochhaus, Bahngleis, Ertrinken, Grillfeuer, Plastiktüte, Rattengift und ungeeigneten Medikamenten raten.
Wie vereinbaren Sie mit Ihrem Gewissen, dass Sie Menschen gesetzlich daran hindern wollen, mit Hilfe einer Organisation oder einer kompetenten Einzelperson einen sanften und sicheren Tod zu finden? Es ist ja damit zu rechnen, dass ein großer Teil von diesen Menschen dann ersatzweise auf die o.a. Methoden ausweichen oder gegen den eigenen Willen lange leiden wird. Außerdem werden einige von ihnen schwer geschädigt ihren Suizidversuch überleben.
Haben Sie mal mit Herrn Uwe-Christian Arnold (Berlin) gesprochen oder dessen Buch „Letzte Hilfe“ gelesen? Er hilft Menschen, die in großer Not sind, und die es irgendwie geschafft haben, ihn zu finden. Was ganz konkret werfen Sie Herrn Arnold vor? Dass er sich öffentlich zu dem bekennt, was er tut? Dass er eine Bevölkerung, die noch zu 90% glaubt, die ärztliche Suizidhilfe sei strafbar, aufklärt?
Warum zeigen Sie Herrn Dr. Kusch, der in eiligen Fällen 7000 € verlangt, nicht einfach wegen des Verdachts, eine Notlage finanziell auszunutzen (Wucher) bei der Staatsanwaltschaft Hamburg an?
MfG
Wolfgang Klosterhalfen
Sehr geehrter Herr Klosterhalfen,
bei der Erarbeitung unseres Gesetzesvorschlags haben wir alle Möglichkeiten geprüft, auch außerhalb des Strafrechts gegen die Praktiken von „Sterbehilfe Deutschland“ vorgehen zu können, das ist aber nicht möglich.
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist meines Erachtens dadurch entstanden, dass sich Anbieter in Deutschland etablieren, die geschäftsmäßig für Suizidassistenz werben und damit den Suizid fördern. Mit unserem Weg der Mitte ändern wir nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich an der Rechtslage, der Suizid und die Beihilfe dazu bleiben straffrei. Wir konzentrieren uns auf die mit der Absicht der Förderung der Selbsttötung betriebene geschäftsmäßige Tätigkeit von Sterbehilfevereinen oder Einzelpersonen, d.h. auf diejenigen, die die Unterstützung anderer beim Suizid bewusst und gewollt zum regelmäßigen Gegenstand ihrer Tätigkeit machen.
Damit ist selbstverständlich verbunden, dass wir alles unterstützen und fördern wollen, was Sterbebegleitung und Hilfe beim Sterben ermöglicht. Mir ist wichtig, dass der ärztliche Freiraum, den es heute gibt, erhalten bleibt, und dass Ärztinnen und Ärzte in schwierigen ethischen Situation individuell helfen und entscheiden können. Das ist durch unseren Gesetzentwurf gewährleistet. Wir wollen durch unseren Gesetzentwurf verhindern, dass Suizidhilfe zu einem normalen Dienstleistungsangebot wird, dass gleichberechtigt neben anderen besteht. Eine Ausweitung bis hin zu aktiver Sterbehilfe ist aus meiner Sicht keine Antwort auf bestehende Probleme und die Sorgen und Nöte der Menschen. Ich sehe die Gefahr, dass der Druck auf alte, kranke und lebensmüde Menschen wachsen würde, wenn „assistierter Suizid“ durch Ärzte als regelhaftes Angebot eingeführt würde. Es kann leicht eine „Sogwirkung“ entstehen und sich die ethischen Maßstäbe verschieben. Das belegen auch die Zahlen aus den Nachbarländern. Ein Sterben in Würde ist für mich liebevolle Begleitung ohne Druck bis zuletzt.
Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir Verbesserungen in der Pflege und in der Hospiz- und Palliativversorgung erreichen. Es geht mir um die Achtung allen Lebens, niemand soll sich dafür rechtfertigen müssen, wenn er noch weiter leben möchte. Mir ist auch wichtig, dass wir eine breite gesellschaftliche Debatte über das Leben und Sterben in Würde anstoßen, und dass die Menschen sich mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen, bestenfalls eine Patientenverfügung verfassen und eine Vorsorgevollmacht erteilen, damit klar ist, welche Maßnahmen sie am Lebensende wollen und welche nicht. Aus meiner Sicht brauchen wir mehr Aufklärung, welche Möglichkeiten die Palliativmedizin bietet und was Ärztinnen und Ärzten erlaubt ist. Ich bin davon überzeugt, dass der Wunsch nach assistiertem Suizid oft aus Angst vor Einsamkeit und Schmerzen resultiert. Dem muss durch gute Betreuung und palliativmedizinische Behandlung entgegengewirkt werden. Die wollen wir ausbauen und flächendeckend verankern, damit jeder Mensch Zugang zu palliativer Behandlung und hospizlicher Betreuung hat.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Griese