Frage an Kerstin Griese von Karlheinz S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Griese,
letztes Jahr antworteten Sie mir auf eine Anfrage (Zitat):
"Durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und deren zukünftige Nachfolgeinstitution, den European Stability Mechanism (ESM), gibt der Deutsche Bundestag weder sein Budgetrecht noch sonstige souveräne Rechte ab. Dies ist nicht der Fall, da die Bundesregierung, vertreten durch den Bundesfinanzminister, Mitglied im Gouverneursrat des zukünftigen ESM sein wird (vgl. Artikel 5 des ESM-Vertragsentwurfs).Im besten Falle - von dem ich ausgehen möchte - werden die Aktivitäten von EFSF und ESM den deutschen Steuerzahler keinen Cent kosten."
Glauben Sie noch, dass die Euro-"Rettungsschirme" den deutschen Steuerzahler keinen Cent kosten?
Wieso bleibt das Budgetrecht des Bundestages gewahrt, nur weil die Bundesregierung durch im Gouverneursrat vertreten sein wird? Würden Sie dem Finanzminister auch sonst, und sei es "nur" für vier Jahre, auch so pauschal genehmigte umfassende Rechte einräumen?
Die Verpflichtungen im ESM sind nicht zeitlich begrenzt und NIE MEHR kündbar. Hier geht der Bundestag nicht abschätzbare Verpflichtungen ein. Halten Sie das für verfassungsgemäß?
Mit dem Stabilitätspakt geben die Mitgliedsstaaten demokratische Rechte in der Zukunft (Kontrolle über Haushalte) an Kommission und Ministerrat ab, die dann ohne Parlamente entscheiden können. Es ist darüber hinaus unwahrscheinlich, dass alle Mitgliedsländern rechtsverbindlich und auf Dauer zustimmen. Aber Deutschland soll, entschieden vom Bundestag, schon vorher unkündbare Haftungs- und Zahlungsverpflichtungen eingehen. Wie stehen Sie dazu?
2011 war "die Beurteilung des Gesetzgebers, dass die Gewährleistungsermächtigungen in Höhe von insgesamt rund 170 Miliarden Euro für den Bundeshalt tragbar seien". JETZT haftet Deutschland laut IFO-Instituts bereits mit 666 Mrd. € für die Euro-Rettung! Der ESM soll nun zusätzlich kommen. Halten Sie das, welche Haftungssume maximal, für vertretbar?
Sehr geehrter Herr Schlottbom,
Kanzlerin Merkel hatte versprochen, dass der Haftungsrahmen für den ESM nicht über 211 Milliarden Euro hinaus gehen soll. Längst ist aber klar, dass dieses ESM-Volumen nicht ausreicht. Der deutsche Haftungsrahmen soll nun auf 280 Milliarden Euro erhöht wird. Das ist ein klarer Bruch der Versprechen der Kanzlerin, die seit nunmehr zwei Jahren versucht, der europäischen Schuldenkrise Herr zu werden.
Europas Weg aus der Krise führt nicht allein über Sparen. In Spanien, Griechenland, Portugal beträgt die Jugendarbeitslosigkeit fast 50 Prozent. In Deutschland gibt es jedes Jahr 70.000 Schulabbrecher. Deshalb ist eine reine Sparpolitik unsozial. Stattdessen brauchen wir ein wirksames Programm gegen die bedrückende Jugendarbeitslosigkeit in Europa und ein soziales Europa, das die Menschen im Alltag erleben können. Wie ein soziales Europa der Zukunft aussieht, habe ich auch in der Bundestagsdebatte ausgeführt - meine Rede finden Sie unter http://dbtg.tv/fvid/1694998 .
Deutschland hat ein nationales Interesse, solidarisch zu sein. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden. Denn „Not frisst Demokratie“, hat Peer Steinbrück gesagt. Solidarität ist wichtig, um die Stabilität unserer gemeinsamen Währung zu sichern. Solidarität ist aber keine Einbahnstraße.
Ob die SPD dem ESM und dem Fiskalpakt zustimmt, ist noch nicht entschieden. Die SPD hat eine Reihe von Forderungen, insbesondere eine Finanzmarktsteuer, mit der Investitionen in neues Wachstum finanziert werden. Näheres zu unseren Forderungen finden Sie unter http://www.spd.de/linkableblob/72310/data/20120515_wachstumspakt.pdf - dort haben Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück dargestellt, wie der „Weg aus der Krise“ aussehen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Griese