Frage an Katrin Schmidberger von Chris C. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Schmidberger,
Für 2. Quartal 2021 hat das Bundesverfassungsgericht angekündigt über den Mietendeckel entscheiden zu wollen. Sämtliche Gutachten, u.a. selbst das von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebene, halten mindestens den aktuellen Eingriff der Mietsenkung für nicht verfassungskonform.
Sprich im nächsten Jahr werden Hunderttausende mitten in der Corona Krise ihre Miete mit großer Wahrscheinlichkeit nachzahlen müssen. Zwar wurde empfohlen, das Geld zu sparen, aber das werden sicher nicht alle gemacht haben. Wie wird diesen Menschen geholfen? Wird am Ende Steuergeld dafür aufgewendet damit sie nicht auf der Straße landen? Gibt es hierfür Notfallpläne?
Warum wurde überhaupt dieser Eingriff vorgenommen, wenn jedes Gutachten davon abrät? Gerade in Zeiten von rechtem Populismus sollten demokratische Parteien vernünftige und nachhaltige Politik veranstalten. Ein Blick nach Hamburg zeigt, die Mieten lassen sich stabilisieren. Warum wurde nicht dieser Weg eingeschlagen, zeigt dieser doch Erfolg?
Und zuletzt: Werden die Grünen bei Ablehnung des Bundesverfassungsgerichts diese Entscheidung respektieren und den Fehler eingestehen oder letztendlich nur die CDU/FDP für die Klage den Buhmann zuschieben? Ich bin selbst Grünen Wähler, in Zeiten von Trump, Johnson und AfD schreckt mich aber jede Art von Populismus ab.
Sehr geehrter Herr C.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln), der sog. Mietendeckel, ist eine notwendige Maßnahme, um die schon seit 2008 galoppierenden Mieten und Spekulation zu begrenzen. In diesem Zeitaum sind in der Stadt die Grundstückswerte um 870 Prozent angestiegen und die Mieten haben sich mit 104 Prozent mehr als verdoppelt. Im Vergleich dazu stiegen die Einkommen nur um 24,7 Prozent. Einige Folgen dieser Entwicklung waren Verdrängung und soziale Spaltung.
Angesichts dieser Notlage mussten wir handeln. Als Rot-Rot-Grüne Koalition sind wir angetreten, um das Primat der Politik, einer gerechten Politik für das Allgemeinwohl wiederherzustellen. Das Grundrecht auf Wohnen für alle Berlinerinnen und Berliner im Allgemeinen und das Mietendeckelgesetz im Speziellen sind wichtige Teile davon. Mit dem Gesetz schaffen wir zudem mehr Spielraum für den Neubau von preiswerten Wohnungen und die Neuausrichtung der Berliner Wohnungspolitik hin zu einer starken gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft.
In den kommenden Monaten wollen wir auch ein Miet- und Wohnungskataster einführen, mit dessen Hilfe zukünftig der Wohnungsbestand und die Miethöhen usw. in ganz Berlin transparenter werden. Das Miet- und Wohnungskataster wird auch die Grundlage für die Berechung der ortsüblichen Vergleichsmiete bilden sowie in vieler Hinsicht die planerische und administrative Arbeit erleichtern.
Von der Ankündigung bis zur Verabschiedung des Berliner Mietendeckels gab es eine Vielzahl von Gutachten. Zwar stellen einige die Verfassungskonformität infrage, genauso viele sprechen jedoch dem Land Berlin die Gesetzeskompetenz zu oder äußern keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Gerade das von Ihnen erwähnte Gutachten von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Fischer-Lescano/Gutmann/Schmid vom Dezember 2019) stellt bezüglich der Mietpreisabsenkung fest: "Eine Mietpreisabsenkung, wie sie in § 5 des E-MietenWoG Bln ermöglicht wird, ist weder vom Bundesrecht ausgeschlossen noch diesem gegenläufig. Der Landesgesetzgeber hat dementsprechend auch hier die Kompetenz, eine Vorschrift zur Mietpreisabsenkung einzuführen."
Alles in allem betreten wir mit diesem Gesetz juristisches Neuland. Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern haben wir nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und besonders wir Grüne darauf geachtet und dafür gesorgt, dass das Gesetz verhältnismäßig und rechtsicherer wird. Auch aus diesem Grund gehe ich von einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus. Sollte jedoch das Bundesverfassungsgericht Teile des Gesetzes als änderungsbedürftig oder sogar für nichtig erklären, werden wir sehr genau seine Argumente analysieren und ggf. das Gesetz den verfassungsrechtlichen Vorbehalten der Richterinnen und Richter folgend anpassen.
Wir wissen von vielen Mieter*innen, und sind auch davon überzeugt, dass die große Mehrheit der Mieter*innen verantwortungsbewusst handelt und die eingesparte Miete bis zur verfassungsrechtlichen Klarstellung zurückzulegen wird. Ein Nichtrespektieren von Gerichtsentscheidungen war hierzulande nie der Fall. Der Vergleich mit aktuellen Vorgängen in den USA ist aus diesem Grund sehr abwegig. Ganz unabhängig davon werden wir jedoch weiterhin die mieterfeindliche Politik von CDU/FDP kritisieren.
Letztendlich ist der Mietendeckel notwendig geworden, weil die unionsgeführten Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte jegliche politische Handlung in diesem Bereich unterlassen und somit dem Mietenwahnsinn oder Praktiken wie die Herausmodernisierung Tür und Tor geöffnet wurden.
Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass eine große Mehrheit der Bundesbürger*innen für die Einführung des Mietendeckels war. Hierzu zählt auch die Mehrheit der Anhänger*innen von Bündnis 90/Die Grünen.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Schmidberger