Frage an Katrin Schmidberger von Karola V. bezüglich Tourismus
Sehr geehrte Frau Schmidberger,
die Übernachtungssteuer City Tax bescherte dem Landeshaushalt 2015 Einnahmen von 42 Mio. Euro. Die neue touristische Vermarktungskampagne wird lt. Tagesspiegel aus dem Haushalt der Senatsverwaltung für Wirtschaft mit 600.000 Euro finanziert. Der Slogan heißt 365/24.
Die Einwohner der "Party-Stadtviertel" hadern schon heute mit den negativen Auswirkungen der "Nachtökonomie" auf ihre Wohngebiete. Die nächtl. Ruhestörung ist z.T. erheblich u. Lärm macht bekanntlich krank. Begleiterscheinung wie gestiegene Kriminalität, vermehrter Drogenhandel, Verwahrlosung u. Vermüllung kommen hinzu.
Alteingesessenes Kleingewerbe, anwohnerorientierte Nahversorgung wird durch touristische Kommerzialisierung verdrängt, es entstehen gastronomische Monostrukturen in den Quartieren.
Die Übernutzung des öffentlichen Raumes durch erhöhtes Besucheraufkommen wie z.B. Müll in Grünanlagen u. Spielplätzen stellt für die Bezirkshaushalte eine zusätzl. Belastung dar. Sträucher werden gerodet um Reinigung u. Ungezieferbekämpfung zu vereinfachen. Rindenmulch statt Artenvielfalt im städtischen Raum.
Die Mehrkosten für die notwendige Anhebung der Straßenreinigungsklassen muss von den Anliegern selbst bezahlt werden!
Gibt es Bestrebungen zu einer nachhaltigen, stadtverträglichen Tourismusentwicklung, sind dafür Mittel im Landeshaushalt vorgesehen?
Können Anwohner und Bezirke entlastet werden, indem die Umlage des zusätzl. Aufwandes nach dem Verursacherprinzip beurteilt würde?
25 Mio. Euro der City Tax fließen in den Landeshaushalt, darüber hinaus gehende Einnahmen sollen zu gleichen Teilen für Sport, Kultur und Tourismus aufgewendet werden.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die betroffenen Bezirke durch Einnahmen aus der City Tax zu fördern, damit Projekte u. Maßnahmen zur Lösung von Nutzungskonflikten u. zur Beseitigung der Folgeschäden finanziert werden können?
Ist Ihrer Fraktion die Problemlage bekannt und gibt es Vorschläge zur Lösung?
MfG,
Karola Vogel
Sehr geehrte Frau Vogel,
bitte entschuldigen Sie zunächst meine verspätete Rückmeldung. Leider gab es Probleme bei der Benachrichtigung über die von Ihnen gestellte Frage an mich. Gerne möchte ich aber trotz Verzögerung noch auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragenkomplexe eingehen, die sehr wichtige Punkte ansprechen.
Als Grüne Fraktion im Abgeordnetenhaus fordern wir seit Jahren vom Senat einen anderen Umgang mit dem Thema Tourismus. Anstatt immer neuer Besucher-Rekorde brauchen wird endlich ein Konzept für einen Kiez- und Anwohnerverträglichen Tourismus. Im Rahmen einer Veranstaltung der Berliner Morgenpost Ende April zu diesem Thema hat selbst Herr Kieker, Geschäftsführer von Visit Berlin, eingeräumt, dass es eine andere Ausrichtung im Tourismus-Bereich braucht. Leider ist im dafür zuständigen Senat bisher kein Umdenken erkennbar. Im Gegenteil: die besonders stark frequentierten Bezirke werden mit den Folgen weiterhin größtenteils alleine gelassen. Der Antrag der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zur Verwendung eines Teils der Einnahmen aus der City-Tax für z.B. zusätzliche öffentliche Infrastruktur, wurde im Rahmen der Haushaltsberatungen im vergangenen Herbst von SPD und CDU abgelehnt. Wir werden uns als Grüne weiterhin dafür einsetzen, dass sich das ändert und die Bezirke hier mehr Unterstützung durch das Land bekommen.
Ihren Vorschlag, Mittel aus der City-Tax in den betroffenen Bezirken einzusetzen, damit Projekte und Maßnahmen zur Lösung von Nutzungskonflikten und zur Beseitigung der Folgeschäden finanziert werden können, teile ich. Hier wurden auch insbesondere durch die Grünen BVV-Fraktionen entsprechende Vorschläge vorgebracht. Insbesondere in Friedrichshain-Kreuzberg wurden ähnliche Vorschläge gemacht, u.a. durch die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann.
Ebenso nicht nachvollziehbar ist es, dass die Anwohnenden für höhere Reinigungsklassen der BSR zahlen müssen, wenn diese aufgrund gestiegener Besucherzahlen notwendig werden. Hier ist unsere Position, dass dafür das Land - was von steigenden Tourismuszahlen durch steigende Einnahmen profitiert - aufkommen soll. Die entsprechenden Änderungen, die dafür notwendig wären, könnte der Senat jederzeit beschließen und auf den Weg bringen.
Abschließend möchte ich noch kurz auf den Punkt der Gewerbestrukturen eingehen. Sie haben Recht, es ist zunehmend eine Verdrängung kleinteiliger und vielfältiger Gewerbestrukturen festzustellen. Hierbei spielt auch die Ausrichtung auf touristische Angebote eine Rolle. Als Grüne Fraktion auf Landesebene haben wir kürzlich einen Antrag eingebracht, der sich diesem Thema widmet (Drucksache 17/2850 - Für bezahlbare Gewerbemieten in Berlin: Vielfältige Gewerbestrukturen und soziale Infrastruktur in den Stadtteilen und Kiezen schützen). Aber auch immer mehr soziale Träger, Vereine, Kitas oder Kinderläden haben Schwierigkeiten, noch bezahlbare Flächen zu finden oder ihre bestehenden Räume weiter zu finanzieren. Zu einer wachsenden Stadt gehört aber nicht nur neuer Wohnraum, sondern auch eine entsprechende Infrastruktur. Umso wichtiger ist es, dass endlich geeignete Maßnahmen eingeleitet werden, um die vielfältigen Gewerbestrukturen und die soziale Infrastruktur in der Stadt zu schützen. Wir fordern in unserem Antrag daher u.a. die Ausweitung des Milieuschutzes auch für Gewerbe und soziale Infrastruktur sowie ein Bündnis für bezahlbare Gewerbemieten in Berlin. Die Drucksache mit unseren weiteren Vorschlägen finden Sie unter: http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-2850.pdf
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen soweit beantworten und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
Katrin Schmidberger