Frage an Katja Suding von Ottmar M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Frau Suding,
in einem Antrag an den Bundestag vom 8.5.19 behauptet die FDP-Fraktion, Russland führe Krieg in der Ukraine und liefere Nachschub für die Volksrepubliken. Welcher OSZE-BERICHT bestätigt diese Behauptung? Wer verletzt überhaupt den Waffenstillstand? Wo schlagen die Geschosse ein? Kann es sein, dass die meisten Geschosse auf dem Gebiet der Volksrepubliken einschlagen? Über welche DETAILLIERTEN Kenntnisse verfügen Sie hier?
Kern des FDP-Antrages ist die Forderung, Minsk II komplett durch ein UN-Mandat zu ersetzen. Warum sollten die Volksrepubliken und Rußland darauf eingehen?
Ist es jetzt üblich, dass die USA, die EU, die NATO Verträge nicht einhalten, die ihren Interessen hinderlich sind? Oder wie verhält es sich neben Minsk II mit dem Atomabkommen mit dem Iran? Das ist immerhin durch die UN-Resolution 2231 völkerrechtlich verbindlich! Oder wie sieht es mit den Sanktionen der USA und der EU und deren Handlungen gegen Venezuela aus? Wie sind die mit dem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, welches in der UN-Charta verankert ist, vereinbar?
Weiterhin wird im FDP-Antrag die Verstärkung der russischen Truppen an der Westgrenze kritisiert. Soll die Bundesregierung etwa der russischen Regierung vorschreiben, wo die ihre Truppen zur Abwehr eines NATO-Angriffes stationiert? Das Handelsblatt berichtet am 23.12.17 von US-Ausbildern in der Ukraine. Gem. 10. des Abkommens von Minsk dürfen sich in der Ukraine keine ausländischen bewaffneten Einheiten aufhalten. Sind es somit nicht die USA, die Minsk II blockieren, in dem sie bewaffnete Einheiten in der Ukraine unterhalten? Oder soll mit dem Antrag der FDP der Aufenthalt von US- und anschließend NATO-Truppen in der Ukraine legalisiert werden? Abschließend die Frage, gestatten Sie Russland eine eigene Beurteilung seiner Sicherheitsinteressen oder bestimmt der Westen über die russischen Sicherheitsinteressen?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an unserem Antrag "Neuer Impuls für Frieden in der Ukraine".
Die OSZE berichtet fast täglich und detailliert über Verstöße gegen den Waffenstillstand, der in den Minsker Vereinbarungen verhandelt wurde. Nach dem Mandat der OSZE, deren Mitglied auch Russland ist, dient die OSZE ausschließlich der Beobachtung und darf keinerlei politische oder militärische Schuldzuweisung vornehmen. Dennoch lässt sich aus den Berichten schließen, dass sowohl Separatisten als auch das ukrainisches Militär regelmäßig in Kampfhandlungen involviert sind. Diese Reporte sind öffentlich einsehbar, zum Beispiel https://www.osce.org/ukraine-smm/reports. Zudem gibt es zahlreiche Berichte, die die Einschränkung des OSZE-Mandats durch bewaffnete Aufständische der "Volksrepubliken" bezeugen, beispielsweise https://www.spiegel.de/politik/ausland/ostukraine-osze-drohne-abgeschossen-kritik-aus-berlin-und-paris-a-1236355.html, https://www.welt.de/politik/ausland/article136800724/OSZE-Chef-ist-Behinderung-durch-Separatisten-leid.html und https://www.deutschlandfunk.de/osze-im-ukraine-konflikt-neutrale-beobachter-unter-feinden.1773.de.html?dram:article_id=343255.
Die Aktivitäten russischer Militärs sind ebenso gründlich belegt. Mehrere russische Zeitungen, wie die „Pskowskaja Gubernija“, berichten über Trauerfeiern für in der Ukraine gefallene Soldaten. Die umfangreichste Analyse hierzu liefert der US-amerikanische Think Tank Atlantic Council, der zahlreiche öffentlich zugängliche Beweismittel für russische Aktivitäten in der Ostukraine gesammelt hat. Der Bericht „Hiding in Plain Sight“ basiert auf Medienberichten, Bildern und Videos aus YouTube sowie VKontakte – dem russischen Facebook. Er stellt zudem fest, dass nicht nur beurlaubte russische Soldaten, sondern auch aktive Truppen in der Ukraine im Einsatz sind. Und dass diese ihre Herkunft verschleiert haben, indem sie ihre Hoheitsabzeichen und Namensschilder entfernten oder abdeckten. Ein Blick in das Waffenarsenal der ukrainischen Armee im Frühjahr 2014 zeigt auch, dass ein Großteil der Waffen, die derzeit in der Ostukraine zum Einsatz kommen, nicht aus Beständen des ukrainischen Staats stammen kann. Das Internationale Aufklärungsteam zum Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges 17 (MH 17) hat zudem offengelegt, dass die Boeing von einer russischen Buk-Rakete getroffen wurde, die für einen Tag aus Russland in die Ostukraine verlegt worden war.
Die Minsker Vereinbarungen sind - anders als eine Vielzahl an Resolutionen des UN-Sicherheitsrates - völkerrechtlich nicht bindend. Unser Antrag "Neuer Impuls für Frieden in der Ukraine" geht daher auch bewusst auf die aus unserer Sicht bestehenden Schwachstellen ein. Dazu zählen wir u.a. fehlende Konsequenzen für die Missachtung der Maßnahmen in Minsk und die fehlende Priorisierung der Maßnahmen. Denn nur in einer sicherheitspolitisch stabilen Situation sind politische Reformen möglich. Unserer Ansicht nach ist dafür eine umfangreiche UN-Blauhelmmission nötig, die die russisch-ukrainische Grenze kontrolliert, illegale Grenzübertritte vermeidet und den Waffenstillstand sowie die vorgegebene Entflechtung und Abrüstung der Region umsetzt.
Wir Freien Demokraten achten das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Nationen sowie insbesondere die territoriale Souveränität. Russische Sicherheitsinteressen sind davon gänzlich unberührt. In Anbetracht der offensiven Handlungen Russlands gegen die souveräne Ukraine nach 2014, zuletzt den massiven Eingriff in das Staatsangehörigkeitsrecht durch Präsident Putin sowie die militärische Attacke gegen ukrainische Patrouillenboote im Asowschen Meer und die ebenfalls völkerrechtlich illegale Inhaftierung von 23 ukrainischen Soldaten in Russland, sollte unser aller Fokus auf den Sicherheitsinteressen der Ukraine und Europas liegen, nicht alleinig auf denen eines Staates mit einer expansiven, militaristischen und aggressiven Außenpolitik.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort helfen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Suding