Frage an Katja Suding von Pierre B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Suding,
für mich sind bei dieser Bundestagswahl folgende Themen wahlentscheidend:
1. Die Situation in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist katastrophal: Die derzeitige personelle Situation lässt eine menschenwürdige Versorgung nicht mehr zu. Sie gefährdet Patienten und Angestellte massiv. Die geplanten und über einen viel zu lange andauernden Prozess diskutierten Maßnahmen (generalisierte Ausbildung, Personalschlüssel auf Intensivstationen...) sind nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein und werden absolut gar nichts an der aktuellen Lage ändern. In meiner Wahrnehmung wird das Problem totgeschwiegen oder verharmlost. Im Zweifelsfall werden Krankenhäuser für die Zustände verantwortlich gemacht.
Ich bin sprachlos, wie dieses grundlegende und alle Bürger betreffende, über unzählige Jahre verschleppte Problem vernachlässigt wird. Was werden Sie tun, um den nächsten Bundestag wachzurütteln?
2. Soziale Gerechtigkeit: Die Kluft zwischen arm und reich ist aus meiner Sicht erschreckend groß geworden. Sehen Sie Änderungsbedarf und wenn ja: Wie wollen Sie etwas ändern?
Vielen Dank für Ihr Engagement in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Ich freue mich auf kurze und prägnante Antworten - Fakten zählen!
Mit freundlichen Grüßen
P. B.
Sehr geehrter Herr B.,
ich bitte um Verständnis: Ihre kurz gestellten Fragen bedürfen doch einer etwas ausführlicheren Antwort, um ihnen hinreichend gerecht zu werden.
Zur auskömmlichen Ausstattung und Finanzierung der Krankenhäuser haben wir Freie Demokraten bereits 2015 einen dezidierten Vorschlag unterbreitet:
Die Bundesländer werden verbindlich verpflichtet, einen Investitionssatz von acht Prozent des jährlich neu festgelegten individuellen Krankenhausbudgets zu finanzieren. Nach dem liberalen Grundsatz der angebotsorientierten Anreizpolitik übernimmt der Bund eine Teilfinanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser unter der Voraussetzung, dass die Länder ihrerseits ihren Finanzierungverpflichtungen nachkommen. Dabei soll eine Finanzierungsquote des Bundes von einem Viertel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets nicht unterschritten werden.
Gleichzeitig sollte bei Erreichen einer bestimmten Qualitätsstufe eine zusätzliche Finanzierung der Investitionskosten der Länder durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen erfolgen; denn dadurch erhält der Patient eine verbesserte Versorgungsqualität, wodurch weitere Behandlungskosten reduziert werden können. Hierbei soll eine Finanzierungsquote der Versicherungen von einem Achtel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets nicht unterschritten werden. Ein Mitspracherecht der Krankenversicherungen bei den Behandlungsabläufen muss unterbleiben.
Bei der Festlegung und Erfassung von Qualitätsstufen (wie z. B. Infektionsrate, Komplikations-rate, Rückkehrrate) müssen auch die Zeiträume nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus mitberücksichtigt werden.
Nicht oder nicht sachgerecht vergütete Extremkostenfälle und nicht absehbare, neuartige oder seltene Ereignisse wie die EHEC‐Krise oder die Behandlung von Kriegsopfern soll mit einer Art „Zusatz‐DRG“, übergangsweise nach Tagessätzen, vergütet werden. In der Vergangenheit blieben die Krankenhäuser oft auf diesen Kosten sitzen.
Neue gesetzlich vorgeschriebene (Qualitäts-)Anforderungen müssen zusätzlich finanziert werden. Das gilt ebenso für den niedergelassenen Bereich.
Was die Frage der Sozialen Gerechtigkeit betrifft, haben wir auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Lösungsvorschlägen gemacht.
Die „Schere zwischen Arm und Reich“ ist eine nur bedingt aussagekräftige Größe, wenn es darum geht, die Lebenslagen in Deutschland zu bestimmen. Selbst wenn über Nacht alle Menschen in Deutschland doppelt so viel verdienen würden, gälten noch ebenso viele Menschen als arm.
Wir Freie Demokraten wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder einen fairen Anteil an den Wachstums- und Wohlstandsgewinnen haben. Seit mehr als zehn Jahren ist die Steuer- und Abgabenquote kontinuierlich angewachsen. Die wirkliche Schere öffnet sich zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat: Das Lohnniveau stieg von 2005 bis 2015 um 23 Prozent; das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden erhöhte sich dagegen im gleichen Zeitraum um fast 50 Prozent.
Von Wachstums- und Wohlstandsgewinnen darf nicht allein der Staat profitieren. Wir wollen die Balance zwischen Privat und Staat wiederherstellen und deshalb die übermäßige Umverteilung von Privat zu Staat beenden. Dabei halten wir ein Entlastungsvolumen von mindestens 30 Milliarden Euro für eine angemessene Zielgröße – gerade vor dem Hintergrund des von der Steuerschätzung vorhergesagten zusätzlichen Steueraufkommens von mehr als 110 Milliarden Euro bis zum Ende der Wahlperiode 2021.
Wir Freie Demokraten wollen einen fairen Tarif bei der Einkommensteuer. Heute steigt die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen besonders schnell an. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht. Ein Durchschnittsverdiener darf nicht fast schon den höchsten Steuersatz zahlen. Deshalb wollen wir den Tarif „nach rechts verschieben“, sodass der jeweils nächste Steuersatz erst bei einem höheren Einkommen steigt. Den sogenannten Mittelstandsbauch wollen wir abflachen und so einen leistungsgerechteren Tarif gestalten. Die Einführung neuer Steuern – wie etwa der Vermögensteuer oder Finanztransaktionssteuer – lehnen wir ab.
Zur Frage sozialer Gerechtigkeit gehören auch Kitas, Schulen und Hochschulen. Denn vergleichbare Chancen und beste Bildung sind die beste Sozialpolitik überhaupt. Jedes Kind hat Talente – diese gilt es zu erkennen und zu fördern. In Deutschland ist der Bildungserfolg leider immer noch zu abhängig vom Elternhaus. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass jährlich rund 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss beenden. Um die Probleme der Bildungspolitik zu beenden, setzen wir auf die Abschaffung des Kooperationsverbots. Der Staat muss sich an den dringend notwendigen Investitionen für mehr und bessere Lehrer, eine Sanierung von Schulbauten und die Digitalisierung der Bildung in Lehr- und Lernformaten beteiligen. Mit einheitlich gestellten Abschlussprüfungen sollen zudem Schulabschlüsse in Deutschland vergleichbarer werden. Dafür setzen wir auf einheitliche Bildungsstandards, ohne eine Angleichung nach unten.
Viele Grüße
Katja Suding