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Katja Leikert
CDU
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Frage von Ernest G. •

Frage an Katja Leikert von Ernest G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Leikert,

der Türkei wurde ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, was Fortschritte als Beitrittskandidat für die EU, Menschenrechte und Pressefreiheit anbelangt, und, doch trotzdem hält man an einem EU-Beitritt der Türkei fest. Da passt doch was nicht zusammen. Oder?

Da frage ich mich: Wieso will man so unbedingt an den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei festhalten, obwohl sich Erdogan immer mehr von der EU entfernt?

Das ergibt für mich einfach gar keinen Sinn!

Oder, will man Erdogan unbedingt in der EU haben?

Und, wieso hat es immer noch den Anschein, die EU-Kommission und die Bundesregierung, allem voran Merkel, kuschen weiter vor Erdogan?

Und: Merkel hat einerseits die türkischen Einsätze im nordsyrischen Afrin verurteilt, andererseits aber, liefert Deutschland anscheinend immer noch Rüstungsgüter in die Türkei. Zumindest hat der ausgeschiedene Außenminister Gabriel sein Segen dafür gegeben, kurz nach Yücels Freilassung!

Auch das passt irgendwie nicht zusammen. Oder?

Und: Erklären Sie mir bitte: Wieso müssen wir mit unseren Steuergeldern weiterhin für Erdogan und seine repressive Regierung aufkommen? Warum werden jegliche finanzielle Hilfen für Erdogan und seine AKP-Regierung nicht eingestellt?

Und, warum wird der Islamverband Ditib, Erdogans langer Arm in Deutschland, nicht auch durch die Bundesregierung kritisch gesehen?

Und: Warum hat man nicht gleich die EU-Außengrenzen gesichert? Warum kam es stattdessen zum Flüchtlingspakt mit der Türkei?

Ich, als Steuerzahler, habe schlicht und ergreifend keine Lust mehr für Erdogan aufzukommen!

Ich finde, niemand soll mehr mit unseren Steuern dafür aufkommen müssen, dass dem Erdogan weiter Milliarden von Euro in den Rachen geschmissen wird!

Ich würde mich sehr auf Ihre Stellungnahme dazu freuen!

Mit freundlichen Grüßen

E. G.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr G.,

die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan ist heute weiter als je zuvor von europäischen Werten und den demokratischen Standards der Kopenhagener Kriterien entfernt: Institutionelle Stabilität, eine demokratische, rechtsstaatliche Grundordnung unter Wahrung der Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten sind allesamt derzeit in der Türkei nicht gewahrt.

Bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit gibt es bei uns keinen Rabatt und keine Kompromisse. Eine baldige Beendigung des Ausnahmezustands und die zügige Freilassung von inhaftierten Journalisten sowie Abgeordneten wären erste dringend notwendige Schritte zur Befriedung im Innern der Türkei und zugleich auch ein wichtiges Signal nach außen. Die massenhaften Verhaftungen und die oft monatelange Untersuchungshaft ohne rechtsstaatliche Verfahren sind aufs Schärfste zu verurteilen. Wir verlangen die umgehende Freilassung insbesondere deutscher Staatsbürger.

Zu den Ergebnissen des Fortschrittsberichts:

Es ist richtig, dass die Europäische Kommission der Türkei in ihrem Fortschrittsbericht vom April 2018 nur ein mäßiges - in einigen Bereichen unzureichendes - Zeugnis ausgestellt hat. Andererseits ist anzuerkennen, dass sich die Türkei im Bereich Migration an die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei vom März 2016 hält und insgesamt große Anstrengungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen unternommen hat. So stellt die Kommission auf Seite 3 ihres letzten Fortschrittsberichtes fest: "Die Türkei unternahm weiterhin herausragende Anstrengungen, um massive und beispiellose humanitäre Hilfe und Unterstützung für mehr als 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge und etwa 365 000 Flüchtlinge aus anderen Ländern zu leisten. Die Türkei und die EU haben weiter auf der fruchtbaren Zusammenarbeit im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei aufgebaut. Bis Ende Dezember 2017 waren sämtliche Mittel (3 Mrd. EUR) für insgesamt 72 Projekte vertraglich vergeben worden und 1,2 Million der bedürftigsten Flüchtlinge hatten monatliche Bargeldleistungen erhalten."

Außerdem sind auch immer die Folgen eines einseitigen Abbruchs der Beitrittsverhandlungen abzuwägen. Ein Abbruch seitens der EU könnte der Türkei den Vorwand liefern, mit Europa zu brechen und dabei wie schon oft zuvor mit dem Finger auf die EU zu zeigen und dort die Verantwortlichen zu suchen. Wir sollten vielmehr deutlich machen, dass es weitere Verhandlungen nur geben kann, wenn insbesondere die Menschenrechte und die Religionsfreiheit in der Türkei geachtet werden. In dieser zentralen Frage wird sich zeigen, ob die Türkei endgültig Europa den Rücken kehrt.

Im Übrigen legt der EU-Verhandlungsrahmen für die Türkei in Artikel 5 fest, wann eine Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche in Betracht kommt: „Erfolgt in der Türkei eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der für die Union grundlegenden Werte der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, so wird die Kommission von sich aus oder auf Antrag von einem Drittel der Mitgliedstaaten die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen und die Bedingungen für eine mögliche Wiederaufnahme vorschlagen.“ Damit würde dann auch ein Einfrieren der Vorbeitrittshilfen einhergehen.

Zur Rüstungsexportpolitik und dem Einsatz der Bundesregierung für in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger:

Lassen Sie mich hierzu anmerken, dass ich als Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht in interne Entscheidungen der Bundesregierung über Rüstungsexporte oder auch diplomatische Verhandlungen zur Freilassung Deutscher, die in der Türkei inhaftiert sind, eingebunden bin. Nach meiner Wahrnehmung bemüht sich die Bundesregierung aber auf allen Ebenen um die Freilassung in der Türkei inhaftierter deutscher Staatsbürger.

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall anhand konkreter Ausfuhranträge. Dabei werden außen- und sicherheitspolitische Erwägungen einbezogen. Auch die Beachtung der Menschenrechte ist dabei von besonderer Bedeutung.

Zu Ditib:

Angesichts von mehr als 3 Mio. Menschen türkischer Herkunft, die in unserem Land zu Hause sind, ist die Türkei natürlich immer auch ein wichtiger Teil der deutschen Innenpolitik. Jungen türkischstämmigen Menschen müssen wir zeigen, dass sie bei uns willkommen sind und viele Chancen haben. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich immer dafür eingesetzt, den Einfluss der Religionsbehörde Diyanet sowie der rund 900 DITIB-Moscheevereine in Deutschland zurückzudrängen. Insbesondere dürfen wir keine Spitzeltätigkeit durch DITIB-Mitarbeiter dulden. Des Weiteren sind unsere Sicherheitsbehörden auch nicht der verlängerte Arm der türkischen Sicherheitsbehörden. Asylsuchende aus der Türkei in Deutschland genießen den Schutz des deutschen Asylrechts, das nicht verhandelbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Leikert

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