Frage an Katja Leikert von Philipp H.
Guten Tag Frau Leikert,
ich bin ein politikinteressierter Schüler und erhoffe mir durch diese Plattform ein paar Antworten auf meine Fragen zu erhalten, vorzugsweise in ein paar wenigen Sätzen, da ich auch sonst nicht weiß wie/ wo/ wann man sonst diese Gelegenheit hat.
Mich interessiert Ihre Meinung in 3 konkreten Fällen:
-16.10.2015 JA zur Vorratsdatenspeicherung: Sehen sie in der Vorratsdatenspeicherung keinen gravierenden Eingriff in die Privatssphäre der Internetnutzer?
-25.09.2014 NEIN zur Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA: Auch hier stellt sich mir die Frage ob nicht die Gefahr besteht, dass durch solche Schiedsgerichte nicht in Zukunft die Konzerne, diejenigen sind, die die Politik machen und nicht mehr die Politiker.
-22.05.2015 NEIN zum Änderungsantrag zum Gesetz zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner: Hier interessiert mich, warum sie dagegen gestimmt haben und Ihre generelle Meinung zur gleichgeschlechtlichen Ehe.
Ich würde mich sehr über eine Antwort ihrerseits freuen und verweile mit freundlichen Grüßen
Philipp Hadermann
Sehr geehrter Herr Hadermann,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Gern gebe ich Ihnen zunächst einige wichtige Informationen zur befristeten Speicherung von Verbindungsdaten (Vorratsdatenspeicherung):
Das Gesetz verpflichtet Telekommunikationsunternehmen dazu, die bei Ihnen anfallenden Verbindungsdaten zehn Wochen lang auf einem in Deutschland befindlichen Server zu speichern, wobei dieser Server über keinerlei Internetverbindung verfügen darf. Nach Ablauf dieser zehn Wochen müssen die Daten gelöscht werden. Zugriff auf diese 10 Wochen lang gespeicherten Daten erhalten die Ermittlungsbehörden nur zur Aufklärung bestimmter schwerer Straftaten - wie zum Beispiel Mord, Totschlag, Kinderpornographie - und nur auf Grundlage einer richterlichen Anordnung. Für eine Frist von vier Wochen müssen die Anbieter auch die zu Beginn des Gesprächs ohnehin anfallenden Funkzellenangaben speichern. Mit Ablauf dieser Frist müssen auch diese Daten gelöscht werden.
Welche Internetseiten ein bestimmter Nutzer aufruft, wird nicht gespeichert. Andersherum gilt: ist wegen der genannten schweren Straftaten eine Seite im Visier der Fahnder (etwa die von Anbietern von Kinderpornographie), so können in einem solchen Fall die IP-Adressen ermittelt werden, mit denen auf diese Seite zugegriffen worden ist. Dies gibt dann Hinweise, mit denen der tatsächliche Nutzer oft identifiziert werden kann. Voraussetzung ist aber auch hier die Anordnung durch ein Gericht. Absender- und Adressdaten des Emailverkehrs werden generell nicht gespeichert.
Im Rahmen der Speicherung von Verbindungsdaten werden weder Telefonate noch deren Inhalte oder Emails oder deren Inhalte gespeichert. Erfasst werden nur die rein technischen und zeitlichen Bedingungen am Zustandekommen einer Telekommunikation. Wenn Ermittlungsbehörden auf richterlichen Beschluss hin auf die Verbindungsdaten zugreifen dürfen, sind die Bürger, denen diese Daten zugeordnet werden können, zu informieren. Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern sind besonders geschützt. Auf die Verbindungsdaten der Berufsgeheimnisträger - wie zum Beispiel Rechtsanwälte, Ärzte- darf nicht zugegriffen werden.
Die Abrufbarkeit der bei den Providern befristet gespeicherten Daten trägt der Tatsache Rechnung, dass die Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen in nahezu allen Kriminalitätsbereichen eine außerordentlich große Rolle spielt. In vielen Gesprächen mit den Praktikern aus Justiz und Ermittlungsbehörden und bei den Anhörungen des Bundestages hat sich herauskristallisiert, dass die Verbindungsdaten zur Aufklärung von Straftaten ganz wesentlich beitragen können, weil sie u.a. Einblicke geben, mit wem Täter und Opfer Kontakt hatten. Auch mögliche Zeugen schwerer Straftaten können so ermittelt werden. Bei vielen schweren Taten gibt es oft gar keinen anderen Ermittlungsansatz. Auch wenn es Umgehungsmöglichkeiten gibt: in vielen Fällen resultieren daraus entscheidende Hinweise, die dann zusammen mit anderen Tatsachen die notwendigen Beweise zur Aufklärung von Straftaten ermöglichen. Wie bei allen anderen Ermittlungsmöglichkeiten so kommt auch die Bewertung der durch die Datenabfrage gewonnenen Erkenntnisse allein den Richtern und Staatsanwälten zu.
Mit dem neuen Gesetz zur befristeten Speicherung von Verbindungsdaten stärkt die Bundesregierung die Möglichkeit des Staates, seine Bürger zu schützen und Straftaten aufzuklären. Einen Missbrauch der gespeicherten Verbindungsdaten verhindern sehr hohe rechtliche und technische Sicherheitsvorkehrungen. In der Zeit, als es diese Speicherpflicht für einige Jahre in Deutschland bereits gab, hat es keinen bekannten Fall von Missbrauch gegeben.
Das Gesetz entspricht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof an den Gesetzgeber gestellt haben. Gegner der befristeten Speicherpflicht von Verbindungsdaten behaupten mitunter, diese Daten trügen nicht zur Aufklärung von Verbrechen bei. Hierbei berufen sie sich vor allem auf eine Studie des Max-Planck-Institutes. Von dieser Studie liegt bedauerlicherweise nur eine zweite, abgeänderte Fassung vor. Die erste Version hat die damalige Auftraggeberin, Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, eine erklärte Gegnerin der Speicherpflicht, leider nicht herausgegeben. Weitere Kritikpunkte gegen die Aussagekraft dieser Studie ergeben sich aus ihrer unzureichenden Faktenbasis.
Die vielen Beispiele aus der Praxis, in denen die Ermittler künftig etwas bessere Möglichkeit haben werden gegen schwere Verbrechen vorzugehen, haben mich überzeugt, dass Deutschland mit der befristeten Speicherung von Verbindungsdaten ein Stück sicherer wird. Die Unschuldsvermutung bleibt dabei genauso gewahrt wie die Freiheitsrechte des Einzelnen.
Zu Ihrer Frage nach den Schiedsgerichten in TTIP und CETA:
Zum Thema Investitionsschutz und Schiedsverfahren in TTIP hat die EU-Kommission im Jahr 2014 eine breit angelegte öffentliche Konsultation durchgeführt, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichte, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Die Kommission hat auf dieser Basis gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ihre Verhandlungsposition erarbeitet und weitgehende Reformvorschläge gemacht. Eine Ablehnung der Schiedsgerichtsbarkeit im September 2014 wäre nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch völlig verfrüht gewesen. Es macht absolut keinen Sinn gegen etwas zu stimmen, über das zum selben Zeitpunkt noch verhandelt wird. Eine bloße Ablehnung von Inhalten, welche die Abgeordneten noch gar nicht kennen, entspricht für mich keiner verantwortungsvollen Politik.
Wer Investitionsschutz und Schiedsgerichtsbarkeit ablehnt, muss sich darüber im Klaren sein, dass Deutschland Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen hat, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-interne Abkommen. Diese Abkommen bleiben bestehen und damit auch die von vielen lauthals kritisierten Regelungen zu den Schiedsgerichten. TTIP und CETA bieten eine Chance zur Verbesserung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. Zu den Modernisierungsvorschlägen gehören u.a. klarere Regeln für die Zusammensetzung und Funktionsweise der Schiedsgerichte, die Qualifikation und Unabhängigkeit der Richter, das Verhältnis zum nationalen Rechtsweg und die Frage von Revisionsmöglichkeiten. Darüber müssen und werden wir weiter mit unseren transatlantischen Partnern sprechen. Wer einerseits auf die Schiedsgerichte schimpft und andererseits durch die Blockade der geplanten Abkommen eine Reform und Verbesserung der Schiedsgerichtsbarkeit verhindert, ist deshalb nicht glaubwürdig.
Darüber hinaus gilt grundsätzlich, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz können kein Klagerecht von Unternehmen begründen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Leikert