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Katja Keul
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Frage von Helmut S. •

Liegt bezogen auf die von Israel besetzten Gebiete nach Ihrer Ansicht eine hinreichend triftige Indizienlage für Apartheid i.S. des Völkerrechts vor?

Im Laufe des letzten Jahres haben insgesamt sechs renommierte Organisationen Berichte zu Apartheid in den von Israel beherrschten Gebieten vorgelegt. Diese sehen den Tatbestand der Apartheid erfüllt, entweder für Israel-Palästina insgesamt (BTselem und Amnesty International) oder beschränkt auf die besetzten Gebiete (Human Rights Watch, Yesh Din, UN-Menschenrechtsrat, IHRC Harvard Law School). Der Konsens dieser Berichte besagt also, dass mindestens in den besetzten Gebieten von Apartheid auszugehen ist. Deswegen die Einschränkung meiner Frage auf diese Territorien. Mit "hinreichend" meine ich u.a. eine Indizienlage, die Aktivitäten auslösen müsste, die sich nicht nur aus dem GG ergeben, sondern auch aus Verträgen [UN Convention against Racism (ICERD)], in denen sich Deutschland verpflichtet hat, Apartheid nicht nur im eigenen Land zu verhindern, sondern auch im Ausland mindestens zu verurteilen.

Oder sehen Sie auch in den besetzten Gebieten keine Indizienlage für Apartheid?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.

 

Israel und Deutschland verbindet eine tiefe Freundschaft. Die Sicherheit Israels ist in Deutschland aus gutem Grund Staatsräson. Gleichzeitig ist für uns Grüne klar, dass der israelische Siedlungsbau in den palästinensischen Autonomiegebieten, wie er aktuell betrieben wird, nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist.

Dies haben wir auch über die vergangenen Legislaturperioden immer wieder in Stellungnahmen deutlich gemacht und zuletzt 2020 den Antrag "Nahost-Friedensprozess – Zwei-Staaten-Regelung offen halten und vorantreiben“ eingebracht (Drucksache 19/20586).

Auch die Bundesregierung weist immer wieder darauf hin, dass sie den israelischen Siedlungsbau für nicht vereinbar mit dem Völkerrecht hält.

Wir Grüne halten die Zwei-Staaten-Lösung noch immer für die einzig realistische und international konsensfähige Option zur Beilegung des Konflikts. Deshalb setzten wir uns für eine Wiederaufnahme des Nahost-Friedensprozesses ein, um eine politische Lösung und ein friedliches Zusammenleben von zwei demokratischen Staaten zu ermöglichen.

Wir werden die Situation in den Palästinensischen Gebieten gegenüber unseren israelischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern auch zukünftig immer wieder klar benennen. Den Begriff Apartheid halte ich in diesem Kontext jedoch für problematisch. Er bezieht sich auf die konkrete historische Situation in Südafrika vor 1994. Der Vorwurf, das Verbrechen der Apartheid begangen zu haben, ist zudem eine sehr gravierende und weitreichende Anschuldigung und nach dem Römischen Status ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Unsere Erwartung an Israel ist, dass es seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere aus dem vierten Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen, in den besetzten Gebieten beachtet.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Keul

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