Wie stehen sie zu Ihrem Bundestagswahlprogramm? „Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten global mehr Sicherheit für alle.“ „Eine Stationierung neuer Mittelstreckenraketen ... lehnen wir ab.“ (S. 249)
Sehr geehrte Frau Keul,,
weiterhin: „Deutschland soll bei der politischen Entschärfung von Konflikten und in der zivilen Konfliktbearbeitung auf globaler Ebene eine treibende Kraft werden.“ (S. 245)
„ … Darüber hinaus wollen wir in der kommenden Legislaturperiode folgende Prozesse initiieren: eine internationale Initiative zur Reduzierung der Zahl von Atomwaffen, einen Verzicht der NATO auf jeden Erstschlag und eine breite öffentliche Debatte über die veralteten Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges. …“ (S. 250)
„Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen
Exporte von Waffen und Rüstungsgütern ... in Kriegsgebiete verbieten sich.“ (S. 250)
– Wie oft landen diese auch auf Umwegen dort?
Würde es nicht der Sicherheit und dem Wohlergehen unseres Landes und der Welt dienen, wenn dieser Teil Ihres Wahlprogramms von Ihrer Partei in Regierungsverantwortung weiterverfolgt und umgesetzt würde?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr G.,
Vielen Dank für Ihre Frage.
Als Grüne sind wir wie in unserem Bundestagswahlprogramm beschrieben überzeugt, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle global mehr Sicherheit für alle bedeuten. Gerade in Krisenzeiten, verlieren wir diese Ziele daher nicht aus den Augen. Deshalb ist Deutschland auch weiterhin ein aktiver Partner für weltweite Abrüstung und Rüstungskontrolle, der sich für die Stärkung bestehender internationaler Verträge und Vereinbarungen sowie für deren Weiterentwicklung einsetzt. Seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode hat Deutschland eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen eingenommen, etwa als Vorsitz der Ottawa-Konvention gegen Antipersonenminen, als Vorsitz der UN-Arbeitsgruppe zu konventioneller Munition sowie als Gastgeber der Konferenz zu Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf den Bereich der Massenvernichtungswaffen. Zudem nahm Deutschland seit grüner Regierungsbeteiligung als Beobachter an den Vertragsstaatenkonferenzen des Atomwaffenverbotsvertrags teil.
Da Deutschland nicht über eigene Atomwaffen verfügt, kann es auch keine eigenen Abrüstungsgespräche führen, sondern nur andere Initiativen unterstützen, wie bspw. den Vorschlag der USA, 2022 Abrüstungsgespräche in Genf zu initiieren. Leider wurde dieses wichtige Angebot durch den Angriffskrieg auf die Ukraine zerstört. Trotzdem hat die Biden-Administration auch danach weiter Angebote unterbreitet, die Deutschland ebenfalls begrüßt hat. In der aktuellen Sicherheitslage ist allerdings leider nicht mit neuen Abrüstungsgesprächen zu rechnen.
Zivile Konfliktbearbeitung bleibt weiterhin ein grünes Kernanliegen. Daher setzten wir weiterhin auf Entwicklungszusammenarbeit, faire Handelsbeziehungen, Diplomatie, Dialog und auch Abrüstungsbemühungen. Wir streben auch in dieser komplizierten gewordenen Welt danach, Konflikten vorzubeugen und bestehende Spannungen durch Verhandlungen, internationale Kooperation und den Einsatz ziviler Mittel zu lösen. So ist beispielsweise Außenministerin Annalena Baerbock im Rahmen ihrer Krisendiplomatie bereits viele Male in die Krisenregion im Nahen Osten gereist, um dort mit Israel, Palästinensern und weiteren Partnern in der Region über eine Waffenruhe und eine langfristige friedliche Lösung des Konflikts zu verhandeln. Auch im Sudan setzen wir uns für Zugänge für humanitäre Hilfe ein und unterstützen Ansätze für eine politische Lösung des Konflikts. Deutschland hat seit Beginn des Nahost-Konflikts ca. 290 Mio. Euro zusätzliche Mittel für die Palästinensischen Gebiete zur Verfügung gestellt und sich an der Versorgung durch die Luft beteiligt. Zudem unterstützt Deutschland auch durch die Vereinten Nationen auch die Polio-Impfkampagne. Für die Koordinierung vor Ort wurde vom Auswärtigen Amt eigens eine Sondergesandte für humanitäre Hilfe in der Region eingesetzt. Auch für die humanitäre Krise im Sudan hat Deutschland für das Jahr 2024 rund 244 Mio. Euro humanitäre Hilfe zugesagt und unterstützt damit auch die Anrainerstaaten, wie bspw. Tschad.
Ebenso stehen wir dazu, grundsätzlich keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete zu exportieren. Mit Blick auf die Ukraine sehen wir uns jedoch in der Verantwortung, sie in ihrem völkerrechtlich, nach Art 51 der UN-Charta, verbrieften Selbstverteidigungsrecht zu unterstützen und ein klares Zeichen zu setzen, dass autoritäre Regime ihre Macht nicht durch Gewalt und Unterdrückung ausbauen dürfen.
Mit Blick auf Israel sind Deutschlands Exporte seit Beginn des Krieges in Gaza deutlich zurückgegangen. Wie Sie aktuellen Berichten entnehmen können, handelt es sich bei den genehmigten Exporten hauptsächlich um sogenannte sonstige Rüstungsgüter und nicht um Kriegswaffen. Jede Rüstungsexportentscheidung unterliegt einer strengen gesetzlichen Prüfung. Dies haben auch der Internationale Gerichtshof in den Den Haag sowie das Berliner Verwaltungsgericht anerkannt, die daher Eilanträge gegen Deutschland wegen etwaigen Rüstungsexporten nach Israel abgewiesen haben.
Die beschriebenen aktuellen Krisen stellen uns vor komplexe Abwägungsfragen und schwierige Entscheidungen. Wir fühlen uns dabei zu jeder Zeit verpflichtet, die Sicherheit Europas, unserer Partner und unserer Bürgerinnen und Bürger mit Entschlossenheit vor Aggressoren zu schützen und uns gleichzeitig umfassend und tatkräftig weiterhin für diplomatische Konfliktlösung und Abrüstung weltweit einzusetzen.
Ich danke Ihnen für Ihre Frage und die Gelegenheit, Ihnen antworten zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Keul