Frage an Katja Keul von Herbert R. bezüglich Recht
Unternehmenseinfluss über dem Umweg der „unabhängigen“ Wissenschaft auf die Justiz?
Sehr geehrte Frau Keul,
dem BGH-Urteil zur Kündigung von Bausparverträgen http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kuendigung-von-bausparvertraegen-nicht-nur-verbraucherunfreundlich-sondern-falsch-1.3389514 sollten Diskussionen folgen.
Die BGH-Entscheidung geht auf eine Kommentierung von Prof. Peter O. Mülbert zurück.
Dessen Institut wird von der Finanz-Branche getragen: http://institut-kreditrecht.de/willkommen/traeger/
BGH-Richter Jürgen Ellenberger ist gern gesehener Gast auf Bank(Rechts)tagungen. Beispiel: https://www.fc-heidelberg.de/Upload/Seminare/Prospekt_15HeidelbergerBankrechtsTage_151003.pdf
Dort scheint er sich unter Vertretern der Finanzindustrie (auch der Bausparkasse Schwäbisch Hall) sehr wohl zu fühlen.
Richter Ellenberger scheint gleichzeitig gute Kontakte zu Prof. Mülbert zu pflegen. Offenbar mögen sich die beiden?
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kuendigung-von-bausparvertraegen-tag-der-entscheidung-fuer-bausparer.3c9b255d-3dce-4ecb-8c5c-2c4567dc29c8.html
All diese Informationen verwirren mich nun leicht! Funktioniert so etwa „demokratischer Rechtsstaat“? Wer führte hier Regie? Etwa interessierte Kreise / Lobbyisten?
Frau Keul: auf alle relevanten Bereiche unserer Gesellschaft erfolgt massive Einflussnahme durch Lobbyisten. Generell: bewerten auch Sie diese immer weiter zunehmende Einflussnahme kritisch? Falls ja, was tun Sie persönlich dagegen?
Spezieller Fall „Kündigung Bausparverträge“: nimmt auch Ihre Nase einen „Geruch von Fäulnis“ wahr? Ich werde diesen Geruch nicht mehr los....
Ihrer Rückantwort sehe ich mit sehr großem Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr darin zum Ausdruck gebrachtes Engagement in dieser Sache.
Das von Ihnen angesprochene, am 21. Februar 2017 vom Bundesgerichtshof (BGH) gefällte Urteil zum Kündigungsrecht von Bausparkassen im Falle von Bausparverträgen, die nach zehn Jahren Zuteilungsreife noch nicht in Anspruch genommen wurden, ist in der Tat umstritten. Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, „dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen“ ( http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2017&Seite=15&nr=77457&linked=pm&Blank=1 ).
Dass der in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommende § 489 BGB ( https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__489.html ) durchaus unterschiedlich ausgelegt werden kann, bezeugen die divergierenden Urteile der Vorinstanzen, aus welchen sich überhaupt erst der Klärungsbedarf durch den Bundesgerichtshof ergibt (vgl. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bgh-urteilt-ueber-bausparvertraege-fragen-und-antworten-zum-grundsatz-urteil.759c59f5-b5dc-402f-8f4f-32e4c8b34dd1.html ). Gleichwohl die Folgen für die Bausparer gravierend sind, zeugt die Heterogenität/Unterschiedlichkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen jedoch davon, dass die Gesetzeslage nicht eindeutig ist und beide Rechtsauffassungen erlaubt.
Vor diesem Hintergrund sehen wir als GRÜNE vielmehr den Gesetzgeber in der Pflicht, um derartige Interpretationsspielräume zu schließen und effizient und konsequent Verbraucherrechte zu stärken ( https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressestatements/2017/februar/nicole-maisch-und-dr-gerhard-schick-zum-urteil-bundesgerichtshofbauspar-altvertraege-21-02-2017.html ). Bereits vor dem Urteil haben wir uns in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung mit dem Thema befasst (Kurzfassung: https://www.bundestag.de/presse/hib/2015_02/-/360636 ; Kleine Anfrage: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/041/1804195.pdf ) und auch der finanzpolitische Sprecher unserer Fraktion, Dr. Gerhard Schick, setzt sich mit dem Thema auseinander ( https://www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2015/dezember/gerhard-schick-bausparkassen.html ).
Des Weiteren ist uns auch die Problematik der Nebeneinkünfte von Bundesrichtern nicht unbekannt ( http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/107/1810781.pdf ). Kritisch zu hinterfragen sind dabei in erster Linie nicht die Höhe der Nebeneinkünfte, sondern bestimmte Arten von Tätigkeiten. Finden Vortragstätigkeiten im nicht öffentlichen Raum für bestimmte Unternehmen statt, die selbst auch von der Rechtsprechung des Richters betroffen sind, dürften diese nicht genehmigt werden. Wir fordern daher mehr Transparenz bei den Nebentätigkeiten. Sämtliche Nebentätigkeiten sollten nicht nur anzeige- sondern auch genehmigungspflichtig sein.
Grundsätzlich vertrauen wir GRÜNE in die unabhängige Justiz in unserem Land. Innerhalb des XI. Senats des Bundesgerichtshofs wird das Urteil in einem Verbund von fünf Richtern nach dem Mehrheitsprinzip gefällt ( https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/DasGericht/broschuere2014_NurTextDeutsch_D.pdf?__blob=publicationFile , S. 17), die allesamt nicht losgelöst von dem gesetzlichen Rahmen entscheiden können. Unser Hauptaugenmerk obliegt deshalb nicht dem Urteil der Justiz, sondern der Notwendigkeit einer konkreten, gesetzgeberischen Klärung im Sinne der Verbraucher.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Keul