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Katja Keul
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Frage von Andreas T. •

Frage an Katja Keul von Andreas T. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Keul

Für den durchschnittlichen Bundesbürger gehört es nicht zum Alltag, Verträge abzuschließen, den Erwerb von Konsumgütern natürlich ausgeschlossen. Wenn es doch einmal vorkommt, ist er in der Regel überfordert, weil er die juristischen Formulierungen nicht versteht. Auch die Umfänge der Verträge werden immer länger und überfordern ihn zusätzlich. Ansonsten bewegen wir uns oft völlig gedankenlos im Alltag, ohne darüber nachzudenken, ob wir gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen verstoßen. Dies ist aber keine Missachtung der aktuellen Rechtsordnung, sondern der Unmöglichkeit geschuldet, unsere Gesetze und Verordnungen in ihrer Gesamtheit zu kennen, geschweige denn zu verstehen. Der Bürger lernt die Einhaltung von Gesetzen nicht durch deren Verständnis, sondern durch Strafen. Was nicht bestraft wird, ist nicht existent. Wenn eine Rechtsordnung ausufert, so dass man für jedes Themenfeld Fachanwälte benötigt, dient sie nicht dem friedlichen Zusammenleben der Menschen, sondern der Bereicherung von Eliten. Das Abschließen von Verträgen mit Kinder ist unzulässig, weil sie die Tragweite nicht verstehen können. Ist das Beschließen von Gesetzen und Verträgen zulässig, wenn nicht alle Abgeordneten die Tragweite erfassen können? Nach meiner Einschätzung ist das bei der Fülle der Beschlüsse allein zeittechnisch unmöglich.
Wieviel Prozent der Abgeordneten müssen ihrer Meinung nach eine Beschlussvorlage verstehen, damit sie Vertragsverbindlichkeit erlangt?

Wieviel Prozent der Bevölkerung müssen Gesetze verstehen können, damit sie Gültigkeit besitzen können, ober anders herum, ab wieviel Prozent Unverständnis sind Strafen nicht mehr gerechtfertigt.

Mit freundlichen grüßen

Andreas Teichmann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Teichmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 12.02.2017 an Frau Keul bei abgeordnetenwatch, in dem Sie die Komplexität von Verträgen und Gesetzen kritisieren und deren Verständlichkeit anzweifeln.

Ihre Bedenken hinsichtlich der Komplexität von Verträgen aufgrund vieler juristischer Formulierungen ist nachvollziehbar. Daher ist es auch stets ein Anliegen grüner Verbraucherpolitik mehr Transparenz und eine bessere Verständlichkeit von Vertragstexten und Klauseln einzufordern. Es ist bedauerlich, dass Ihrer Auffassung nach der Bürger die Einhaltung von Gesetzen nicht durch Verständnis, sondern durch Strafen lerne. Diese Ansicht teile ich nicht. Es stimmt zwar, dass der Bürger nicht notwendigerweise alle rechtlichen Vorschriften kennt bzw. auch nicht kennen muss. Es bestehen aber ausreichende Möglichkeiten sich über die Vorschriften zu informieren, die einen im Einzelnen betreffen (z.B. die Straßenverkehrsordnung für Autofahrer). Auch erschließen sich einige Vorschriften im Alltag, wie das Fahr- oder Gehverbot über eine rote Ampel. Die Regelungsdichte an Gesetzen und Verordnungen mag abschreckend wirken, doch sie ist ein wichtiger Grundstein des geordneten Zusammenlebens und der Rechtssicherheit, die vor allem den Bürgern zu Gute kommt.

Zum Ende der Wahlperiode häufen sich die abzuschließenden Gesetzesvorhaben, aber wir als Opposition setzen uns für die Einhaltung eines geordneten parlamentarischen Verfahrens ein. Gesetzesentwürfe entstehen meist in den Fachministerien, wo bereits eine ausführliche differenzierte Beschäftigung mit dem Vorhaben stattfindet. Die Gesetzesvorhaben werden dann nach einer ersten Lesung im Bundestag in den jeweiligen zuständigen Ausschüssen ausgearbeitet, die spiegelbildlich zum Parlament besetzt sind. Zur Arbeit der Ausschüsse gehören auch öffentliche Anhörungen, bei denen im zuständigen Fachausschuss verschiedene Experten eingeladen werden und die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Fragen an die Experten stellen können. Dadurch können sich die Abgeordneten des jeweiligen Ausschusses ausführlich informieren und ein umfassendes Bild machen.
Der Bundestag basiert auf dem Prinzip der Arbeitsteilung, weshalb sich die Abgeordneten auf die Arbeit ihrer Fraktionskollegen in den Ausschüssen meist verlassen und der Abstimmungsempfehlung anschließen.

Leider wird in der Praxis dieses gründliche Verfahren nicht immer eingehalten. Gerade politisch umstrittene und besonders komplexe Gesetze werden von der großen Koalition gerne im Eilverfahren durchs Parlament gebracht. Das kritisiere ich regelmässig, weil es am Ende auch nicht der Qualität des Gesetzes dient.
Niemand ist perfekt - auch die Demokratie nicht. Ein besseres System ist allerdings bislang noch nicht gefunden worden.

Mit freundlichen Grüßen,
Katja Keul

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