Frage an Katja Keul von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Keul,
ein Mandant muss bei Haftpflichtprozessen nach Anwaltsfehlern damit rechnen, dass sein Anwalt während des Klageverfahrens von ihm erhaltene Informationen weitergibt - § 2 Abs. 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte.
Aus § 1 dieser Berufsordnung: Der Rechtsanwalt hat seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen.
Stimmen wir darin überein, dass die Weitergabe vertraulicher Informationen nicht gerade selten zu Rechtsverlusten führt?
Trifft es zu, dass die erwähnten Rechtsverluste schlimme Folgen für die betroffenen Mandanten haben können?
Darf der Gesetzgeber dazu beitragen, dass - wie hier - der Datenschutz unnötig eingeschränkt wird?
Beispiel: Vor der Versicherungsvertragsrechtsreform gab es bekanntlich einen Regierungsentwurf, in dem Mandanten bei Anwaltsfehlern einen vollständigen
Direktanspruch gegen die Berufshaftpflichtversicherung haben und nicht gegen den Anwalt klagen müssen - Folge: Keine Weitergabe vertraulicher Informationen.
Trifft es zu, dass Lobbyisten die heutige Regelung durchgesetzt haben und dadurch erreichen konnten, dass weniger Haftpflichtansprüche durchgesetzt werden können?
Trifft es zu, dass dadurch die Versicherungsgewinne größer wurden und
Versicherungsprämien stabil blieben?
Sind immer mehr Abgeordnete nicht Vertreter des ganzen Volkes?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Vorab möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich, falls es sich um einen konkreten Einzelfall handeln sollte, keine Rechtsberatung im Rahmen meines Abgeordnetenmandats leisten darf. Ich beschränke mich daher auf generell gültige Aussagen zu Ihrer Anfrage.
Der Grundsatz, dass Anwälte zur Verschwiegenheit berechtigt und verpflichtet sind, ergibt sich aus der Bundesrechtsanwaltsordnung. Halten sich die Anwälte nicht an ihre Verschwiegenheitspflicht, machen sie sich sogar strafbar. Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht muss aber für die Fälle begrenzt sein, in denen Mandanten gegen ihre Anwälte vorgehen. Es folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Recht auf ein faires Verfahren, dass auch der Anwalt selbst einen Verteidigungsanspruch hat. Im gerichtlichen Verfahren kann es dann dazu kommen, dass er die relevanten Unterlagen zum Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Mandant den Richtern gegenüber offenbaren muss. Dabei geht es aber nicht um den ursprünglichen Rechtsstreit, in dem der Anwalt seinen Mandanten vertritt, sondern ausschließlich um die Klage des Mandanten gegen seinen Anwalt. Die Entscheidung in diesem Verfahren des Mandanten gegen den Anwalt betrifft nicht das ursprüngliche Verfahren, in dem der Anwalt den Mandanten vertritt bzw. vertreten hatte. Für diese Verfahren gilt weiterhin die Verschwiegenheitspflicht.
Die Haftung für Anwaltsfehler ist eine große Errungenschaft im Sinne der Qualitätssicherung und des Verbraucherschutzes. Anders als bei vielen anderen Berufsgruppen haften Anwälte für Falschberatung umfassend. Daher müssen Rechtsanwälte für diese Fälle eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen und während ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit aufrechterhalten. Da die Deckung eines Schadens beim Mandanten nicht davon abhängen soll, ob der Rechtsanwalt den Schaden aus seinem Privatvermögen ausgleichen kann, ist durch die Berufshaftpflichtversicherung eine hohe Mindestdeckung gewährleistet. Zum Schutz des Mandanten sind darüber hinaus Ausnahmefälle vorgesehen, in denen der Mandant direkt gegen die Versicherung vorgehen kann, wenn er sich nicht gegen den Rechtsanwalt selbst wenden kann (bei Insolvenz oder unbekanntem Aufenthalt des Rechtsanwaltes). Ich sehe zurzeit keinen Anlass, an diesem ausgeglichenen System Änderungen vorzunehmen.
Unabhängig davon haben Sie natürlich Recht, dass wir uns bei Gesetzen nicht von Lobby-Interessen leiten lassen dürfen. Es muss transparent gemacht werden, wer - auch in indirekter Weise - Einfluss auf die Gesetzgebung ausübt. Daher hat meine Fraktion Anfang des Jahres einen Antrag im Bundestag eingebracht, um ein verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyisten zu schaffen (Bundestagsdrucksache 18/3920). Diesen Antrag mit weiteren inhaltlichen Einzelheiten meiner Fraktion können Sie gerne im Internet nachlesen unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803920.pdf.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Keul