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Katja Keul
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas S. •

Frage an Katja Keul von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Keul,

Spiegel-online berichtet aktuell über folgendes Verhalten des Jobcenters Neinburg gegenüber 2 Jugendlichen, deren elterlicher Haushalt Leistungen gemäß H-4 bezieht. Ich bitte Sie den gesamten verlinkten Artikel zu beachten, Zitat daraus:

"Obwohl sie zur Schule gehen, werden zwei Kinder in Niedersachsen vom Jobcenter wiederholt zu Beratungen geladen - weil ihre Eltern Hartz IV bekommen. Erscheinen sie nicht, drohen Sanktionen. Und wer sein Zeugnis nicht zeigen will, macht sich verdächtig (...)

Die Söhne der Familie K. werden wiederholt zum Beratungsgespräch ins Jobcenter eingeladen, zuerst berichtete die "Junge Welt" über den Fall. Man wolle "Stellengesuche und vermittlungsrelevante Daten besprechen", heißt es. Im Juli sollen sie zum Beispiel zu einem Termin erscheinen, im Oktober auch.

Es sind keine freundlichen Briefe, findet die Mutter. Das Amt verlangt Zeugnisse, Lebenslauf, Bewerbungsunterlagen. Die Familie fühlt sich bevormundet. Im Gespräch fragt der Arbeitsvermittler den Sohn, ob sich die Schulausbildung lohne. Dann spricht er von "Familienverantwortung", so erinnert sich die Mutter."

http://www.spiegel.de/schulspiegel/kritik-an-jobcentern-kinder-von-hartz-iv-empfaengern-unter-druck-a-933418.html

Frage 1:

Wie werten Sie das in dem verlinkten Artikel beschriebene Verhalten des Jobcemters Nienburg?

Frage 2:

Halten Sie es für sinnvoll und taktvoll, dass zwei in der Schule erfolgreiche Schüler, die gerne srtudieren möchten, von besagtem Jobdenter vorgeladen werden, um "Stellengesuche und vermittlungsrelevante Daten" zu besprechen?

Frage 3:

Warum wird dieses Verhalten nur bei Jugendlichen angewendet, deren Eltern Leistungen nach Hartz 4 beziehen?

Frage 4:

Mischt sich das Jobcenter Nienburg nicht in diskrimierender Form in den Berufswahlfindungsprozess dieser jungen Menschen ein?

Frage 5:

Wie werden Sie sich bezogen auf die oben benannte Angelegenheit verhalten?

Mit freundlichen Grüßen, Thomas Schüller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schüller,

vielen Dank für Ihre Fragen. Die von Ihnen zitierte Berichterstattung hat auch bei mir ähnliche Fragen hervor gerufen. Ich bin deshalb bei der Geschäftsführung des Jobcenter Nienburg vorstellig geworden. In Beantwortung Ihrer Fragen verweise ich die unten stehende Pressemitteilung. Ich bin zuversichtlich, dass es im Bereich Nienburg nicht mehr zur Versendung derartiger "Ladungen" kommen wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Katja Keul

PRESSEMITTEILUNG

Grüne besuchen Jobcenter: Keul und Möhlmann führen Gespräch mit Geschäftsführung und Mitarbeitern

Die aktuelle Berichterstattung über das Jobcenter Nienburg in taz und Spiegel?online hat die hiesige Bundestagsabgeordnete Katja Keul veranlasst, das Gespräch mit der Geschäftsführerin Frau Silbermann zu suchen, um sich über die Hintergründe und Abläufe zu informieren. Keul wurde begleitet von Wilfried Möhlmann, Sprecher des grünen Ortsverbandes Nienburg. Auf Seiten des Jobcenter nahmen noch Frau Reuber, verantwortliche Teamleiterin für Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren, sowie Herr Perkuhn aus dem Bereich Controlling teil. Gleich zu Beginn des Gesprächs versicherten sich alle Beteiligten, dass ein möglichst hochwertiger Schul- und Ausbildungsabschluss zweifelsohne den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit biete. Niemand habe ein Interesse daran, junge Menschen zu überreden oder gar unter Druck zu zwingen, eine Schulausbildung zugunsten einer Erwerbstätigkeit abzubrechen. Dafür gäbe es auch im SGB II keinerlei Rechtsgrundlage, so Silbermann. Nach den geltenden Bestimmungen ist bei dem Besuch z.B. eines Gymnasiums keine Arbeit zumutbar. Dies wird unabhängig von den Schulnoten, auch im Falle einer Wiederholung von Schulklassen, durch das Jobcenter akzeptiert.
Im Jobcenter im Landkreis Nienburg beziehen insgesamt 1276 junge Menschen zwischen 15 und 24 Leistungen nach dem SGB II, bzw. leben in einer Bedarfsgemeinschaft. Davon suchen derzeit 152 einen Ausbildungsplatz und 195 sind derzeit arbeitslos gemeldet. 834 befinden sich derzeit in der Schule, in Elternzeit oder stehen dem Arbeitsmarkt aus anderen Gründen nicht zur Verfügung. Der Schulbesuch ist in solchen Fällen ab dem 15. Lebensjahr einmal jährlich durch die Vorlage einer Schulbescheinigung zu belegen. Weitere gesetzliche Pflichten gäbe es diesbezüglich nicht.
Das Jobcenter lädt die Jugendlichen jedoch auch zu einem Gespräch ein, um Unterstützung u.a. im Bereich des Bildungs? und Teilhabepakets anzubieten. Die Irritationen seien dadurch entstanden, dass die Einladungs? und Informationsformulare, die zentral über die EDV zur Verfügung gestellt und vor Ort benützt würden die freiwilligen Beratungsangebote und die Pflichtvorlage der Schulbescheinigung verbinden und am Ende noch eine Rechtsfolgenbelehrung enthalten.
Da sei es kein Wunder, dass sich die Empfänger zu Unrecht unter Druck gesetzt fühlten, so die Abgeordnete Keul. Möhlmann stellte außerdem in Frage, ob solche Schreiben mit Sanktionsandrohung überhaupt an Minderjährige gesandt werden dürfen. Im Jobcenter habe man unverzüglich reagiert und die Versendung der aktuellen Schreiben eingestellt, so Silbermann. Auch wenn das Verfassen von individuellen Schreiben mit den knappen Personalressourcen entsprechend schwierig sei habe man sich nun entschlossen individuelle Briefformulare zu erstellen, um den jugendlichen Empfängern gerecht zu werden.
Keul und Möhlmann zeigten sich erleichtert über diese Veränderung. Die Kürzung der arbeitsmarktpolitischen Mittel durch die letzte Bundesregierung wurde von den grünen Politikern allerdings einhellig kritisiert. Schließlich könnten die Jobcenter nicht bei jeder kurzfristigen Besserung auf dem Arbeitsmarkt Stellen abbauen. Außerdem sei bekannt, dass gerade die besonders betreuungsbedürftigen Langzeitarbeitslosen von Veränderungen am Arbeitsmarkt kaum profitieren, so Keul und Möhlmann. Hier seien längerfristige Konzepte und stabile Planungssicherheit erforderlich.
Bei der weiteren gemeinsamen Analyse der Nienburger Statistik fiel auf, dass vermehrt Jugendliche mit Schulabschluss Schwierigkeiten hätten einen Ausbildungsplatz zu finden. Hier könnte der Vorschlag der Grünen zur Schaffung überbetrieblicher Ausbildungsangebote eine Lösung sein. Entsprechende Projekte gibt es bereits in andern Bundesländern. Keul versprach sich diesbezüglich mit der Landesebene in Verbindung zu setzen. Dabei seien allerdings Politik und Wirtschaft gemeinsam gefordert. Bei dieser Gelegenheit wies Silbermann außerdem auf den besonderen Bedarf an Teilzeitausbildungsplätzen hin, auf die besonders junge Mütter angewiesen seien. Hier gäbe es bislang kaum Angebote. Am Ende zeigten sich alle mit dem konstruktiven Austausch auf dem Wege des direkten Gesprächs zufrieden.

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