Frage an Katja Keul von Bernd K. bezüglich Finanzen
Hallo Frau Keul,
wie kann es sein, dass
- über einen griechischen Schuldenschnitt diskutiert wird, wenn sich G beharrlich weigert, eine funktionierende Steuerverwaltung aufzubauen und seine eigenen reichen Bürger angemessen zu besteuern ( http://www.teleboerse.de/nachrichten/Steuerfahnder-kritisiert-Griechen-article6452676.html )?
- Zypern als systemrelevant deklariert wird, obwohl Z nur 0,14% zum BIP der EU ( http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt ) beiträgt? In meinen Augen ist dies entweder eine besonders dreiste Lüge oder der beste Beweis für eine grundlegende Fehlkonstruktion des Systems.
- in D über Steuererhöhungen diskutiert wird, wenn D gleichzeitig direkt über ESFS/ESM und indirekt über EZB-Staatsanleihenkäufe Länder finanziert, deren Durchschnittshaushaltsvermögen (EZB-Studie) und Rentenbezugsdauer (Eurostat) signifikant höher liegen als in D?
- mit G und Z dank zahlreicher Vertragsverletzungen Fässer ohne Boden geschaffen wurden, wenn doch Island und das Baltikum beweisen, dass auch schwerste Staatsschulden- und Bankenkrisen ohne den Euro, aber mit echten Reformen innerhalb von wenigen Jahren überwunden werden können?
- der Euro als Friedensgarant angepriesen wird, wenn doch die Verträge, die das friedliche Zusammenleben regeln sollen, nach Gutdünken gebrochen werden, sich führende Euro-Köpfe wie Jean-Claude Juncker als Lügner in kritischen Situationen (sicherlich nicht zum Schaden der luxemburgischen Großbanken) outen und die simple Realität das genaue Gegenteil zeigt? Ich kann mich jedenfalls an keine massiven und diffamierenden antideutschen Demonstrationen in der Vor-Euro-Zeit erinnern.
Diese Liste ließe sich nahezu endlos fortsetzen (z. B. warum das Renteneintrittsalter in F herab- und in D heraufgesetzt wird). Ich fühle mich als Steuerzahler extrem verschaukelt und mein Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der etablierten Parteien nähert sich rapide dem Nullpunkt.
MfG
Sehr geehrter Kretzer,
für Bündnis 90/Die Grünen gehört auch der Euro zu einer starken Europäischen Union. Allerdings hat es bei der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion grobe Fehler gegeben, die in der Krise schonungslos zu Tage treten. Sie haben sicherlich recht, dass die kaum funktionierende Steuerverwaltung in Griechenland einen Anteil am Auftreten der griechischen Krise hatte. Aber erstens bescheinigt die Troika aus IWF, EZB und EU Griechenland in ihren Berichten deutliche Fortschritte beim Aufbau einer effizienten Finanzverwaltung und zweitens wäre es falsch, die Euro-Krise allein als Staatsschuldenkrise der südeuropäischen Staaten zu sehen. Gerade in Hinsicht auf die anderen Krisenländer sind die unregulierten Finanzmärkte die wichtigste Krisenursache. Wären Bankschulden private Schulden geblieben, hätten sich Spanien oder Irland längst nicht so hoch verschulden müssen.
Die Systemrelevanz Zyperns, die Sie bezweifeln, liegt nicht allein am Anteil Zyperns am BIP der Eurozone. Eine Zahlungsunfähigkeit des Landes hätte unabsehbare Folgen für den gesamten Euroraum gehabt. Unserer Ansicht nach war es richtig, den Krisenländern Kredite zu gewähren und sie nicht unkontrolliert Bankrott gehen zu lassen. Den spekulativen Angriffen der Finanzmärkte auf den Euro nichts entgegenzusetzen, wäre falsch gewesen, es hätte dramatische Auswirkungen auf die Europäische Union und die Weltwirtschaft gehabt. Wir haben deshalb im Bundestag den Rettungsschirmen und dem Fiskalvertrag zugestimmt. Ohne diese Umschuldung bzw. Anschlussfinanzierung wären die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen in den Krisenstaaten noch viel verheerender. Dann wäre auch das Friedensprojekt Europäische Union in akuter Gefahr.
Bisher ist Deutschland noch ein Krisengewinnler. Wir profitieren von niedrigen Zinsen und von den Möglichkeiten, die ein so großer einheitlicher Währungsraum für unsere Exportindustrie bedeutet. Dennoch müssen auch wir uns beständig um den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit bemühen. Dazu gehört vor allem ein funktionierendes Bildungssystem, aber auch die ständige Anpassung unserer Wirtschaft an neue Herausforderungen, insbesondere die der Energiewende. Hier brauchen wir genügend Geld für die notwendigen Investitionen. Darum schlagen wir moderate Steuererhöhungen vor, von denen aber lediglich 10% Prozent der Bevölkerung betroffen sein werden. Für 90% bedeuten unsere Vorschläge sogar eher Entlastungen. Zudem benötigen wir die zusätzlichen Einnahmen, um Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zu machen.
Neben der eigenen Haushaltskonsolidierung wollen wir von Bündnis 90/Die Grünen:
- den Finanzmarkt regulieren und eine Finanztransaktionssteuer einführen,
- Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der EU durch gemeinsame Regeln und Gesetze bekämpfen und Steueroasen in Europa schließen,
- eine Schuldenbremse für Banken einführen und die europäische Bankenunion mit allen ihren drei Komponenten (Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung) umsetzen,
- mit einem Altschuldentilgungsfonds die Probleme der Altschulden nachhaltig lösen,
- Anpassungsprogramme in den Krisenländern sozial ausgewogener gestalten und hier gezielt europäische Mittel für Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätze einsetzen,
- die gemeinsame Währung um eine abgestimmte Steuer- und Sozialpolitik ergänzen und
- den Fiskalpakt um Investitionen in Wachstum und Beschäftigung ergänzen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Keul