Frage an Katja Keul von Burkhardt S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Keul,
was haben Sie bisher dafür getan bzw. was gedenken Sie künftig noch dafür zu tun, dass nun endlich die Lärmschutzmaßnahmen an der Bundesbahnstrecke Hannover/ Bremen in Bereich der SG – Heemsen umgesetzt werden?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Burkhardt Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Zukunftsfähigkeit der Bereiche Güterverkehr und Logistik in Deutschland hängen nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren ab, sondern auch davon, dass die bereits bestehenden und weiter wachsenden Belastungen für Mensch und Umwelt gesenkt werden. Das ist für die Anwohnerinnen und Anwohner von Bahnstrecken nur mit konsequentem Lärmschutz möglich. Untersuchungen des Umweltbundesamtes zufolge fühlen sich drei Viertel der Bevölkerung von Verkehrslärm beeinträchtigt. Zwanzig Prozent der Bevölkerung sind besonders vom Schienenlärm betroffen, etwa ein Viertel davon auf einer Skala von "mittelmäßig" bis "sehr stark". Wie die aktuelle Lärmkartierung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) zeigt, ist die Lärmbelastung an viel befahrenen Bahnstrecken inzwischen so hoch, dass sie nicht nur als Belästigung empfunden wird, sondern auch zu Gesundheitsgefährdungen der Anwohner führt.
Gemeinsam mit meiner Fraktion setze ich mich dafür ein, dass die berechtigten Interessen der AnwohnerInnen der Bahnstrecke Hannover-Bremen auch im Bereich Heemsen bezüglich des Lärmschutzes exakt nach den gleichen Kriterien priorisiert werden, wie die aller Betroffenen in ganz Deutschland. Dies muss transparent und nach objektiven Kriterien geschehen.
Die derzeitigen Prioritäten-Kennzahlen mit Status einzelner Streckenabschnitte finden Sie auf der Homepage des Bundes- Verkehrsministeriums veröffentlicht. Ich gehe davon aus, dass Sie als Vertreter der Wählergemeinschaft Heemsen und als Ratsmitglied hinreichend über den heutigen Sachstand informiert worden sind.
Das von Ihnen angesprochene Thema ist uns Grünen außerordentlich wichtig. In Deutschland sind ca. 13 Millionen Menschen von einem Ausmaß an Verkehrslärm betroffen, bei dem gesundheitliche Schäden die Folge sein können. Dieses Problem hat auch sehr schwerwiegende sozialpolitische Folgen: Gebiete mit hoher Lärmbelastung sind in wachsendem Ausmaß auch Wohngebiete sozial schwächer gestellter Menschen und solcher Bevölkerungsgruppen, die sich schlechter zur Wehr setzen und ihre Rechte einklagen können. Gerade deshalb muss verhindert werden, dass Politiker oder einzelne Interessengruppen objektivierbare Kriterien für den Lärmschutz unterlaufen z.B. um im heimischen Wahlkreis vermeintlich gut da zu stehen - zumindest bei dem Teil der Öffentlichkeit, der die Hintergründe nicht kennt.
Für den Schutz vor Schienenlärm haben wir bereits kurz nach unserer ersten Regierungsbeteiligung weitgehend erfolgreich an der Weichenstellung mitgewirkt: Im Jahr 1999 stellte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) erstmals einen jährlichen Betrag in Höhe von rund 50 Millionen Euro für ein Programm "Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen des Bundes" in den Bundeshaushalt ein. Damit wurde die Lärmvorsorge beim Neu-, Aus- und Umbau der Schienenwege durch ein Bundesprogramm zur Lärmsanierung vorhandener Bahnstrecken ergänzt. Mittlerweile sind die zur Verfügung stehenden Mittel aufgestockt worden. Sie stehen aber unter dem deutlichen Vorbehalt der Haushaltslage. Setzen sich politische Richtungen durch, die steuerliche Vorteile Einzelner über einen ausreichend ausgestatteten Staatshaushalt stellen oder die Bahnpolitik rein privatwirtschaftlich ausrichten möchten , sorgen sie dafür, dass Bürgerinnen und Bürger wie die Anlieger der Bahnstrecke in Heemsen auf geplante Maßnahmen sehr, sehr lange warten müssen.
Erst vor drei Wochen fand im Bundestag eine Debatte über den Schutz der Bevölkerung vor Schienenlärm statt. Mein Fraktionskollege Dr. Anton Hofreiter legte unseren Standpunkt dar, den die gegenwärtige Bundesregierung ablehnt: Wir wollen den unzeitgemäßen Schienenbonus beseitigen. Dieser Bonus besagt, dass Schienenlärm im Schnitt um 5 Dezibel höher sein darf als z.B. Straßenlärm, um gleichartige Schutzmaßnahmen als erforderlich zu definieren. Sie wissen, was das bedeutet: Dezibel-Werte geben keinen linearen sondern einen deutlich progressiven Lärmanstieg wider. Zwischen 65 und 70 Dezibel liegen Welten. Ein schrittweiser Wegfall des veralteten Schienenbonus hat einen drastischen Anstieg der Lärmschutzmaßnahmen im Schienenverkehr zur Folge. Politiker, die auf Vorrang des Straßenbaus setzen, befürchten hierdurch Einschränkungen in der Realisierbarkeit ihrer Ausbaupläne im Straßennetz zumal es ja weitgehend der gleiche Personenkreis ist, der eine Minderung der Lärmemissionen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen kategorisch ablehnt. Bloß keine Gelder in Richtung Schiene umsteuern, lautet die Parole.
Wir haben klar Position bezogen und wir gehen weiter: Wir möchten neben dem passiven Lärmschutz wie er z.B. durch Lärmschutzwände erfolgt, den aktiven Lärmschutz auch im Schienenverkehr forcieren. Die Züge sollen energieeffizienter, moderner und eben auch leiser werden. Dies ist eine große Zukunftsaufgabe im Schienenverkehr. Ein Beispiel: Seit ca. 100 Jahren hat sich am Grundprinzip der Bremsen unserer Güterwagons nichts verändert. Dies führt zu technisch nicht notwendigem Verschleiß an den Radlaufflächen, der wiederum zu Verschleiß am Schienenstrang und dann wiederum zu vermehrter Lärmemission führt. Überhaupt müssen die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass gerade bei Güterzügen wesentlich seltener bis zum Stillstand herunter gebremst werden muss. Unmengen von Energie gehen durch das Bremsen und Beschleunigen von Zügen mit gewaltiger Tonnage verloren und führen gleichzeitig zu vermehrtem Lärm.
Ich bin überzeugt: mit etwas weniger Blockaden grüner Bahn- und Verkehrspolitik in den vergangenen Jahrzehnten wären wir in der gesamten Streckenmodernisierung auch hinsichtlich der Lärmsanierung wesentlich weiter. Während noch so gute grüne Vorschläge früher ins Feld der "spinnerhaften Utopie" verwiesen wurden, werden sie heute gern in das enge Korsett endloser "Modellprojekte" gezwängt. Damit werden wir uns nicht zufrieden geben.
Wer allerdings Verbesserungen vor Ort erreichen will, muss dann auch bundespolitisch ganz klar und deutlich Farbe bekennen.
Mit freundlichen Grüßen,
Katja Keul