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Katja Husen
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Frage von Peter U. •

Frage an Katja Husen von Peter U. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Husen,

vielen Dank für die Beantwortung meines Fragenkomplexes.
Da in Ihrer Antwort u.a. auch einige kleinere Fragen waren, möchte ich noch einmal Stellung nehmen.

Kunden sind auch natürlich Menschen…
Lassen Sie sich von einem Ökonomen (und einem Menschen) erklären, was ein Kunde ist: Ein Kunde zeichnet sich mit seinem Interesse an einem Produkt/Dienstleistung dadurch aus, dass er „qualifizierte, zielgerichtete Informationen“ zu einem Produkt/Dienstleistung sucht und sammelt, um entsprechend seiner Präferenzen eine optimale Auswahlentscheidung zu treffen. Demnach ist ein Patient momentan häufig noch kein vollwertiger Kunde, weil er nicht in dem Umfang und in der Qualität über diese Informationen verfügt und auch nicht sammeln kann. Und dass, obwohl er mehr und bessere Informationen haben könnte, für sein eigenes Leben und seine Gesundheit selbst verantwortlich ist und deswegen selbst entscheiden sollte.

Diese Informationsassymmetrien sind Bestandteil des Geschäftsmodells im Gesundheitswesen und erlauben teilweise kartellmäßige Aktivitäten. In der Ökonomie nennt man dann so was Marktversagen.

Wir setzen uns mit anderen „niedrigschwelligen Beratungsangeboten“ dafür ein, dass der Patient mehr und bessere Informationen bekommt, um sich „zurechtzufinden“ und dann überhaupt als vollwertiger Kunde agieren zu können. Getreu dem Motto einer ehemaligen grünen Gesundheitsministerin: „Der Patient ist mündig.“

Ich halte Ihnen also entgegen: der Patient ist in erster Linie eben doch ein Kunde! Genau diese Sicht fehlt der Gesundheitspolitik und sie verhindert damit eine qualitativ-effiziente Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens.
In den USA über alle Parteien hinweg und in anderen Ländern übrigens ein Riesenthema in der Politik: „consumer driven health care“.

<- Genau dort setzt meine Kritik an einer Plattform wie Docwatch an. Wer beurteilt nach welchen Kriterien die Arbeit der ÄrztInnen? ->
Einen in sich schlüssigen, verständlichen und aber knappen Kriterienkatalog zur Beurteilung eines Dienstleisters, der von jedem Patienten ausgefüllt werden kann, finden Sie in DocWatch. Ähnliche Schemata gibt es auch woanders wie z.B. den Klinikführer Ruhrgebiet. Angemerkt sei, dass der Kriterienkatalog in DocWatch zusammen mit Dienstleistern und Patienten erarbeitet wurde. Diese Kriterien werden nun noch etwas erweitert und um eine intelligente Suchmaske ergänzt, bei der ein suchender Patient seine Suchprioritäten vorgibt und bereits bestehende Bewertungen entsprechend der Priorisierung herangezogen werden.

<-Wie wird ausgeschlossen, dass einzelnen ÄrztInnen negative oder positive Kommentierungen bewusst in großer Zahl zugeordnet werden? ->
Das können wir technisch ausschließen. Also eine Person kann nur eine Bewertung pro Arzt abgeben. Und nicht mehr. Die Bewertung kann zudem im Nachgang immer abgeändert werden, sollte sich das Bild aus Sicht des Patienten einmal ändern. Hinzu kommt ein starker Authentifizierungsprozess.
Was wir aktuell noch nicht technisch verhindern können, ist, dass eine Sprechstundenhilfe, wenn sie registriert ist, ihren Chef anders bewertet als den Rest der Dienstleister. Die Erfahrung in USA zeigen aber, dass selbst das nicht passiert bzw. zu vernachlässigen ist. Aber auch hier gibt einige technische Instrumente, um Denunzianten oder Pusher zu clustern, auf die ich hier nicht näher eingehen kann.

Was ich als Kritik an der Plattform gelten lasse, ist, dass es sich rein um eine subjektive Sicht und Reflektion von Patienten handelt. Auf der anderen Seite ist das aber ganz bewusst so angelegt und konzipiert, denn schließlich steht der Patient im Zentrum des ärztlichen Handelns. Sollte er zumindest, ansonsten kann man die ganze Veranstaltung im Gesundheitswesen auch lassen.
Mein alter VWL-Professor sagte mal: „Die Summe von subjektiv ist objektiv.“ Im übrigen mal eine rethorische Frage: Wer außer ein Patient könnte sonst am besten urteilen?

Erlauben Sie mir noch diese Ausführungen:

- Mir ist nicht besonders aufgefallen, einmal im konkreten Tun aber auch in den Medien nicht, dass sich die grüne Bürgerschaftsfraktion zur Stärkung „niedrigschwelliger Beratungsangebote“ in Hamburg einsetzt oder eingesetzt hat, obwohl Sie selbst das Thema selbst als wichtig ansehen. Aber das kann natürlich auch an meiner Wahrnehmung oder meinen Informationsmöglichkeiten liegen.
- Kernelement im Rahmen der „qualifizierten Patientenberatung“ nach SGB ist das aufgebaute Portal www.patienten-information.de, wo es um medizinische Laieninformation geht. Also: Was ist ein Kaiserschnitt oder ein Reizdarm? Information, die man eigentlich überall erhalten kann und teilweise so in jedem Konversationslexikon stehen. Interessant ist das Ansatz mit der Möglichkeit der Bewertung von Informationen und Veröffentlichungen. Patienten, für die das Portal aufgebaut wurde, sind soweit ich das sehen kann an diesen Bewertungen aber nicht beteiligt. Schade.
Uns geht es um Beteiligung von Patienten und Bewertung der verschiedenen Elemente des Gesundheitswesens (Dienstleister, klinische Bereiche, Therapien, Medikamente, Präventionsmethoden etc.) durch Patienten. Die meisten Patienten, wenn Sie Rheuma oder Diabetes haben, interessiert bezogen auf das Gesundheitswesen nicht, was Rheuma oder Diabetes ist, sondern welche Dienstleister, klinische Bereichen, Therapien, Medikamente und Präventionsmethoden etc. für sie in Frage kommen. Das sind im übrigen auch die Kostenträger des Gesundheitswesens.
Insofern ist die „qualifizierte Patientenberatung“ ja ganz nett, aber auch nichts Neues, was es nicht schon gäbe. Und insofern eine ziemliche Steuermittelverschwendung.
- Ich hatte bei einem anderen grünen Bundespolitiker mit Gesundheitsbezug angefragt und zweimal keine Antworte erhalten.

Ihnen alles Gute und liebe Grüße

Peter Uhde

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Uhde,

lassen Sie mich (jedenfalls in diesem Rahmen) abschließend festhalten, dass ich Ihre Idee interessant finde, um Patientinnen und Patienten eine Orientierung bei der Arztwahl zur Verfügung zu stellen.

Gleichzeitig halte ich aber einige Punkte für unabdingbar, wenn Docwatch funktionieren soll:

- die Transparenz der Entscheidungskriterien.
- der Hinweis darauf, dass es nicht *die* eine beste Arztpraxis geben kann, weil Fragen der Erreichbarkeit, des Service, der Qualität der Behandlung, der Wartezeiten, der Behandlung auch von KassenpatientInnen von verschiedenen PatientInnen eine unterschiedlich hohe Bedeutung haben.
- ähnlich wie Herr Kranich von der Verbraucherzentrale in der gestrigen Anhörung des Gesundheitsausschusses erwähnte, schwebt mir eher ein Ranking in Kategorien (Überdurchschnittlich, durchschnittlich, unterdurchschnittlich), als in "Top ten" vor.

Außerdem möchte ich Ihnen an einer Stelle widersprechen: die zufriedenste, am besten versorgte Patientin muss nicht die mit der größten Fülle an Informationen sein. Gerade im Gesundheitsbereich können Informationen widersprüchlich sein, ohne dass selbst ExpertInnen klären können, welche Information richtig oder falsch ist. Ich möchte deshalb betonen, dass auch das Vertrauen in die behandelnden ÄrztInnen und die Möglichkeit, die Krankheit in das eigene Leben zu integrieren (bspw. durch wohnortnahe Versorgung) wichtige Vorraussetzungen für einen erfolgreichen Krankheitsverlauf sind.
Eine einseitige Konzentration auf Informationen, vielleicht sogar zu Lasten des Vertrauensverhältnisses von ÄrztIn und PatientIn scheint mir wenig hilfreich.

Ein paar Anmerkungen zu ihre Anmerkungen noch:

> - Mir ist nicht besonders aufgefallen, einmal im konkreten Tun aber auch
> in den Medien nicht, dass sich die grüne Bürgerschaftsfraktion zur
> Stärkung "niedrigschwelliger Beratungsangebote" in Hamburg einsetzt oder
> eingesetzt hat, obwohl Sie selbst das Thema selbst als wichtig ansehen.
> Aber das kann natürlich auch an meiner Wahrnehmung oder meinen
> Informationsmöglichkeiten liegen.

Da ich sie jetzt nicht mit einer Auflistung aller Aktivitäten langweilen möchte, an dieser Stelle vor allem der Verweis auf das "Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst in Hamburg (HmbGDG)" verweisen. Und den langjährigen Einsatz der GAL für Freie Träger der verschiedensten Bereiche, die Selbsthilfe, die Verbraucherschutzzentrale, ein Informationsfreiheitsgesetz... Zur Recherche empfehle ich in jedem Fall die Palamentsdokumentation unter www.hamburgische-buergerschaft.de

> - Ich hatte bei einem anderen grünen Bundespolitiker mit Gesundheitsbezug
> angefragt und zweimal keine Antworte erhalten.

Da auf Bundesebene vor allem Politikerinnen mit Gesundheitspolitik beschäftigt sind, bin ich mir nicht sicher, welchen Kollegen Sie da kontaktiert haben. Gerne können Sie mir aber an:
Katja.husen@gal-fraktion.de weitere Informationen und auch den Namen des Kollegen zukommen lassen.

Herzliche Grüße und einen langen Atem bei der Verfolgung Ihrer Ziele,

Katja Husen