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Katja Husen
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Frage von Michael R. •

Frage an Katja Husen von Michael R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Husen,

die nachfolgende Frage habe ich bereits vor einigen Tagen Ihrer Fraktionschefin, Frau Goetsch, gestellt, möchte nach Durchlesen Ihrer Antworten und aufgrund der Tatsache, daß Sie einer jüngeren Generation angehören, die Frage ebenfalls vorlegen und um persönliche Beantwortung bitten:

In einer Wahlkampfveranstaltung der GRÜNEN/Bündnis90 sagte vor zwei Wochen die Hamburger Spitzenkandidatin, Frau Sager, daß die GRÜNEN die Wahlfreiheit unterstützen, wie Familien zusammenleben wollen.

Die Frage lautet nun, ob auch Sie die Abschaffung des Ehegattensplittings bei Familien mit Kindern wollen? Und wenn Sie dies bejahen und damit Ihrer Partei folgen, so frage ich, warum möchten Sie die Paare mit Kindern künftig finanziell schlechter stellen, die sich dafür entscheiden, bewußt nur von einem Einkommen zu leben, um sich persönlich um die Kinder zu kümmern?

Wissen Sie, daß Sie damit allein drei mir bekannte Familien eine traditionelle Familienführung nicht mehr ermöglichen würden, da diese sich bei höheren Steuern nicht mehr alleine und ohne staatliche Unterstützung um ihre Kinder kümmern könnten - in allen drei Fällen übrigens bleiben die Männer daheim, weil die Mütter deutlich mehr verdienen!

Glauben Sie, mit der von den GRÜNEN geforderten Benachteiligung von funktionierenden "traditionellen" Paaren mit Kindern eine alternde Gesellschaft zu unterstützen, die doch an der Erziehung von Kindern in stabilen Familienverhältnissen interessiert sein muß? Und ist es richtig, dem Mainstream der Doppelverdiener-Ehe zu folgen, in der alle am kapitalistischen Arbeitsmarkt teilnehmen sollen, statt unentgeltlich im Privaten zu wirken?

Daher zusammengefaßt: was bedeutet für Sie Wahlfreiheit, wenn die Ergebnisse der politischen Ankündigungen der GRÜNEN das Gegenteil bewirken?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Recha

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Her Recha,

tatsächlich plädiere auch ich wie die meisten WirtschaftswissenschaftlerInnen, SozialwissenschaftlerInnen und FrauenpolitikerInnen für die Abschaffung, zumindest aber die Abschmelzung des Ehegattensplittings. Da Sie ja in Ihrer Frage deutlich gemacht haben, dass Sie an dem Ehegattensplitting festhalten möchten, von meiner Seite auch noch ein paar ausführlichere Anmerkungen:

Sie fragen, warum ich Paare mit Kindern, die sich für die EinverdienerInnen-Ehe entschieden haben, durch die Abschaffung des Ehegattensplittings künftig schlechter stellen möchte.

Nun: Das Ehegattensplitting kommt eben nicht "Paaren mit Kindern" zugute, sondern Ehepartnern. Völlig unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Eine aktuelle Studie der GEW (http://www.gew.de/Schub_fuer_Familienfoerderung_durch_Umgestaltung_des_Ehegattensplittings.html) kommt zu dem Schluss, dass 40% der Paare, die vom Ehegattensplitting profitieren, kinderlos sind. Unverheiratete Paare mit Kindern und Alleinerziehende können es dagegen nicht in Anspruch nehmen,

93% aller Paare, die vom Ehegattensplitting profitieren, sind darüberhinaus westdeutsche Paare (ebenda). Außerdem ist der Splittingvorteil dann am größten, wenn ein Alleinverdiener ein besonders hohes Einkommen hat.
Aktuell verteilt das Ehegattenplitting also von Ost nach West und von Unten nach Oben um. Das ist zwar lax ausgedrückt, aber sachlich richtig.

Außerdem bin ich der Meinung, dass der Staat nicht einseitig bestimmte Formen des Zusammenlebens und der Arbeitsteilung fördern sollte, sondern Orte der gegenseitigen Verantwortungsübernahme. Anlässlich hoher Scheidungsraten und einer wachsenden Anzahl Unverheirateter und Alleinerziehender muss das bedeuten, von einer einseitigen Förderung der Ehe aus Steuermitteln abzurücken.

Zumal Frauen und Männer, die lange Zeiten der Erwerbslosigkeit in Elternzeit in Kauf nehmen, im Fall einer Scheidung sehr häufig auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Mir mag nicht einleuchten, warum der Staat Gutverdienenden die Hausfrau oder den Hausmann subventionieren soll, um dann im Trennungsfall auch die negativen Folgen der langen Erwerbslosigkeit aufzufangen.

Dabei geht es übrigens mitnichten um eine angebliche "Benachteiligung" von "traditionellen" Paaren, sondern um die Abschaffung der Bevorteilung "traditioneller" Paare. Eine Bevorteilung, die mit den Steuergeldern von Menschen finanziert wird, die vielleicht selber Kinder haben.

Der "Mainstream der Doppelverdiener-Ehe" hat übrigens einen eindeutigen wirtschafts- und sozialpolitischen Hintergrund:

1. Es ist unsinnig, Menschen hoch zu qualifizieren, um dann mit dem Ehegattensplitting Anreize zu schaffen, diese Qualifikation durch lange Erwerbslosigkeit wieder zu verlieren.

2. Das Armutsrisiko Nummer 1 in Deutschland ist Erwerbslosigkeit. Und das größte Risiko, dauerhaft erwerbslos zu sein, tragen Menschen, die länger als ein Jahr aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Diese Spirale steuerlich zu fördern, kommt mir nicht sehr vernünftig vor.

Sinnvoll dagegen scheint mir eine direkte Förderung sowohl des Zusammenlebens mit Kindern als auch einer damit verbundenen (Teilzet)Erwerbstätigkeit. Dazu gehören Betreuungsplätze für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, die mittelfristig kostenlos sein sollten. Davon würden alle Eltern, die ihre Kinder in die Krippe oder den Kindergarten schicken direkt profitieren. Gleichzeitig können in qualitativ hochwertigen Betreuungseinrichtungen vorhandene Defizite bei Kindern erkannt und abgebaut werden, um den Bildungserfolg nachfolgender Generationen dauerhaft zu erhöhen.

Kostenlose Bildung von der Geburt bis zum abgeschlossenen Erststudium scheinen mir familien- und gesellschaftspolitisch deutlich vielversprechendere Ziele zu sein, als die einseitige Förderung der EinverdienerIn-Ehe. Gerade in einem so rohstoffarmen Land wie Deutschland, dessen größtes Kapital ist, was die Bevölkerung im Kopf hat.

In der Hoffnung, dass Sie meine Argumente nachvollziehen können,
mit freundlichen Grüßen,

Katja Husen