Frage an Katharina Landgraf von René J. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Landgraf,
im Koalitionsvertrag von CDU und FDP von 2009 steht, dass die Angleichung der Ost-Renten an West-Niveau in dieser Legislatur erfolgen sollte. Das ist nicht geschehen. Damit hat die Koalition aus CDU und FDP ein riesiges Versprechen gebrochen, dass sie nicht nur vor der Wahl sondern sogar im Koalitionsvertrag (!) festhielten. Dort heißt es: „Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein.“
Pustekuchen...
Wie stehen Sie zu diesem Ergebnis?
Sehr geehrter Herr Jalaß,
heute nehme ich mir gern Zeit, um Ihnen auf Ihren fragenden Einwurf zum Thema Rentenangleichung Ost-West den Sie auf Abgeordnetenwatch Anfang der Woche an mich adressiert haben, zu antworten. Etwas verunsichert bin ich - ehrlich gesagt, dass Ihr Text mit „Pustekuchen“ endet. Ist da möglicherweise der Text nicht komplett angekommen? Noch zwei Vorbemerkungen seien gestattet: Erstens empfinde ich es als ausgesprochen praktischer, wenn Bürgerinnen und Bürger aus meinem Wahlkreis den direkten und persönlichen Kontakt zu mir suchen. So genannte Andockstellen gibt es dafür genug, zum Beispiel über meine Wahlkreisbüros in Markkleeberg, Wurzen, Grimma und Borna - leicht im Internet zu finden, so über www.katharina-landgraf.de oder über google. Sie wohnen in Fuchshain, einem Ortsteil von Naunhof. Das ist fast die geografische Mitte des Wahlkreises. Zweite Bemerkung: Also der Weg über „Abgeordnetenwatch“ ist ja auch nicht verkehrt. Immerhin schafft man sich dadurch als Fragender große Öffentlichkeit im Netz und als Antwortende kann man mit den entsprechenden Reaktionen für sich selbst, für das jeweilige Thema und die jeweilige Partei, die man möglicherweise vertritt, Öffentlichkeitsarbeit machen. Davon halte ich nichts, zumal eine solche zwischengeschaltete Station fernab von jeder persönlichen, menschlichen und diskreten, die persönliche Privatsphäre schützende Kommunikation ist.
Aber nun zu Ihrer Anfrage direkt. Das Thema ist kompliziert. Und es beschäftigt sehr, sehr viele Menschen in meinem Wahlkreis. Da herrscht oft Unklarheit, wie es mit der Rentenangleichung Ost-West sich tatsächlich verhält. Ich möchte Ihnen dazu einen persönlichen Standpunkt übermitteln und bin da nicht unzufrieden, wenn dieser auch von anderen Interessierten gelesen wird. Der gesamte Text steht übrigens auf meiner Home Page unter „Standpunkte“:
Überschrift: Rentenangleichung Ost - West nicht zu Lasten der Ostdeutschen!
„Die Linkspartei hat für sich ein besonderes Aktionsfeld im Bundestagswahlkampf ausgemacht: Die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern an das Westniveau. Das scheint ganz im Sinne aller Ostdeutschen zu sein. Im selben Atemzug werfen die Linken der christlich-liberalen Koalition wortreich vor, dass in diesem Punkte der Koalitionsvertrag nicht erfüllt worden sei. Geflissentlich verschweigen sie die tatsächliche Festlegung im Vertrag der Koalitionspartner vom Herbst 2009. Dort heißt es auf Seite 84 unter der Überschrift „Rentenangleichung Ost / West“ wie folgt: „Das gesetzliche Rentensystem hat sich in den Neuen Ländern bewährt. Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein.“ So steht es „schwarz-auf-weiß“. Von einer Angleichung an die Westrenten steht da nichts.
Allerdings habe ich die Formulierung im Koalitionsvertrag schon von Anfang als problematisch angesehen. Denn: Wir haben doch in Deutschland eine einheitliche gesetzliche Rentenversicherung. Nur die Berechnung der Ansprüche ist nach dem Rentenüberleitungsgesetz noch verschieden. Und das aus gutem Grund!
Ich bin der Überzeugung, dass das geltende Rentenrecht für die Rentner und für die Beitragszahler in den neuen Bundesländern nach wie vor vorteilhaft ist. Immerhin erwirbt ein Arbeitnehmer in Ostdeutschland bei gleichem Lohn einen höheren Rentenanspruch als ein Arbeitnehmer aus den alten Ländern. Das ist Tatsache. An die „große Glocke“ würde ich das jetzt nicht unbedingt hängen. Zumeist ist aber das Lohnniveau im Osten doch erheblich niedriger. Deshalb gibt es nach wie vor den Vorteil der Höherwertung ostdeutscher Löhne und Gehälter um gut 17 Prozent. Das wiederum gleicht den Nachteil des um zehn Prozent niedrigeren Rentenwerts aus.
Es war vor nunmehr über zwei Jahrzehnten eine gesamtdeutsche Solidarleistung, die ostdeutschen Rentner und Arbeitnehmer in die deutsche Rentenversicherung einzubeziehen. Das ist bekanntlich unter Bundeskanzler Helmut Kohl geschehen. Und es war ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Deutschen Einheit. Ich darf erinnern, dass mit dem Ende der DDR auch das Rentensystem dieses Staates verschwunden ist. Das dort geltende Rentensystem unterschied sich grundsätzlich von dem in der Bundesrepublik. Die Rente war statisch und nicht dynamisch orientiert an das aktuelle Verdienstniveau. Eigentlich war die Rente nicht mehr als eine feste Alterssicherung auf niedrigem Niveau. Das war dem Gefüge der staatlich festgelegten Lebenshaltungskosten angepasst. Alles das ist Geschichte.
Die Solidarleistung im geeinten Deutschland umfasste auch, dass die in der DDR erworbenen Rentenansprüche auf eine solide Basis gestellt wurden. Es würde hier zu weit führen, die komplizierten Berechnungen bei der Rentenüberleitung im Detail aufzuführen. Nur so viel: Der politische Wille hatte Anfang der 90er Jahre dazu geführt, dass die Rentenansprüche der Ostdeutschen mit dem tatsächlichen Verdienstniveau im Westen verbunden wurden. Das war eine echte staatliche Solidarität im Einigungsprozess. Haben wir das schon vergessen? Zudem ist es gelungen, auch die ostdeutschen Rentner an den starken Lohnsteigerungen in Ostdeutschland nach 1990 zu beteiligen. Leider ist dieser Prozess Ende der neunziger Jahre stagniert, so dass die anfangs rasante Steigerung des Rentenwertes im Osten fortan ausgeblieben ist. Deshalb war es auch weiterhin vorteilhaft, dass die Höherwertung der Ansprüche für den Osten bestehen geblieben ist.
Mit der zum 1. Juli erfolgten Rentenerhöhung ist nicht zuletzt ein wichtiger Schritt zur Angleichung der Rentenwerte in Ost und West gelungen: Der aktuelle Rentenwert im Osten hat damit das Niveau von 91.5 % des allgemeinen Rentenwerts erreicht. Es wäre ausgesprochen töricht, wenn wir in diesen Prozess der laufenden Angleichung unbedacht eingreifen. Wir würden dabei mit Sicherheit den Osten benachteiligen, weil eben die Höherwertung wegfiele.
Der beste Weg zur Angleichung des Rentenwertes in Ost und West ist nach wie vor die Angleichung des Lohnniveaus zwischen den alten und neuen Ländern. Dafür brauchen wir kein neues Rentenrecht, sondern ein Umdenken in der Lohnpolitik. Der vielstrapazierte Werbespruch „Geiz ist geil“ sollte in der Lohnpolitik im Osten ein für allemal gestrichen werden. Da kann jeder mitwirken und mitkämpfen, die Unternehmerschaft mit ihren Verbänden, die Arbeitnehmervertretungen und alle Gewerkschaften sowie die demokratischen Parteien. Wenn da alle an einem Strang ziehen - ganz im Sinne der im Grundgesetz gesicherten Tarifautonomie - bräuchten wir dazu bei künftigen Koalitionsvereinbarungen keine politische Festlegungen zu treffen.“
Ich hoffe, sehr geehrter Herr Jalaß, dass Ihr Einwurf umfassend beantwortet ist.
Freundliche Grüße nach Fuchshain!
Katharina Landgraf, MdB