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Katharina Dröge
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jonas T. •

Warum gibt es bei so einem extrem wichtigen Thema wie Suizidhilfe keinen Fraktionszwang?

Hallo,
beim Thema Suizidhilfe geht es, wie das Bundesverfassungsgericht urteilte, um ein Grundrecht. Es geht um körperliche Autonomie und Selbstbestimmung.
Vielleicht können Sie als Fraktionsvorsitzende mir also folgende Frage beantworten: Warum wird ausgerechnet bei so einem wichtigen Thema der Fraktionszwang ausgesetzt? Und bitte sagen Sie jetzt nicht "weil es bei ethischen Fragen so üblich ist"!
Ich als Wähler möchte doch, dass die Abgeordneten der Partei, die ich gewählt habe, auch deren Wahlprogramm vertreten und nicht einfach so davon abweichen. Sonst ist meine Stimme doch umsonst gewesen oder nicht?
Rein von der Parteienkonstellation her haben wir die wohl gesellschaftspolitisch liberalste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik, mit Fraktionszwang hätte man einiges erreichen können. Das Ergebnis ist nun: Suizidhilfe bleibt ungeregelt und der Zugang für Suizidwillige zu tödlichen Medikamenten extrem schwer!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr T.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in Paragraf 217 des Strafgesetzbuches für verfassungswidrig erklärt. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, auch in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend haben wir als Bündnis 90/Die Grünen in unserem Bundestagswahlprogramm festgehalten, dass wir uns für den Zugang zur Sterbehilfe, verbunden mit einem Schutzkonzept, einsetzen. Schon in unserem Wahlprogramm haben wir uns aber für eine Abstimmung ohne einheitliche Fraktionsmeinung ausgesprochen.

Grundsätzlich gibt es in Deutschland keine Fraktionsdisziplin. Ein solcher Zwang würde gegen Artikel 38 des Grundgesetzes verstoßen. Abgeordnete sind weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden. Richtig ist, dass das Abstimmungsverhalten in der Regel im Rahmen von Fraktionssitzungen und fraktionsinternem Austausch unter den Abgeordneten abgesprochen wird.   Bei sogenannten Gewissensentscheidungen ist es allerdings üblich, dass aufgrund der hohen Polarisierung des jeweiligen Themas die Fraktionen von einer geeinten Fraktionsmeinung absehen. Vor diesem Hintergrund debattierte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seit vergangenem Herbst, wie das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gesichert werden kann und unter welchen Voraussetzungen hierbei Dritte, wie zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, helfen können. Wie bei medizinethischen Themen üblich, konnten die Abgeordneten über die Fraktionsgrenzen hinweg Gruppeninitiativen vorlegen. Ursprünglich lagen drei Gesetzesinitiativen vor, die jeweils auch von einigen Abgeordneten der grünen Fraktion mitgetragen wurden. Im Zuge der Beratungen schlossen sich zwei der drei Gruppen zusammen und legten einen gemeinsamen Gesetzentwurf vor. In der Abstimmung am 5.  Juli fand keiner der Gesetzentwürfe die notwendige Mehrheit. Der Regulierungsbedarf bleibt dementsprechend bestehen.

Mit freundlichen Grüßen

Team Dröge

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