Warum gibt es solch massive Ungleichheiten bei der Unterstützung der Vermögensbildung in Deutschland?
Sehr geehrte Frau Beck,
bekanntermaßen hat Deutschland unter allen Industrienationen mit das niedrigste pro-Kopf-Vermögen. Die Politik ist also gefordert, die Vermögensbildung in Deutschland zu fördern. Hier gibt es aber massive Ungleichheiten bei der Behandlung von Immobilienvermögen und liquidem Vermögen. Wer sich eine selbst genutzte Immobilie leisten kann, spart sich nicht nur Mietzahlungen. Bei der Vererbung an den Nachwuchs wird das Immobilienvermögen ebenfalls bevorzugt, sofern das Kind die Immobilie selbst bewohnt.
Da sich viele Menschen keine eigene Immobilie leisten können, wird in liquides Vermögen investiert (z.B. in Form von Sparplänen in ETF). Hier wird die Vermögensbildung massiv erschwert (Vorabpauschale, Besteuerung von Dividenden,etc). Was ist der Grund für diese Ungleichbehandlung, die ja gerade auch Menschen trifft, die monatlich nur eine geringere Summe zurücklegen können? Haben Sie das schon einmal bedacht?
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworte.
Zunächst gebe ich Ihnen vollkommen Recht, dass die Vermögenskonzentration in fast keinem anderen Land der EU so stark ist wie in Deutschland. Um das zu ändern, lege ich in meiner Arbeit einen großen Fokus darauf, Ungerechtigkeiten im Steuersystem abzubauen.
Dazu habe ich mit meinem Kollegen Andreas Audretsch Anfang September ein Papier mit dem Titel ,,Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen. Gemeinwohl stärken.“ veröffentlicht, das mittlerweile auch ein Beschluss der gesamten Grünen Bundestagsfraktion ist.
Im Papier gehe ich auch auf Ungerechtigkeiten bei Immobilienvermögen ein. Bei Immobilienverkäufen fordern wir eine Abschaffung der Steuerfreiheit nach der zehnjährigen Sperrfrist (sogenannte ,,Spekulationsfrist“), wenn sie vorher nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Dadurch beugen wir vor, dass Investoren auf steigende Immobilienpreise spekulieren.
Der Erwerb von Eigentum – sofern man es nicht von den Eltern erbt oder geschenkt bekommt – ist aber für viele mit der Aufnahme eines großen, meist sechsstelligen Kredites verbunden. Insofern sparen sie sich keine Miete, sondern ersetzen diese durch Mietzahlungen. Des Weiteren müssen sie beim Erwerb Grunderwerbsteuer zahlen und jedes Jahr die anfallende Grundsteuer.
Auch wollen wir das steuerfreie Vererben einer Immobilie von Eltern an ihre Kinder, sofern sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, keiner Steuer unterwerfen, da Familien besonderen Schutz gem. Grundgesetz genießen. Außerdem bleibt so zumindest ein weiterer Weg für nicht vermögende Kinder offen, eine Immobilie zu erwerben.
Der Staat unterstützt mit etlichen Förderungen und Zulagen die Altersvorsorge sowie den Immobilienkauf. Das Problem ist aber oft, dass viele Menschen die Zulagen gar nicht kennen oder Fristen versäumen.
Gerade diese Zuschläge & Förderungen machen es aber besonders in der Anfangsphase leichter, überhaupt Kapital aufzubauen. Und vor allem Geringverdiener und Berufsanfänger werden gefördert. Deshalb ist es besonders wichtig, die Finanzbildung in der Bevölkerung noch weiter auszubauen.
Wenn Arbeitnehmer mit ihren Arbeitgebern vermögenswirksame Leistungen auf Grundlage des Fünften Vermögensbildungsgesetzes vereinbart haben, fördert der Staat die Vermögensbildung. Dann fließt ein Teil des Arbeitslohns in die Anlageform, die der Arbeitnehmer gewählt hat - die gängigsten Formen sind der VL-Banksparplan, der VL-Fondssparplan, der VL-Bausparvertrag und die Baukredittilgung. Mit der sogenannten Arbeitnehmersparzulage fördert der Staat die vermögenswirksamen Leistungen (außer den V-Bankensparplan).
Daneben fördert der Staat mit der Wohnungsbauprämie den privaten Wohnungsbau. Die Förderung wird unter anderem auf Bausparbeiträge gewährt. Bausparer können die Wohnungsbauprämie erhalten, wenn das zu versteuernde Jahreseinkommen höchstens 35.000 Euro (Verheiratete: 70.000 Euro) beträgt. Neben den vermögenswirksamen Leistungen fördert der Staat die private Altersvorsorge mit der Riester-Förderung.
Der Aufbau einer privaten Altersvorsorge als zusätzliche Absicherung neben der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch dringend notwendig. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde ein Paradigmenwechsel in der deutschen Alterssicherung umgesetzt und das Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung abgesenkt. Strukturell wurde damit verändert, dass mehr Gewicht der Altersvorsorge auf die betriebliche und die private Altersvorsorge verlagert werden sollte.
Im Bereich der Riester-Förderung gibt es die Riester-Rentenversicherung, den Riester-Fondsparplan oder den Wohn-Riester. Mit dem Wohn-Riester kann z.B. eine Immobilie gekauft bzw. gebaut oder ein Immobiliendarlehen getilgt werden. Einen guten Überblick welches Produkt am besten passt, geben z.b. die Verbraucherzentralen.
Im Laufe dieses Jahres wurde in den Medien verstärkt berichtet, dass viele Menschen ihre Riester-Rentenversicherung stilllegen oder auflösen, weil die Kosten zu hoch und die Rendite zu niedrig sei. Das BMF und die Parteien der Ampelkoalition haben sich dem Thema angenommen und einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Attraktivität der Riester-Rente wieder steigern soll: Das BMF hat dazu einen Entwurf der privaten Altersvorsorge vorgelegt. In den FAQs kann sich über den aktuellen Stand informiert werden: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/reform-der-privaten-altersvorsorge.html
Der Aufbau der Riester-Rente erfolgt aus unversteuertem Einkommen. In der Ansparphase werden Wertsteigerungen und Erträge bei zertifizierten Altersvorsorgeverträgen nicht besteuert – unabhängig davon, ob oder in welchem Umfang die Altersvorsorgebeiträge gefördert wurden. Es fallen also keine steuerpflichtigen Kapitalerträge an. Die Besteuerung erfolgt erst nachgelagert – d.h. in der Auszahlungsphase. Dies hat den Vorteil, dass der individuelle Steuersatz meistens niedriger ist als während des Arbeitslebens.
Ich habe mich gefreut, dass Sie sich an mich gewandt haben und hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen kann. Der Austausch mit Bürger*innen ist mir wichtig und kostbar. Wenn Sie regelmäßig über meine Arbeit in Hamburg und Berlin informiert werden möchten, können Sie sich gerne hier für meinen Newsletter anmelden.
Herzliche Grüße
Katharina Beck