Frage an Karsten Möring von Jonas Dr. M.
Sehr geehrter Herr Möring,
warum haben Sie noch im Februar FÜR Finanzhilfen an Griechenland gestimmt als längst absehbar war daß das Land sich selbst nicht die nötige Struktur geben will? Im Licht der aktuellen Wendung wäre es bequem, der griechischen Regierung die Schuld für das Scheitern in die Schuhe zu schieben. Wie gedenken Sie die sich abzeichnende Entwicklung einer EU-Haftungsunion aufzuhalten?
Dr. J. Müller-Hübenthal
Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Hübenthal,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie weisen darauf hin, dass wir im Bundestag auch mit meiner Stimme (die ich im Rahmen einer zu Protokoll gegebenen persönlichen Erklärung an strenge Bedingungen geknüpft habe) im Februar grünes Licht für die Verlängerung des EFSF-Hilfsprogramms für Griechenland um vier Monate gegeben haben. Vielen dürfte das aufgrund des unprofessionellen und teilweise beleidigenden Auftretens der neuen griechischen Regierung schon damals nicht leicht gefallen sein. Die breite Zustimmung war damals meines Erachtens dennoch das richtige Signal. Wir hatten damit jedoch nicht die Auszahlung von Kreditmitteln aus dem laufenden Hilfsprogramm freigegeben. Wir haben Griechenland damit zunächst nur die Chance gegeben, das EFSF-Hilfsprogramm ordentlich abzuschließen und konkrete Reformmaßnahmen auf den Weg zu bringen, um die letzte Tranche aus dem Rettungsschirm ausgezahlt zu bekommen. Ich möchte betonen, dass wir damals nicht etwa eine griechische Reformliste beschlossen haben. Die grundsätzlichen Programmbedingungen wurden im sog. „Memorandum of Understanding“ festgeschrieben. Es gilt weiterhin und ist Maßstab für die Programmüberprüfung.
Der Versuch, die Programmbedingungen einseitig aufzukündigen, ist nicht akzeptabel. Hier hat die griechische Regierung viel Vertrauen zerstört. Europa lebt von Verhandlungen und Kompromissen. Wir müssen aufpassen, dass die dafür notwendige Vertrauensbasis nicht noch größeren Schaden nimmt. Die klare und unnachgiebige Haltung von Wolfgang Schäuble hat wesentlich dazu beigetragen, dass Griechenland die Euro-Finanzminister nicht auseinanderdividieren konnte. Dafür danke ich ihm ausdrücklich. Der Ball liegt jetzt im Feld der griechischen Regierung. Griechenland hat eine Bringschuld, nicht die Geberländer. Die Ursachen der derzeitigen Situation Griechenlands liegen im Land selbst. Griechenland hat viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt und es gleichzeitig nicht geschafft, sein Staatswesen effizient zu organisieren. Es ist nicht in Ordnung, dafür die Troika oder gar Deutschland verantwortlich zu machen.
Die Ereignisse um Griechenland haben in den vergangenen Tagen, wie Sie wissen, eine überraschende Wendung genommen. Der griechische Ministerpräsident hat angekündigt, für den 5. Juli 2015 ein Referendum über die Bedingungen zum Abschluss des bis Ende Juni laufenden zweiten Hilfsprogramms anzustreben. Zugleich wurden die griechischen Vertreter von den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds abgezogen. In der Nacht auf Sonntag — also nach dem Treffen der Finanzminister der Eurogruppe am vergangenen Samstag — hat das griechische Parlament beschlossen, dass das Referendum tatsächlich abgehalten werden soll. Gleichzeitig aber will die griechische Regierung der Bevölkerung eine Ablehnung des Programms empfehlen, obwohl das letzte Angebot der drei Institutionen Griechenland bereits sehr weit entgegen kommt. Zugleich hat die griechische Regierung vorgeschlagen, das laufende Programm noch einmal um mehrere Wochen zu verlängern, um aktuelle Zahlungsverpflichtungen Griechenlands durch Auszahlung von eng mit dem Programm verknüpften Mitteln zu decken, ohne an Programmbedingungen gebunden zu sein.
Das Auszahlen von Finanzmitteln ohne ein gemeinsames Verständnis über den weiteren Weg Griechenlands kann keine Lösung sein. Das wäre nicht nur unverantwortlich gegenüber den Bürgern aller anderen europäischen Staaten. Es würde auch das Wesen der Hilfen für Griechenland verkennen. Die europäischen und internationalen Programme können immer nur eine Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Dies hat in den anderen betroffenen Ländern der Eurozone gut funktioniert. Die finanzielle Solidarität hat es Griechenland ermöglicht, ein letztlich nicht selbst erwirtschaftetes Wohlstands- und Versorgungsniveau zu einem gewissen Grade aufrechtzuerhalten. Damit wird der Übergang abgefedert, und zwar in weit stärkerem Maße als dies etwa bei den osteuropäischen Staaten nach dem Zusammenbruch des Sozialismus der Fall war.
Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erteile ich einer Haftungsunion in Europa eine klare Absage: Die derzeitigen Probleme sind in der Euro-Zone entstanden und müssen deshalb auch in den einzelnen Ländern gelöst werden.
Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Hübenthal, es geht hier nicht, wie von Ihnen formuliert, um die Frage von Schuld. Es geht aber sehr wohl um die Frage der Verantwortung. Und da hat Griechenland die Verantwortung für die jetzt entstandene Lage zu tragen, weil die Regierung in Athen die Verhandlungen abgebrochen hat. Ein völlig unverständlicher Vorgang. Jetzt muss das Referendum abgewartet werden. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hat Recht, wenn er darauf verweist, nicht das Einhalten von Regeln gefährdet Europa, sondern Europa kommt in höchste Schwierigkeiten, wenn Regeln nicht mehr gelten.
Ich hoffe, dass ich Ihnen auf diesem Wege meine Position in aller Kürze verdeutlichen konnte und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring