Frage an Karsten Möring von Corinna L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Möring,
Demokratische Bürgerorganisationen wie Compact und change org. wird die Gemeinnützigkeit zunehmend aberkannt. Unternehmen hingegen können weiterhin jede Ausgabe für ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen. Ich kann da nicht mehr an Zufälle glauben. Im Gegenteil, es drängt sich der Verdacht auf, dass die Wirtschaft mit Hilfe des Steuerrechts systematisch begünstigt und die Zivilgesellschaft geschwächt werden soll. Eine schwache Zivilgesellschaft ist schwach gegen äußere Angriffe von außen, die unsere Demokratie schwächen und schädigen wollen. Ich fordere den Bundestag auf diese Entwicklungen zu beenden und den Bürgerorganisationen ihre Gemeinnützigkeit zurückzugeben. Wollen wir eine schwache Demokratie und eine starke WIrtschaftlobby,die uns bestimmt? Viele Menschen wollen sich einmischen und aktiv ihre Wünsche mit Hilfe von demokratischen Organisationen kundtun. Die Gemeinnützigkeit ist ein wichtiges Signal von seinen des Staates diese Energie anzuerkennen und wertzuschätzen. Ich würde mich über ihre Antwort freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Corinna Linnerz
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Frage. Gemeinnützige Körperschaften dürfen sich schon heute (in einem begrenzten Umfang) politisch betätigen. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung sieht dies vor, wenn nach den Verhältnissen im Einzelfall die gemeinnützige Tätigkeit zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund treten.
Das bedeutet: Die Grenzen der allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft sind noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert. Soweit eine Körperschaft danach politische Zwecke gemeinnützig verfolgen kann, muss sie sich zudem "parteipolitisch neutral" verhalten. Dies hat der BFH in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Die Gemeinnützigkeit ist hingegen zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.
Sie nehmen in Ihrer Frage Bezug auf Vereine, die sich für ihren gemeinnützigen Zweck auch politisch engagieren und fordern, dass eine solche politische Betätigung ausdrücklich steuerlich unschädlich sein soll. Mir sind aus der Praxis aktuell keine Vollzugsprobleme bekannt, wenn sich steuerbegünstigte Körperschaften innerhalb ihrer Satzungszwecke politisch äußern und diese Betätigung von untergeordneter Bedeutung ist (also dem Satzungszweck dient bzw. um dessen Zwecks willen erfolgt). Das kann auch aus unserer Sicht nicht passieren, weil die Finanzämter durch den Anwendungserlass zur Abgabenordnung verbindlich dazu angehalten werden, politische Betätigung nicht zu beanstanden, wenn sie dem Vereinszweck dient.
Das politische Engagement gemeinnütziger Organisationen ist also schon nach bestehendem Recht keine Gefahr für die Gemeinnützigkeit. Auch ohne eine Ergänzung der Abgabenordnung ist die Rechtslage zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen rechtlich klar und eindeutig. Daher besteht aus meiner Sicht kein Bedarf für eine gesetzliche Änderung. Auch das Urteil des BFH zu „BUND“ vom August 2017 bestätigt die bisherige Verwaltungspraxis, die es steuerbegünstigten Körperschaften erlaubt, sich bezogen auf den von ihnen geförderten Satzungszweck politisch zu äußern, solange dies parteipolitisch neutral ist.
Möchten sich gemeinnützige Vereine außerhalb ihres Satzungszwecks engagieren, müssen sie zur Aufrechterhaltung der Gemeinnützigkeit diese weiteren Zwecke in ihre Satzung aufnehmen. Das ist unproblematisch möglich. Die dem gemeinnützigen Verein bisher zugeflossenen Mittel können auch zur Verwirklichung des neuen Zwecks eingesetzt werden. Auch müssen die bisherigen und die neu aufgenommenen Zwecke nicht gleichmäßig stark verwirklicht werden. Das steht jedem Verein frei.
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring