Frage an Karsten Möring von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Möring,
ich habe eine ganz grundsätzliche Frage.
Was ist das Konzept der Bundesregierung und Ihrer Partei im Hinblick auf die Zukunft der hier lebenden Flüchtlinge?
Genießen sie Zuflucht auf Zeit, bis in ihren Herkunftsländern wieder stabile, sichere Zustände herrschen, oder sollen sie langfristig in Deutschland bleiben und letztlich die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen. Was würde dann aber aus deren Heimatländern werden, wenn ein beträchtlicher Teil der jungen Generation bei uns bleiben würde?
Bitte führen Sie entsprechende Nachweise aus Ihrem Wahlprogramm bzw. aus den Stellungnahmen der Bundesregierung an.
Vielen Dank schon jetzt für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S..
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Wir haben die Herausforderungen, die der enorme Zustrom von Flüchtlingen an uns gestellt hat, aktiv angenommen. Die Unions-geführte Bundesregierung und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben die Weichen gestellt, dass sich diese Situation nicht noch einmal wiederholt, und die sich bietenden Chancen zur Erneuerung unserer Strukturen und Regelungen genutzt. Ich kann in der hier angezeigten Kürze nur einige Aspekte zur Beantwortung Ihrer Grundsatzfrage anreißen.
Bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen haben wir uns unserer Verantwortung gestellt — sowohl gegenüber den Migranten als auch gegenüber unserer einheimischen Bevölkerung. Wir haben uns — mit großer Mithilfe durch die Länder und Kommunen — großzügig und offen bei der Aufnahme, aber auch konsequent und, wenn erforderlich, auch hart bei der Rückführung gezeigt. Die Maßnahmen reichen von drei umfassenden Asylgesetzpaketen über die Optimierung der Verfahrensabläufe bei der Aufnahme bis hin zu einem gerechten finanziellen Lastenausgleich zwischen Bund und Ländern. In einem neuen Kerndatensystem speichern wir alle Daten der Asylbewerber und können so Doppelregistrierungen vermeiden. Bei den Asylbewerberleistungen setzen wir vermehrt auf Sachleistungen und vermeiden so falsche Anreize. Wir haben zur besseren Integration von anerkannten Asylbewerbern die Möglichkeit einer Binnenverteilung in den Ländern sowie des Erlasses einer Wohnsitzregelung geschaffen. Um den Zuzug besser steuern zu können und die Integrationsfähigkeit der aufnehmenden Gesellschaft nicht überzustrapazieren, wurde der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zunächst bis März 2018 ausgesetzt.
Die enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern ist zentraler Bestandteil unserer Rückkehrpolitik. Für einen kohärenten und effektiven Ansatz sind dabei alle Politikfelder gefordert, gerade auch die Außen-, Entwicklungshilfe- und Wirtschaftspolitik. Durch intensive Verhandlungen mit wichtigen Herkunftsländern illegaler Migration ist es uns gelungen, die Rückübernahmebereitschaft zum Beispiel in den Maghreb- und den Westbalkanstaaten deutlich zu erhöhen. Die Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien haben wir zudem zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt und so die Zahlen der Migranten von dort ganz erheblich senken können. Den Gesetzentwurf, der dies auch für die Maghreb-Staaten vorsieht, hat der Bundesrat leider abgelehnt. Auf europäischer Ebene konnten wir eine Absprache mit der Türkei zur Rücknahme von Migranten und zu Kontingentlösungen zur geregelten Aufnahme von Flüchtlingen treffen und die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX stärken.
Die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer haben wir erleichtert: So haben wir u. a. die Missbrauchsgefahren einer Abschiebungsverhinderung aus vermeintlich medizinischen Gründen durch eine gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit, strengere Regeln für ärztliche Bescheinigungen und den weitgehenden Ausschluss von „Vorratsattesten" eingedämmt. Und wer seine Abschiebung durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit vereitelt oder an der Ausreise nicht ausreichend mitwirkt, darf sich nur noch innerhalb des Bezirks der jeweiligen Ausländerbehörde aufhalten. Wir haben 2015 den Ausreisegewahrsam eingeführt und in diesem Jahr seine Höchstdauer von vier auf zehn Tage verlängert. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darf nun zur Klärung von Identitäten Mobiltelefone von Asylsuchenden auslesen. Zu gemeinsamen Beschlüssen zu diesen Themen war unser Koalitionspartner SPD leider erst spät bereit.
In Umsetzung der Ergebnisse der Besprechung unserer Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 9. Februar 2017 wurde zudem das Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) in Berlin eingerichtet. Daneben tragen die Maßnahmen zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr, wie die Einrichtung des Rückkehr-Informationsportals und die Erhöhung der Rückkehrhilfe zu einer weiterhin hohen Zahl freiwilliger Ausreisen bei.
Angesichts der großen Zahl an Zuwanderern sind die Themen „Integration und Gesellschaftlicher Zusammenhalt" von überragender Bedeutung. Unser Konzept dafür lautet „Fördern und Fordern": Wir haben den Menschen, die bei uns bleiben dürfen, sehr viel anzubieten. In dieser zu Ende gehenden Legislaturperiode haben wir das erste Integrationsgesetz in Deutschland beschlossen. Aber wir erwarten mehr als nur Teilhabe an unserem Leistungsangebot — wir erwarten konstruktive und aktive Teilnahme an unserer Gesellschaft und ein ehrliches Bemühen, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das Angebot und auch die Verpflichtung zum Besuch von Integrationskursen haben wir erheblich erweitert und an die Vorkenntnisse der Flüchtlinge angepasst. Jedes Land, auch Deutschland, ist angewiesen auf ein einigendes Band in Form von innerem Zusammenhalt und Identität. Dies ist unsere freiheitliche Leitkultur, die wir bewahren und stärken müssen. Die Leitkultur ist eine ungeschriebene Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben in Deutschland. Zusätzlich zu den Prinzipien des Grundgesetzes gehören hier aus meiner Sicht aber auch Werte wie Respekt, Höflichkeit, Bekenntnis zu unserer Geschichte oder auch zum Existenzrecht Israels zu einem einigenden Leitkultur-Band.
Grundsätzlich gilt, dass Flüchtlinge einen Anspruch auf den Nachzug ihrer Kernfamilie haben. Bei denen, die lediglich subsidiären Schutz erhalten, wird nach einem Jahr geprüft, ob die Bedrohung im Herkunftsland fortbesteht. Möglicherweise müssen einige Menschen daher in absehbarer Zeit unser Land wieder verlassen. Wir haben deshalb den Nachzug bis März 2018 ausgesetzt. Wir stehen für eine klare Einbürgerungsperspektive für Einwanderer, die schon über Jahre bei uns leben, arbeiten und gut integriert sind. Wir wollen, dass diese Menschen die Möglichkeit nutzen, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Die dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft muss aber immer die Ausnahme bleiben. Und wir wollen, dass möglichst alle, die mit Bleibeperspektive neu nach Deutschland kommen, baldmöglichst ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können.
Keine Frage: Die Integration ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Das spiegelt sich sowohl im Handeln der Bundesregierung auch im Wahlprogramm der CDU für die Bundestagswahl wieder. Wir sollten dies weder Träumern noch Populisten überlassen, sondern klug und konsequent gestalten. Das sind wir den nachfolgenden Generationen nicht nur in Köln schuldig.
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring