Frage an Karsten Möring von Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Stimmen Sie am 27. April gegen oder für die Novellierung des Strafgesetzbuchs Paragraph 113 und 114?
Sehr geehrter Herr Möring,
ansässig bin ich in Berchtesgaden, aber im Moment befinde ich mich im Rheinland und habe aus erster Hand den polizeilichen Umgang mit politischem Aktivismus der Klimaaktivisten erfahren. Bei zivilen Ungehorsam und Besetzungen kommt es des öfteren vor, dass die Polizei selbst das Gesetz und Grundrechte der Demonstranten verletzt um Situationen "unter Kontrolle" zu bringen.
Daher würde mich Ihre Meinung zum Thema Ausmaß/Befugnis der Polizeigewalt gegen zivilen Ungehorsam interessieren und ob und wenn ja, wie, Sie am 27. April zur Novellierung des Strafgesetzbuchs Paragraph 113 und 114 abstimmen werden.
Hier einige Statements von Ende-Gelände, einer Bewegung für Klimagerechtigkeit, die dafür kämpft, dass die 1,5 Grad-Grenze eingehalten wird:
"Ohne zivilen Ungehorsam wäre der Atomausstieg in Deutschland nicht erreicht worden. Ebensowenig hätte es ein Ende der Apartheid in Südafrika, die Bürgerrechtsbewegung im Herbst 1989 in der DDR, die Proteste gegen den Vietnamkrieg in den USA oder das weltweite Wahlrecht für Frauen gegeben.
Es sagen dann zumeist zwei oder mehr Polizeibeamte gemeinsam aus, und es ist sehr schwierig für einen Bürger oder eine Bürgerin, vor Gericht dagegen anzukommen. So haben in Stuttgart vier Polizist*innen einen Autofahrer in einer Verkehrskontrolle verprügelt und zu Boden geworfen. Angezeigt wurde anschließend der Autofahrer – wegen angeblichen Widerstands gegen die Polizist*innen. Erst als ein Video in den sozialen Medien verbreitet wurde, worin zu sehen war, dass von dem Autofahrer überhaupt kein Widerstand ausging, reagierte das Innenministerium."
Ich verbleibe in großer Vorfreude auf Ihre Antwort und
mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Kecht,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Da ich mit Ihrer Bewertung der Gesetzesnovelle nicht übereinstimme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Standpunkt darzulegen sowie einige Detailinformationen zu liefern.
Es gab 67114 verletzte Polizeibeamte im Jahr 2016. Was tun wir mit den Tätern? Nur darum geht es letztlich in dieser Frage. Mit der Zustimmung zum Gesetzentwurf zum Schutz von Vollstreckungsbeamten haben wir am 27. April 2017 im Bundestag die rechtsstaatlich gebotene Antwort auf die Zunahme der Zahl von Gewaltdelikten gegen Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute gegeben. Der § 113 Strafgesetzbuch wurde geändert: Er schützt die Vollstreckungshandlung. Und der tätliche Angriff gegen Personen aus dieser Personengruppe wird in dem neuen § 114 des Strafgesetzbuches geregelt und mit einer höheren Strafdrohung versehen.
Das ist eine gesetzliche Maßnahme, die aus meiner Sicht notwendig ist, weil dieser Rechtsstaat nicht bereit sein darf, die Respektlosigkeit und die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte hinzunehmen. Es ist die deutliche Absage an Gewalt und Respektlosigkeit. Vergessen wir nicht: Polizeibeamte, die im Einsatz oft einer besonderen Gefahrensituation ausgesetzt sind, werden nicht allein als Individualpersonen angegriffen; der Angriff gilt ihnen als Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols und unserer Rechtsordnung, und darauf reagieren wir. Nach meinem Verständnis gibt es kein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat: Unsere Polizei begegnet den Bürgern durch einen offenen Umgang auf Augenhöhe. Und gerade weil die Polizei einen offenen Umgang pflegt, müssen wir Polizeibeamte im Dienst auch besser schützen.
Es ist schon Paradox: Allgemein sind in der breiten Masse der Bevölkerung Polizei und Rettungskräfte zu Recht hoch angesehen. Die übergroße Mehrheit der Menschen bringt Polizisten, Feuerwehrleuten und anderen Einsatzkräften daher den Respekt entgegen, den sie auch verdienen. Aber ein kleiner Teil der Bevölkerung lässt genau diesen Respekt vermissen. Er hindert die Einsatzkräfte an der Arbeit, oder er wendet gar gegen sie Gewalt an. Wir müssen diesen Respekt vor dem Staat, seinen Regeln und seinem Personal auch von der Minderheit militanter Chaoten in unserem Lande einfordern, die heute noch meinen, sie könnten ihre Verachtung unseres Staates durch die Drangsalierung seiner Repräsentanten zum Ausdruck bringen. Dagegen wollen wir ein klares Zeichen setzen.
Wir müssen unsere Rettungskräfte schützen, die oftmals nach Feierabend in ihrer Freizeit bei Großveranstaltungen, aber auch bei ganz normalen Einsätzen ehrenamtlich bzw. unbezahlt zur Stelle sind, wenn Menschen verletzt worden sind. Auch sie haben Schutz verdient. Wer spürbar und nicht unerheblich eine Rettungshandlung behindert, wer im Krankenhaus Ärzte und Krankenhauspersonal behindert und wer, obwohl er es könnte, eine Rettungsgasse nicht freimacht, muss mit der strafrechtlichen Antwort dieses Staates rechnen, weil wir die Gefährdung von Menschenleben in Rettungssituationen nicht dulden und akzeptieren wollen.
Respekt für unsere Polizei, für Feuerwehr und Rettungskräfte lässt sich natürlich nicht allein durch das Strafrecht erzielen. Der bessere strafrechtliche Schutz aber ist ein wichtiges Zeichen auch für die Haltung dieses Staates, dass wir Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte nicht allein lassen und dass wir bei ihrem schwierigen Dienst für unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Rechtsordnung an ihrer Seite stehen. Daher habe ich diesem Gesetz mit voller Überzeugung zugestimmt!
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring