Frage an Karsten Möring von Hubert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Möring,
die Regierungschefs der Eurozone haben, nach sehr schwierigen Verhandlungen, soeben ein weiteres Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Das Land ist bereits mit ca. 320 Mrd. Euro verschuldet. Durch das neue Programm erhöht sich die Verschuldung nochmals um mindestens 80 Mrd. Euro. In den vergangenen Jahren, seit dem Beginn der Rettungsmaßnahmen für Griechenland, wurde uns Steuerzahlern immer wieder erklärt, dass Griechenland Geld gegen Reformen erhält und auf einem guten Weg sei. In den letzten Monaten mussten wir jedoch erfahren, dass das Land sich in einer desolateren Verfassung befindet als zu Beginn der Hilfsmaßnahmen durch EU und IWF. Dies hat dazu geführt, dass die griechische Regierung die Umsetzung des vorherigen Programms abgebrochen hat, ein Referendum zu der Thematik ansetzte und dem griechischen Volk empfahl, mit Nein zu stimmen. Die griechische Bevölkerung hat mit ca. 62% Nein-Stimmen gegen weitere Reformen gestimmt. Zudem wurden europäische und vor allem deutsche Politiker durch griechische Politiker verunglimpft und so jegliches Vertrauen zwischen der griechischen Regierung und ihren europäischen Partnern zerstört. Einige Tage nach dem Referendum beantragt die griechische Regierung ein neues Programm, macht also exakt das Gegenteil dessen, was das griechische Volk im Referendum beschlossen hat. Die bereits erhaltenen Kredite wird die griechische Regierung nicht zurückzahlen, das Geld es ist weg, d.h. irgendwann wird der europäische und damit auch der deutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Der Bundestag wird in den nächsten Tagen der Bundesregierung ein Mandat erteilen, damit diese die Verhandlungen über ein neues Programm für Griechenland aufnehmen kann. Deshalb meine Frage an Sie als dem Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises:
Können Sie mit gutem Gewissen einem weiteren Hilfspaket für Griechenland zustimmen?
Sehr geehrter Herr Weidgang,
vielen Dank für Ihre kritische Anfrage. Wie die große Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen habe ich im Sommer 2015 im Bundestag dem Antrag des Bundesministers der Finanzen für ein drittes Hilfspaket an Griechenland mit einem Volumen von bis zu 86 Mrd. Euro und der Auszahlung einer ersten Tranche mit einer Gesamthöhe von 26 Mrd. Euro zugestimmt. Das Programm hat eine Laufzeit von 3 Jahren und endet im August 2018. Diese Unterstützung dient dazu, den erheblichen finanziellen Problemen Griechenlands zu begegnen, aus denen sich potenziell gravierende Auswirkungen für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und einer Reihe von Mitgliedstaaten der Eurozone ergeben können. Bei dem vereinbarten Programm geht es um die Wiederherstellung der Finanzstabilität, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Reduzierung sozialer Probleme. Dieses dritte Hilfsprogramm für Griechenland ist nach Auffassung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalen Währungsfonds notwendig, da sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation in Griechenland nachhaltig verschlechtert hatte. Aufgrund der politischen Ungewissheit, der wieder einsetzenden Rezession, staatlicher Mindereinnahmen, griechischer Regierungsbeschlüsse der vergangenen Monate und massiver Kapitalabflüsse, durch die die Bankenschließung und die Auflage von Kapitalverkehrskontrollen unausweichlich wurden, hatten sich die ökonomischen Daten zusehends verschlechtert. Auch die Liquidität der Banken ist in einem kritischen Zustand. Bis Ende Mai des Jahres 2015 wurden dem Bankensektor 19 % der Einlagen im Wert von 30 Mrd. Euro entzogen. Griechenland bekennt sich nun endlich dazu, dass es Solidarität nur gegen die Umsetzung von Reformen und regelmäßiger Erfolgskontrollen gibt. Im Interesse Griechenlands und eines starken und handlungsfähigen Europas war es richtig, Griechenland mit dem Hilfsprogramm eine weitere Chance auf wirtschaftliche Gesundung zu geben.
Bereits der Beschluss der Staats- und Regierungschefs zum dritten Griechenland-Programm vom 12. Juli 2015 sah vor, dass die Eurogruppe erforderlichenfalls mögliche zusätzliche Maßnahmen wie einen längeren Tilgungsaufschub oder längere Rückzahlungsfristen erwägt, um sicherzustellen, dass der Bruttofinanzierungsbedarf auf einem tragfähigen Niveau bleibt. Solche Erleichterungen dürfen im Ergebnis jedoch kein Schuldenschnitt sein, da die Europäischen Verträge dies nicht zulassen. Im diesem Rahmen ist jetzt auch noch einmal über das Schuldenmanagement gesprochen worden, wie es bereits im vergangenen Sommer für den jetzt aktuellen Zeitpunkt der ersten Programmüberprüfung und die damit zusammenhängende Entscheidung über eine Beteiligung des IWF vereinbart war.
Keine Frage: Die Schulden- und Wirtschaftskrise in Griechenland ist so tiefgreifend, dass ihre Überwindung einen sehr langen Atem erfordert. In der Vergangenheit hat es immer wieder Verzögerungen in der Programmumsetzung gegeben. Nun ist die erste Überprüfung der Umsetzung des dritten Hilfsprogramms erfolgreich verlaufen. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen und seine Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten schrittweise zurückerlangen kann. Daher sollten wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen. Es bleibt dabei: Die internationale Gemeinschaft kann Griechenland nur dann helfen, wenn es selbst seine tiefe Krise überwinden will. Der politische Wille hierzu ist gegenwärtig gegeben. Insofern sollten wir unseren Beitrag dazu leisten, dass das Anpassungsprogramm zu einem Erfolg werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring