Frage an Karl Holmeier von Siegfried H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Holmeier,
mit Ihrer Abstimmung gegen die Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA haben Sie meiner Meinung nach der Bundesrepublik und den Bürgern dieses Staates keinen guten Dienst erwiesen. Wie aus verschiedenen Veröffentlichungen der Nachrichtendienste bislang zu entnehmen war, können damit Schiedsgerichte Staaten zu Zahlungen verurteilen, wenn sich private Investoren oder Industrie&Wirtschaft benachteiligt sehen, weil Ihre Vorstellungen von freiem Handel oder Wettbewerb mit den Gesetzen unseres Landes nicht in Einklang stehen. Damit könnten all die Gesetze, die bislang uns Deutsche vor allzu viel Chemie im Essen, vor dem Handel mit Trinkwasser, Fracking etc. schützten, zu Makulatur werden. Denn was in einem Land (USA) erlaubt ist, kann dann auch in Deutschland notfalls per Klage vor Schiedsgerichten durchgesetzt werden. Ihr Abstimmungsverhalten steht m.E. nicht mit Ihrem Bundestagsmandat im Einklang. Bitte belehren Sie mich eines Besseren!
Ihr
Siegfried Hübschmann
Sehr geehrter Herr Hübschmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch. Meine Antwort dürfte Ihnen auch postalisch zugegangen sein. Zunächst bitte ich Sie, für künftige Anfragen eine der zahlreichen Angebote zu wählen, die Ihnen einen direkten Kontakt zu mir ermöglichen. Dies sind: E-Mail karl.holmeier@bundestag.de, Homepage www.holmeier.de, Facebook www.facebook.com/karl.holmeier, Homepage des Deutschen Bundestages www.bundestag.de, Homepage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion www.cducsu.de, Homepage der CSU-Landesgruppe www.csu-landesgruppe.de sowie meine Wahlkreisbüros in Schwandorf (Tel. 09431– 96 04 29) und in Cham (Tel. 09971– 99 63 700). Hintergrund dieser Bitte ist, dass ich Ihre Anfrage ausschließlich über die Redaktion von Abgeordnetenwatch beantworten kann. Auf diese Weise können Dritte mit der von mir verfassten Antwort Geld verdienen, ohne dass ich eine Kontrolle darüber habe, wann und in welcher Weise Sie die Antwort erreicht. Da ich mich nur ungern derart instrumentalisieren lasse, ziehe ich den direkten Kontakt vor.
Nun zu Ihrer Frage:
Erlauben Sie mir, zunächst nochmals ganz grundsätzlich und in aller Kürze auf die Bedeutung des Freihandels für Deutschland und für unser Sozial- und Wirtschaftssystem einzugehen.
Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert in besonders hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 51 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen rund 1,4 Billionen Euro im Jahr 2013. Freihandel ist zudem für die Wertschöpfungsketten innerhalb Europas von hoher Bedeutung. Zwei Drittel der europäischen Importe sind Rohstoffe, Zwischenprodukte oder Komponenten für Hersteller in der Europäischen Union. Ohne offene Märkte, durch Beschränkungen der Importe oder durch eine Verteuerung von Einfuhren würde somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Unternehmen verschlechtert und Arbeitsplätze gefährdet.
All diese Zahlen belegen, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa sehr wünschenswert ist. Er ist Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU und in Deutschland. Deutschland und die EU haben somit ein hohes Interesse an dem Abschluss von Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP. Diese Gesamteinschätzung müssen wir im Auge behalten, wenn wir über einzelne Aspekte der Abkommen wie zum Beispiel den Investitionsschutz reden. Zu berücksichtigen ist überdies, dass die Abkommen uns die – vielleicht letztmalige – Möglichkeit bieten, unsere hohen sozialen, umwelt- und verbrauchpolitischen Standards auch im 21. Jahrhundert weltweit zu verbreiten. Denn wenn es uns nicht gelingt, diese globalen Standards der Zukunft mit unseren amerikanischen Partnern zu setzen, werden sie von anderen aufstrebenden Mächten wie zum Beispiel China und Indien gesetzt.
Konkret zu dem von Ihnen angesprochenen Thema „Investitionsschutz“ erlauben Sie mir folgende Anmerkungen:
Die Verhandlungen zu den Investitionsschutzbestimmungen in TTIP sind derzeit ausgesetzt. Es liegen keine Texte vor, die eine inhaltliche Bewertung erlauben. Die EU-Kommission hat allerdings Ende März 2014 öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Erst auf dieser Basis wird die EU ihre Verhandlungsposition zum Thema festlegen.
Diese Vorgehensweise der Kommission ist zu begrüßen. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen! Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt- und Verbraucherschutz können auch kein Klagerecht von Unternehmen begründen.
Das Freihandelsabkommen mit Kanada CETA enthält Regelungen zum Investitionsschutz und zum Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren. Auch hier gilt, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. CETA setzt dies nach jetzigem Prüfungsstand um, indem es nur solchen Investitionen Schutz einräumt, die unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden, in Deutschland also im Einklang mit deutschen Recht und EU-Recht stehen. Außerdem enthält CETA eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die betreffenden Maßnahmen manifest unverhältnismäßig sind. Dann wären sie aber bereits nach deutschem Verfassungsrecht rechtswidrig, so dass CETA insoweit keine zusätzlichen Ansprüche für Investoren schafft.
Ein aktuelles Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass der durch CETA gewährte Schutz ausländischer Investoren deutlich hinter dem Investitionsschutz des Grundgesetzes zurück bleibt. Mit anderen Worten: Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute einen wesentlich stärkeren Schutz gegen staatliche Maßnahmen als CETA. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) wird durch CETA nicht tangiert.
Deutschland hat die Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine dieser Klagen war bisher erfolgreich. Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert den Unternehmen, dass ihre Investitionen im Ausland gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Er schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für Unternehmen. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Dies heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. Insbesondere dürfen, dies darf ich nochmals ausdrücklich betonen, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden.
Wie Sie sehen, machen es sich die Bundesregierung und die regierungstragenden Fraktionen in der Sache TTIP und CETA gerade nicht leicht. Uns ist die Sicherheit der Menschen in Deutschland und die Einhaltung der rechtsstaatlichen Prinzipien sehr wichtig. Sollten Sie weitere Anmerkungen zum TTIP oder CETA haben, so setzen Sie sich wieder mit mir in Verbindung. Für einen weiteren konstruktiven Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Holmeier