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Karl-Heinz Warnholz
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Frage von Jürgen S. •

Frage an Karl-Heinz Warnholz von Jürgen S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Warnholz,

was passiert eigentlich mit Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, wenn sich in deren praktischen Umsetzung zeigt, dass diese nicht den realen Anforderungen entsprechen und Menschen darunter unverhältnismäßig zu leiden haben?

Herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Ihr
J. Schmidt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schmidt,

ich möchte die von Ihnen gestellte Frage jeweils nach der Art der Gesetze aufteilen.

1.. formelle Gesetze - die durch das Parlament beschlossene Gesetze Vom Parlament erlassene Gesetze, die nach bestimmten Formerfordernissen, die durch Grundgesetz bzw. Landesverfassung vorgegeben worden sind, entstehen regelmäßig erst nach einer umfassenden Anhörung von Experten und Beratungen im Parlament. Begleitet wird der Erlass dieser sog. formellen Gesetze auch durch die Medien. Da bereits im Vorfeld eine umfassende Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit stattfindet, kommen Fehler, wie von Ihnen beschrieben, nicht besonders häufig vor.

Sollte ein solches formelles Gesetz tatsächlich, wie von Ihnen beschrieben, unverhältnismäßig sein, so liegt ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor. Das vom Parlament beschlossene Gesetz wäre dann verfassungswidrig.

Gegen ein solches Gesetz kennen das Grundgesetz und die Landesverfassungen mehrere gerichtliche Instrumentarien.

1.. Verfassungsbeschwerde: jedermann kann, wenn entscheidungserheblich, eine Verfassungsbeschwerde erheben. In diesem Verfahren prüft das Verfassungsgericht das Parlamentsgesetz am Maßstab von Grundgesetz und den jeweiligen Landesverfassungen.
2.. Abstrakte Normenkontrolle: Eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten kann eine Überprüfung des betroffenen Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht bzw. Landesverfassungsgericht erheben. Das kommt darauf an, welches Parlament das formelle Gesetz erlassen hat. In diesem Verfahren prüft das Verfassungsgericht das Parlamentsgesetz am Maßstab von Grundgesetz und den jeweiligen Landesverfassungen.
3.. Konkrete Normenkontrolle: wenn ein Gericht ein verfassungswidriges Gesetz im Verfahren anwenden muss, kann das Gericht das Gerichtsverfahren aussetzen und das Gesetz dem Bundes- oder auch Landesverfassungsgericht zur Kontrolle vorlegen. In diesem Verfahren prüft das Verfassungsgericht das Parlamentsgesetz am Maßstab von Grundgesetz und den jeweiligen Landesverfassungen. In diesem Zusammenhang muss noch angemerkt werden, dass die jeweiligen Verfassungsgerichte dann nicht selbst das verfassungswidrige Gesetz modifizieren dürfen. Die Gesetzgebungskompetenz verbleibt aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung allein beim zuständigen Parlament.

2.. Verordnungen und Richtlinien - erlassen durch die Verwaltungen in Bund und den Ländern Das Grundgesetz und die Landesverfassungen eröffnen den Verwaltungen in Bund und Ländern die Möglichkeit, Ausführungsvorschriften, Richtlinien, aber auch in Einzelfällen, in denen ein Parlament in einem formellen Gesetz die Verwaltung ausdrücklich ermächtigt hat, Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese allein von der Verwaltung erlassenen Vorschriften nennt man materielle Gesetze. Diese können, wenn unsinnig, von der Verwaltung selbst wieder geändert oder gar aufgehoben werden.

Unverhältnismäßige materielle Gesetze sind ebenfalls rechtswidrig.

Der Bürger kann sich gegen solche rechtswidrigen materiellen Gesetze - wenn entscheidungserheblich - mittels eines Normenkontrollantrags an das Oberverwaltungsgericht wenden. Das Oberverwaltungsgericht kann dieses materielle Gesetz dann selbst verwerfen und damit aufheben.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann jedes Verwaltungsgericht diese materiellen Gesetze überprüfen und gegeben falls für rechtswidrig erklären und diese Regelung dann nicht anwenden.

3.. Politische Kontrolle von förmlichen und materiellen Gesetzen Unsinnige oder gar verfassungswidrige Gesetze aller Art sind für einen jeden Oppositionspolitiker aber auch für den Parlamentsabgeordneten an sich ein sog. "gefundenes Fressen". Der Abgeordnete wird sich mit Hilfe der Medien an die Öffentlichkeit wenden. Schnell werden sich dann auch Verbände und andere gesellschaftliche Gruppierungen finden, die dieses Parlamentsgesetz ebenfalls einer kritischen Würdigung unterziehen werden. Zudem wird sich das Parlament selbst sehr schnell mit dem Sachverhalt befassen wollen.

Zudem haben die Parlamente - so auch die Hamburger Bürgerschaft auf Vorschlag der CDU-Fraktion in dieser Legislatur - eine Kommission gebildet, die eben gemeinsam mit der Verwaltung unsinnige oder gar rechtswidrige materielle Gesetze aufspüren sollen. Deren Arbeit ist nicht immer pressewirksam aber nicht unerfolgreich.

Und zu guter letzt sind Parlamente und Verwaltungen mittlerweile auch dazu übergegangen, ihre Werke zeitig zu befristen um den nachfolgenden Generationen nicht ein Übermaß an Regelungen zu überlassen.

4.. Ergebnis
Das System unseres demokratischen Rechtsstaates hält also genügend rechtliche und politische Mechanismen vor, um den Grundrechtsträger vor Schaden zu bewahren.

Ich hoffe, dass ich Ihnen ausreichend auf Ihre Frage geantwortet habe und Ihnen auch die Befürchtung ein Stück nehmen konnte, dass wir Bürger eines Tages in einem Ozean an Regelungen untergehen werden, die nicht immer sinnvoll oder gar schlimmer sind.

Fehler werden sicherlich immer geschehen. Dafür hat aber unser Grundgesetz die notwendigen Mechanismen getroffen.

Mit den Worten eines Lüneburger Kaufmanns, der sich über die Regelungswut der Hanse im 15 Jahrhundert in seinem Tagebuch beschwerte, möchte ich die besten Grüße in das Alte Land entsenden:

"Das Zusammenleben mit vielen kann einem zur Hauptbeschäftigung werden".

Ihr

Karl-Heinz Warnholz