Frage an Karl-Georg Wellmann von Andreas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Karl-Georg Wellmann,
leider haben Sie die
Frage von Herrn Roberto Gatelli in keinster Weise beantwortet, bitte beantworten Sie doch die Frage.
Wiederholung der Frage:
"wenn wie von Ihren Kollegen geplant der EU-Reformvertrag alias EU-Verfassung am 1. Januar 2009 in Kraft tritt;
Steht der EU-Vertrag im Zweifel über oder unter dem deutschenb Grundgesetz?
Werden wir dann in einem Europäischen Superstaat leben?
Sehen Sie auch negative Aspekte darin, das Europas Staaten ihre Souveränität und Unabhängigkeit verlieren werden und alle Gesetze in Europas Ländern die selben sind, also homogene Gesetze für alle Länder der EU?"
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Bahr,
gern verdeutliche ich Ihnen anhand Ihrer Fragen meinen Standpunkt zur EU und zum EU-Reformvertrag.
Europas Staaten verlieren weder ihre Souveränität noch ihre Unabhängigkeit. Der Verfassungsvertrag vereinigt den EG-Vertrag und den EU-Vertrag, integriert die Grundrechtecharta, überwindet die alte Säulenstruktur und schafft eine einheitliche vertragliche Grundlage für die Europäische Union. Die Europäische Union ist eine Union der Bürger und eine Union der Staaten. Die Nationalstaaten sind weiterhin die „Herren der Verträge“. Die EU bleibt damit – wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat – ein Staatenverbund, der zum Wohle aller Bürger die Aufgaben gemeinsam wahrnimmt, mit denen der einzelne Staat alleine überfordert wäre.
Wir werden künftig auch in keinem europäischen Superstaat leben, CDU und CSU streben ein föderatives Europa an. Das Subsidiaritätsprinzip, eine sehr wichtige Grundlage der Europäischen Union, trägt maßgeblich dazu bei, die Organe der EU in der europäischen Gesetzgebung zu beschränken, zudem wurde die Transparenz in der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon gestärkt: neben der Verleihung der Rechtspersönlichkeit an die EU ist hier vor allem die erstmals vorgenommene Abgrenzung der Zuständigkeiten der Europäischen Union nach den einzelnen Politikbereichen zu nennen. Die EU kann dabei nur im Rahmen der Zuständigkeiten tätig werden, für die ihr nach dem Verfassungsvertrag Befugnisse zugewiesen worden sind. Es ist explizit klargestellt worden, dass vertragliche Zielbestimmungen keine Kompetenzen der EU begründen. Das Grundgesetz ist für uns deshalb nach wie vor die oberste Richtschnur. Da aber viele Kompetenzen an die EU abgegeben worden sind, ist das EU-Recht bei der Auslegung deutscher Gesetze heranzuziehen.
Die Gesetze in Europas Ländern werden auch nicht, wie von Ihnen befürchtet, "gleichgeschaltet". Der Verfassungsvertrag verbessert die EU-Demokratie und den Grundrechtsschutz, stärkt die Befugnisse des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber und weitet das Mitentscheidungsverfahren aus. Gleichzeitig wird – und das ist eine der wesentlichen Neuerungen des Verfassungsvertrages – die direkte Beteiligung der nationalen Parlamente am europäischen Gesetzgebungsprozess eingeführt. Danach ist erstmals vorgesehen, dass die nationalen Parlamente Vorschläge der Kommission für Gesetzgebungsakte im Hinblick auf die Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip überprüfen und gegebenenfalls eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgeben können, wenn sie eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips festgestellt haben (sog. Frühwarnsystem). Ist ein Drittel der nationalen Parlamente derselben Auffassung, so muss die Kommission ihren Vorschlag überprüfen. Außerdem haben die nationalen Parlamente erstmals ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof, falls ihrer Meinung nach ein Rechtsakt der EU das Subsidiaritätsprinzip verletzt.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann, MdB