Frage an Karl-Georg Wellmann von Holger S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Wellmann,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!
Sie schreiben, ohne Forschung an embryonalen Zellen wären die jüngsten Erfolge bei der Reprogrammierung adulter Zellen nicht möglich gewesen. Bitte erlauben Sie mir deshalb eine Nachfrage, weil ich nicht erkennen kann, warum Sie damit Ihre Befürwortung einer Verschiebung des Stichtags begründen.
Denn zur Entwicklung der neuen, aus Hautzellen geborener Menschen gewonnenen, pluripotenten Stammzellen mit Eigenschaften embryonaler Stammzellen ("iPS") haben die Forscher aus Japan (Yamanaka) und USA (Thomson) die weltältesten embryonalen Stammzellen von 1998 als „Goldstandard" herangezogen, um durch Vergleich mit ihnen die
erfolgreiche Reprogrammierung der Hautzellen nachzuweisen.
Sowohl Yamanaka als auch Thomson, der 1998 die weltweit ersten menschlichen embryonalen Stammzellen beschrieben hatte, haben einen ausgezeichneten wissenschaftlichen Ruf in der Fachwelt, sie haben ihre iPS-Studien in hochrangigen Fachzeitschriften ("Cell" und "Science") prominent publiziert.
Wäre es nicht absurd anzunehmen, diese international gefeierten Forscher hätten für ihre Pionierleistung unbrauchbare und wissenschaftlich wertlose Stammzellen als Vergleichsmaßstab eingesetzt, obwohl sie freien Zugriff auf angeblich bessere, neuere Stammzellen haben?
Hätten Ihre Ergebnisse auf Grund veralteter Zellen nicht kritisiert werden müssen?
Yamanaka hat aber erst kürzlich in Heidelberg einen bedeutenden Wissenschaftspreis, den mit 50.000 Euro dotierten Meyenburg-Preis als Auszeichnung für seine iPS-Arbeit erhalten.
Ich würde daher gerne von Ihnen wissen, warum Sie diese "alten", von Yamanaka und Thomson erfolgreich eingesetzten und nach der gegenwärtigen Rechtslage nach Deutschland importierbaren Stammzellen für die deutsche Grundlagenforschung, etwa um reprogrammierte Zellen mit ihnen zu vergleichen, für nicht ausreichend halten und sich für die Verschiebung des Stichtags aussprechen?
Mit freundlichen Grüßen
Holger Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
bezugnehmend auf Ihre Nachfrage möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag meiner Bundestagkollegen Eberhard Gienger, MdB und Ilse Aigner, MdB unterstütze. Der Antrag hält am bestehenden Stammzellgesetz weitgehend fest und erhält die ethische Substanz, wobei zwei kleine Änderungen vorgesehen sind: 1) Einmalige Neufestsetzung des Stichtags auf den 1.5.2007. Dadurch wird kein einziger Embryo getötet, aber die Wissenschaft in Deutschland bekommt den Freiraum, den sie braucht. Gerade wenn wir - der Intention des Stammzellgesetzes entsprechend - hochwertige, auf Therapien ausgerichtete Forschungsprojekte ermöglichen wollen, müssen wir neuere Stammzellen zulassen.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich in dem von mir unterstützten Antrag lediglich um eine einmalige Fristverschiebung handelt. Die Entwicklung der induzierten pluripotenten Stammzellen gibt begründeten Anlass zur Hoffnung, dass auf die Forschung mit embryonalen Stammzellen langfristig verzichtet werden kann.
2) Begrenzung der Strafbarkeit auf Inlandstaten: Die derzeitige Rechtslage hat unter deutschen Wissenschaftlern große Unsicherheit im Hinblick auf internationale Kooperationen ausgelöst, das sie unklar ist. Es sollte daher eine Klarstellung erfolgen, dass sich die Strafvorschriften des Stammzellgesetzes auf die ungenehmigte Verwendung embryonaler Stammzellen beziehen, die sich im Inland befinden.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann, MdB