Frage an Karl-Georg Wellmann von David M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wellmann,
mit viel Interesse habe ich Ihre Rede im Bundestag zur Lage in der Ukraine verfolgt. Sie haben hier das Thema Zensur auf Google in Deutschland angesprochen.
Ich möchte Ihnen zunächst mitteilen, dass ich ebenfalls der Meinung bin, dass dies ein unhaltbarer Zustand ist, der dringend und umgehend geändert werden muss. Es kann nicht sein, dass wir Deutsche nicht in der Lage sind, das Weltgeschehen zu verfolgen.
Leider haben Sie die Ursache nicht ganz korrekt dargestellt: Die Videos werden häufig mit Hintergrundmusik hinterlegt. Da dies nach der aktuellen Rechtslage allerdings eine GEMA Abgabe fordern würde und Google und die GEMA hier keinen Vertrag haben, ist Youtube rechtlich verpflichtet, diese Videos nicht in Deutschland zu zeigen.
Eine sinnvolle Lösung wäre die Einführung einer Fair Use Regelung im Urheberrecht, nach z.B. amerikanischem Vorbild (Fair Use 17 U.S.C. § 107).
Nun meine Frage: Werden Sie eine Fair Use Regelung im Urheberrecht unterstützen, damit wir in Deutschland nicht mehr zensiert werden? Ich denke es ist hier sehr eindeutig, dass das öffentliche Interesse an Informationen über die Lage in der Ukraine über dem persönlichen Recht des Urhebers eines Stücks Musik steht, dass nur im Hintergrund läuft.
Mit besten Grüßen,
David Murawitz
Sehr geehrter Herr Murawitz,
vielen Dank für Ihre Frage. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält an dem deutschen Schrankenmodell fest. Gegenüber dem US-amerikanischen Modell des "fair use" sehen wir hier den Vorteil der Rechtssicherheit. Durch die gesetzlich normierten Schranken soll jeder Nutzer im Urheberrechtsgesetz nachlesen können, was er darf oder nicht.
Die GEMA selbst sperrt keine Videos auf Youtube und hat auch keinen Dritten mit der Sperrung beauftragt. Was die Sperrungen auf der Videoplattform Youtube anbelangt, so geschehen diese, wie wir mittlerweile wissen, durch Youtube selbst und nicht durch die GEMA. Die GEMA erklärt hierzu:
"Die dazu von YouTube eingeblendeten Sperrtafeln suggerieren fälschlicherweise, die GEMA wäre für die Sperrung verantwortlich. Deshalb hat die GEMA YouTube im Januar 2013 aufgefordert, die Verwendung der Sperrtafeln zu unterlassen. YouTube ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, weswegen die GEMA dem gesetzlich vorgesehenen Weg folgte und eine Unterlassungsklage beim Landgericht München eingereicht hat."
Zwischen der GEMA und Youtube gibt es bereits seit mehreren Jahren einen Rechtsstreit, da sich beide Seiten nicht über die Höhe der Vergütung für auf Youtube gezeigte und durch die GEMA geschützte Werke einigen können. Der Fall liegt aktuell bei der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes.
Eine Sperrung der Webcamübertragungen vom Maidan ist aus Sicht der GEMA aus urheberrechtlichen Gründen jedoch gar nicht notwendig. Die GEMA hierzu: "Während Google argumentiert, aus „juristischer Vorsorge“ zu sperren, so ist aus Sicht der GEMA zunächst fraglich, inwiefern es sich im Rahmen dieser Livestreams überhaupt um durch die GEMA urheberrechtlich geschütztes Material (GEMA-Musik) handelt oder handeln könnte. Dies scheint eher unwahrscheinlich und eine vorsorgliche Sperrung in diesem Zusammenhang weniger begründet.
Und selbst wenn auf einem Livestream vom Maidan im Hintergrund Musik zu hören sein sollte, so greift an dieser Stelle sehr wahrscheinlich § 57 Urheberrechtsgesetz: Demzufolge handelt es sich bei mitübertragener Hintergrundmusik um „unwesentliches Beiwerk“, ohne dass dafür Lizenzgebühren anfallen. Auch hier stellt sich die Frage, wieso vorsorglich gesperrt wird."
Ich teile Ihre Ansicht, dass es ein erhebliches öffentliches Interesse an der Übertragung von Informationen über die Lage in der Ukraine gibt. Wie Sie sehen, waren diese Sperrungen jedoch nicht durch unser aktuell geltendes Urheberrecht begründet.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann